TU Berlin: Stadtentwicklung im Klimawandel neu denken

Schematische Darstellung einer Baum-Rigole Lupe © Abbildung: Sieker

Vorbereitet auf Starkregen, gewappnet gegen Hitze – wie Stadtentwicklung neu gedacht werden muss, um die Metropolen an die Folgen des Klimawandels anpassen zu können: Viel ist derzeit von der Schwammstadt im Zusammenhang mit den Flutereignissen, die sich Mitte Juli in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen ereigneten, die Rede. Schwammstadt bedeutet, dass eine Stadt in der Lage sein soll, bei Hochwasser und Starkregen das Wasser – eben wie ein Schwamm – aufzusaugen. Matthias Barjenbruch sieht diesen Begriff jedoch kritisch. Seiner Meinung nach erfasst er ein gravierendes Problem, worunter Städte zunehmend leiden, nicht: Es ist die Hitze. Städte werden zu Glutinseln, heizen sich für Menschen zum Teil lebensgefährlich auf. Anfang August herrschten in Athen über Tage 43 Grad Celsius, in der Nacht 30 Grad Celsius. „Deshalb müssen Städte auch in der Lage sein, Wasser zur Kühlung wieder verdunsten zu lassen. Dabei spielt die urbane Vegetation eine wichtige Rolle“, sagt der Professor für Siedlungswasserwirtschaft an der TU Berlin.

Starkregen und Hitzewellen beurteilt die Wissenschaft mittlerweile als Folgen des Klimawandels. „Für die Stadtentwicklung heißt das, dass vielfältige Strategien gleichzeitig und gleichrangig verfolgt werden müssen, damit sich die Städte diesen Klimafolgen anpassen können. Für die Nutzung städtischer Flächen bedeutet das, dass Straßen, Dächer, Fassaden, Gehwege, Spielplätze, Grünflächen, Parks, Parkplätze – nicht mehr nebeneinander, sondern in Bezug zueinander entwickelt und diese Flächen multifunktional genutzt werden müssen. Die Herausforderung für die Stadtentwickler besteht in einer transdisziplinären Planung aller Sektoren. Straßen-, Wasser-, Wohnungsbau, Grünflächen, Verkehr – alles muss zusammengedacht werden, um zu integrierten Lösungen zu gelangen“, sagt Matthias Barjenbruch.

Was es bedeutet, wenn Hitzeprävention und Vermeidung von Überflutungen bei Starkregen transdisziplinär angegangen werden müssen und Flächen wie der Straßenraum multifunktional werden mit dem Ziel, klimaangepasst zu sein, das untersucht ein Konsortium von acht Forschungseinrichtungen sowie Planungs- und Ingenieurbüros unter Beteiligung der TU-Fachgebiete Siedlungswasserwirtschaft und Ökohydrologie und Landschaftsbewertung in dem Projekt „BlueGreenStreets“ – als multicodierte Strategie zur Klimafolgenanpassungen“.

In diesem „BlueGreenStreets“-Konzept sind Straßen nicht nur Straßen, sondern werden zu sogenannten Retentionsräumen, also Räumen, die bei Starkregen die Wassermassen zurückhalten und auch ableiten können. Das kann dadurch geschehen, dass das Regenwasser dezentral im oder neben dem Straßenraum versickert wird, indem zum Beispiel die Parkstände für Autos tiefergelegt werden. Oder Straßen übernehmen bei Starkregen die Funktion von Notwasserwegen durch den Einbau von Mittelrinnen (V-Profil) in die Straßen, von Hochborden oder Schwellen.

Dadurch kann das oberflächige Niederschlagswasser kontrolliert auf angrenzende Freiräume wie Parks, Grünflächen, Spielplätze oder unversiegelte Parkplätze geleitet werden, wo es versickert. Häuser, Straßen, aber auch die Kanalisation werden so vor Überflutung geschützt, und diese gezielte Ableitung des Niederschlages reduziert Überflutungsschäden. In Dürrephasen wiederum steht das versickerte Regenwasser der urbanen Vegetation zur Verfügung, kann über die Pflanzen verdunsten, was Kühlung bringt, und ist nicht über die Kanalisation abgeflossen.

Und Bäume sind in diesem Konzept mehr als Bäume

Bäume fungieren als temporäre Zwischenspeicher, indem verschiedene Typen von Versickerungsbaumgruben angelegt werden. Ein solcher Versickerungsbaumgruben-Typ ist die Baumrigole. Das sind Versickerungsflächen für Regenwasser, das unter anderem von Dach- und Verkehrsflächen wie Parkplätzen zu den Bäumen geleitet wird. Unterirdisch werden die Baumrigolen durch ein Drainagesystem ent- und bewässert. Das ermöglicht, den Baum in Dürrephasen mit Wasser zu versorgen. Dadurch bleiben die Straßenbäume als Elemente der Wasserspeicherung, Verschattung, Verdunstung und Kühlung erhalten und können die starke Aufheizung von Gehwegen und Straßen bei Hitze mildern.

Die Aufenthaltsqualität des Straßenraums verbessert sich

Zudem sind Baumrigolen so konstruiert, dass sie den Baumwurzeln genügend Raum geben. Lebenswichtig für die Bäume. Weitere Elemente der Hitzeprävention sind im Straßenraum angelegte Verdunstungsbeete mit verdunstungsintensiven Pflanzen sowie begrünte Dächer und Fassaden. Hierbei übernehmen Dächer und Fassaden die zusätzliche Funktion eines Wasserspeichers und dienen ebenfalls der Verschattung, Verdunstung und damit der Kühlung des städtischen Raums.

Beispiele zeigen, wie sich urbane Vegetation und urbanes Wasser bedingen

Ohne entsiegelte Flächen und intaktes städtisches Grün und ohne gezielte Nutzung des Regenwassers zum Erhalt des städtischen Grüns – keine Versickerungs-, Speicher- und Verdunstungsleistung bei Starkregen und Hitzeperioden. „Ziel von Stadtentwicklung muss es deshalb zukünftig sein, die urbane Vegetation mit der urbanen Wasserinfrastruktur zu koppeln, was bislang kaum geschieht, aber nur so können Starkregen und Hitzeperioden von der Stadt abgepuffert werden“, sagt Matthias Barjenbruch, dessen Team in dem Projekt „BlueGreenStreets“ die Schadstoffbelastung des Straßenwassers untersucht. Das Team des Fachgebiets Ökohydrologie und Landschaftsbewertung unter der Leitung von Prof. Dr. Eva Paton erforscht den Wasserverbrauch und die Verdunstungsleistungen von Stadtbäumen und Fassadenbegrünungen im urbanen Raum.

 

Lesen Sie auch das Interview mit Prof. Dr. Eva Paton über den Zusammenhang von Dürre und extremem Starkregen und ihren Folgen: http://www.tu.berlin/go32586