Bestäuber sind unverzichtbar für die landwirtschaftliche Produktion. Allerdings kann Bestäubung auch ausfallen oder unzureichend sein, was zu geringeren Erträgen und schlechterer Qualität führen kann. Daher sind alternative Lösungen erforderlich. Die Handbestäubung, bei der Pollen manuell oder mechanisch auf die Blüte aufgetragen wird, kann die tierische Bestäubung ergänzen oder ersetzen. Forscher der Universitäten Göttingen und Hohenheim präsentieren nun die erste systematische Übersicht über die Handbestäubung von Nahrungsmittelpflanzen.
In den letzten Jahren hat der Anbau von Nutzpflanzen, die von Bestäubern abhängig sind, weltweit zugenommen. Gleichzeitig kommt es zu einem starken und großflächigen Rückgang von Bestäubern durch Landnutzungsänderungen, insbesondere durch intensivere Landwirtschaft. Wo Handbestäubung verbreitet ist und wie bedeutsam sie ist, wurde bislang wenig erforscht. Nach Sichtung der Literatur fanden die Forscherinnen und Forscher heraus, dass insbesondere bei Passionsfrucht, Kiwi, Vanille und Dattelpalme die Handbestäubung häufig genutzt wird. Davon konnten die Autorinnen und Autoren für Vanille, Passionsfrucht und Dattelpalme sowie für die beiden Baumarten Atemoya und Cherimoya sowie für Ölpalme eine weltweite Nutzung von Handbestäubung nachweisen.
Verschiedene ökologische, klimatische und wirtschaftliche Gründe können die Handbestäubung erfordern. Das Fehlen von natürlichen Bestäubern ist die wichtigste Motivation, was verschiedene Gründe haben kann. Insbesondere Nutzpflanzen, die nur von einer einzigen, spezialisierten Art bestäubt werden, sind dafür anfällig – wie zum Beispiel die Baumarten Atemoya oder Cherimoya, die ausschließlich von Glanzkäfern (Nitidulidae) bestäubt werden.
Viele Pflanzen werden zudem außerhalb ihres natürlichen Verbreitungsgebiets angebaut, zum Beispiel Vanille in Madagaskar und Ölpalme in Indonesien. Wenn dann die wildlebenden, natürlichen Bestäuber dieser Nutzpflanzen fehlen, wird oft Handbestäubung verwendet. Auch der übermäßige Einsatz von Pestiziden und der Verlust des natürlichen Lebensraums für Bestäuber kann Handbestäubung bedingen. So leiden etwa die Passionsfruchtproduktion in Brasilien und der Atemoya-Anbau in Australien unter der geringen Anzahl von Holzbienen bzw. Glanzkäfern.
„Mit unserer Studie konnten wir zeigen, dass die Handbestäubung in der Landwirtschaft oftmals monetäre Verluste verringern oder verhindern kann, was sie zu einer attraktiven und rentablen Methode macht“, betont Prof. Dr. Teja Tscharntke, Leiter der Abteilung Agrarökologie der Universität Göttingen. Durch die Handbestäubung können Landwirte konstante Erträge sicherstellen, eine Über- oder Unterbestäubung vermeiden, die Häufigkeit der Bestäubungsereignisse kontrollieren, über die Herkunft des Pollens entscheiden und den optimalen Zeitpunkt für die Bestäubung wählen. Qualitätsstandards wie Form, Größe oder Saftgehalt sind entscheidend für einen hohen Marktwert und können bei bestimmten Kulturen durch manuelle Bestäubung verbessert werden.
Prof. Dr. Ingo Grass, Leiter der Abteilung Ökologie tropischer Agrarsysteme an der Universität Hohenheim, fügt hinzu, dass die Handbestäubung auch Risiken und Hindernisse mit sich bringt: „Sie ist zeit- und arbeitsaufwändig, da sie mehrere Schritte umfasst. Dazu gehören das Ernten, Trocknen, Lagern, und Ausbringen von Pollen. Vor allem in großflächigen Anbausystemen kann die Investition in mehr Arbeit und Material zu kostspielig sein.“
Somit ist es wichtig, vorab die Kosten und Gewinne der Handbestäubung abzuwägen, bevor diese eingeführt wird. Die Kosten können durch die Entwicklung neuer Technologien gesenkt werden. Stehen keine automatisierten Techniken zur Verfügung, wird die Handbestäubung häufig von schlecht bezahlten Arbeitskräften und sogar Kindern unter prekären Bedingungen durchgeführt. „Daher muss die Handbestäubung mit sozial-ökologischen Standards einhergehen, die den Schutz von natürlichen Bestäubern sowie sichere und gerechte Arbeit einschließen“, folgert Grass.
Annemarie Wurz, Agrarökologin an der Universität Göttingen und Erstautorin der Studie, betont: „Dort, wo natürliche Bestäubung verfügbar ist oder wiederhergestellt werden kann, muss diese Art Priorität haben, da sie die effizienteste, kostengünstigste und biodiversitätsfreundlichste Bestäubungsoption darstellt.“ Das Forschungsteam sieht das Potenzial der Handbestäubung dort, wo es keine Bestäuber gibt – wie zum Beispiel beim Vanilleanbau auf Madagaskar – oder wo die Bestäuber nicht zuverlässig genug sind – wie zum Beispiel beim Passionsfruchtanbau in Brasilien.