Eine Kombination von Geoinformationssystemen mit Statistiken vergangener Erdrutsche kann die Wahrscheinlichkeit künftiger Abgänge lokal eingrenzen und Prognosen zuverlässiger machen. Das betonen Forschende der TU Bergakademie Freiberg, des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) und der Universität Würzburg in einer aktuellen Studie zu Gefährdungskarten am Beispiel der Schwäbischen Alb.
Die zerstörerische Kraft von Erd- und Hangrutschen, die durch Starkregen hervorgerufen werden kann, zeigte sich deutlich bei den jüngsten Flutkatastrophen in mehreren Regionen Deutschlands und Europas. Vor dem Hintergrund der Diskussion um die Bewertung der Vorhersagen weisen die Forschenden darauf hin, dass die bestehenden Methoden zur Ermittlung der Anfälligkeit – insbesondere für Erdrutsche – verbessert werden sollten.
„Kombinieren wir vorhandene Geodaten mit den Hangrutsch-Ereignissen einer bestimmten Region, ergeben sich neue Zusammenhänge, die es ermöglichen, realistische lokale Gefährdungsbereiche für Massenabgänge nach Starkregen auszuweisen“, sagt Christoph Butscher, Professor für Ingenieurgeologie der TU Bergakademie Freiberg. Für die Erstellung von Gefährdungskarten werden Faktoren wie beispielsweise Topografie und Bodenart statistisch betrachtet. Dabei wird ermittelt, wie oft eine Hangrutschung innerhalb einer bestimmten Klasse der Faktoren, beispielsweise bei 30° Hangneigung oder bei Tonsteinen im Untergrund, auftrat.
Je häufiger eine Hangrutschung in einer Faktorklasse auftrat, desto mehr Gefährdungspunkte werden dem sogenannten Indexwert zugeordnet. Dieser verdeutlicht auf räumlich hochaufgelösten Karten die Gefährdung für Rutschungen in abgestuften Kategorien (zum Beispiel gering, mäßig, stark, sehr stark gefährdet). Typischerweise wird dies durch eine „Ampelsignatur“ – grün bei geringer Gefährdung (niedrigem Indexwert), über gelb und orange bis rot bei sehr starker Gefährdung (hohem Indexwert) – dargestellt.
Zuverlässigkeit von Gefährdungskarten erhöhen
Für Hangrutsche beziehen Gefährdungskarten nach dem aktuellen wissenschaftlichen Stand die relevanten Geodaten mit ein und haben schon heute eine hohe Genauigkeit. Statistische Methoden erlauben, die Aussagekraft der Gefährdungskarten zu überprüfen. Dennoch kann die Zuverlässigkeit der Gefährdungskarten für Hangrutsche laut dem Forschendenteam durch rückwirkende Untersuchungen noch weiter optimiert werden. Behörden und politischen Entscheidern sollten diese Erkenntnisse noch besser vermittelt und somit das Vertrauen in die Gefährdungskarten erhöht werden, sind sich die Autoren der Studie einig.
Anhaltende Starkniederschläge 2013 in der Schwäbischen Alb: Zwei von vier Vorhersagen für Hangrutsche waren korrekt
Gemeinsam mit Wissenschaftlern des KIT und der Universität Würzburg hat Ingenieurgeologe Prof. Christoph Butscher die Genauigkeit, mit der statistische Gefährdungskarten Hangrutschereignisse vorhersagen, rückblickend untersucht. „Konkret haben wir die Vorhersagen von mehreren Gefährdungskarten im Bereich der Schwäbischen Alb verglichen mit dem Auftreten von Hangrutschungen nach dem anhaltenden Starkregen von 2013“, erklärt Prof. Christoph Butscher. Das Ereignis gilt als einer der folgenschwersten Bergrutsche in Baden-Württemberg. Die Gefährdungskarten wurden bereits vor den Hangrutschen erstellt.
Für das Gebiet um Mössingen-Öschingen wurden vier Gefährdungskarten von verschiedenen Autoren erstellt; der Starkregen hat 2013 insgesamt fünf Hangrutsche ausgelöst. „Eine solche Häufung kommt für eine statistische Untersuchung nicht allzu oft vor“, begründet Paul Fleuchaus, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Angewandte Geowissenschaften des KIT, den Anlass der Studie. „Der Blick in die Vergangenheit lohnt sich also, um die Gültigkeit und Zuverlässigkeit der Karten zu verdeutlichen und gegebenenfalls mit neuen Erkenntnissen zu verbessern.“
Überträgt man die Erkenntnisse auf die Vorhersage künftiger Erdrutsche kommen die Autoren der Studie zu diesem Schluss: Nur die Hälfte der untersuchten Vorhersagen konnte die Gefährdung korrekt lokalisieren. Eine Überprüfung der Gefährdungskarten mit statistischen Methoden ist also notwendig, um die Genauigkeit der Vorhersagen zu validieren. Im Zweifelsfall sollten die Karten jedoch zusätzlich durch Feldstudien vor Ort überprüft werden, also durch die Untersuchung der konkreten geologischen Bedingungen.