Mikrobengemeinschaft trotzt dem Klimawandel

1 Versuchsfläche in der GCEF (konventioneller Anbau). Die PBSA-Proben wurden in der Mitte der Parzelle platziert. Purahong / UFZ

Kunststoffe, die biologisch abbaubar sind – das klingt zunächst einmal gut. Doch wie sie im Boden abgebaut werden und welchen Einfluss der Klimawandel auf Abbauprozesse hat, darüber ist bislang noch sehr wenig bekannt. Bodenökologen des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ) haben nun in zwei Studien gezeigt, welche Mikrobengemeinschaft für den Abbau zuständig ist, welche Rolle dabei das Klima spielt und warum biologisch abbaubare Kunststoffe durchaus problematisch sein könnten.

Foto: UFZ

Plastik, das in Böden, Ozeane oder Binnengewässer gelangt, schadet den dort lebenden Organismen und führt zu teils massiven und langfristigen Störungen in den Ökosystemen. Die Entwicklung und ein vermehrter Einsatz biologisch abbaubarer Kunststoffe rücken daher mehr und mehr in den Fokus einer ökologischeren Wirtschaft. “Doch trotz ihres positiven Images wissen wir im Grunde noch sehr wenig darüber, wie sie im Boden wirken und wie sie abgebaut werden“, sagt Prof. François Buscot, Bodenökologe am UFZ.

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Die Forscher um Buscot gingen deshalb in einer kürzlich im Fachjournal „Environmental Science and Technology“ erschienenen Studie folgenden Fragen nach: Wie schnell wird biologisch abbaubarer Kunststoff abgebaut? Welche Mikroorganismen sind beteiligt? Wie interagieren sie? Welche Bedingungen können den Abbauprozess fördern, welche hemmen ihn? „Wir wollten zudem wissen, wie sich die durch den Klimawandel verändernden Temperaturen oder Niederschlagsmengen auf die Abbaubarkeit der Kunststoffe auswirken“, erklärt Dr. Witoon Purahong, ebenfalls Bodenökologe am UFZ und Erstautor der Studie.

Dazu führten die Wissenschaftler Versuche in der Global Change Experimental Facility (GCEF) in Bad Lauchstädt durch, dem derzeit flächenmäßig größten Freiland-Klimaexperiment weltweit, in dem die Folgen des Klimawandels auf Landnutzung und Ökosysteme untersucht werden. Im Fokus standen Mulchfolien, die in der Landwirtschaft und im Gartenbau zur Abdeckung des Bodens dienen und im Regelfall bislang aus Polyethylen (PE), einem aus fossilen Rohstoffen erzeugten Kunststoff, bestehen.

Technologisch bedingt bleiben oft Reste der Folien im Boden zurück und führen mittelfristig zu Verunreinigungen mit Mikroplastik. Ein Umschwenken auf biologisch abbaubare Alternativen wäre hier also grundsätzlich sehr sinnvoll. Doch hat vielleicht auch ihr Einsatz Nebenwirkungen?

Um das herauszufinden, untersuchte das Team über ein Jahr, wie die auf der Basis von Pflanzen hergestellte Mulchfolie PBSA (Polybutylensuccinat-Co-Adipat) auf einer landwirtschaftlich genutzten Fläche biologisch abgebaut wird. Die Wissenschaftler unterschieden zwischen heutigen Klimabedingungen und simulierten Klimabedingungen, wie sie für Mitteldeutschland um das Jahr 2070 prognostiziert werden.

Sie ermittelten anhand moderner molekularbiologischer Methoden (Next Generation Sequencing), welche Mikrobengemeinschaft sich auf dem Kunststoff selbst und im Boden um ihn herum angesiedelt hat.

„Wir konnten zeigen, dass bereits nach knapp einem Jahr rund 30 Prozent des PBSA abgebaut waren – das ist unter den klimatischen Bedingungen, wie sie in Deutschland derzeit herrschen, eine ganze Menge“, sagt Witoon Purahong. „Die Hauptakteure sind dabei Pilze, die durch eine vielfältige Bakteriengemeinschaft und einige weitere Mikroorganismen unterstützt werden.“ Darunter sind etwa Bakterien, die die Pilze mit dem im Kunststoff raren Stickstoff beliefern, oder Bakterien und Archaeen, die giftige Abbauprodukte verwerten.

„Auf und um den Kunststoff herum bildet sich eine intelligente Abbau- und Verwertungsgemeinschaft – und das tatsächlich auch unter den simulierten zukünftigen Klimabedingungen mit ähnlicher Abbaurate“, so Purahong weiter. Das veränderte Klima schadet den PBSA-abbauenden Pilzen also offenbar nicht. Die Mikrobengemeinschaft um sie herum ist zwar eine etwas andere, doch das Abbauergebnis ist ähnlich. „Das ist eine wirklich gute Nachricht, mit der wir in der Form nicht gerechnet hätten.“

In einer weiteren Studie, die die UFZ-Forscher im Fachjournal Environmental Science Europe veröffentlichten, nahmen sie die Gemeinschaft der Mikroorganismen unter verschärften Bedingungen unter die Lupe. Sie untersuchten, wie sich die Gemeinschaft verändert wenn zum einen große Mengen PBSA in den Boden gelangen und zum anderen hohe Konzentrationen Stickstoffdünger ausgebracht werden.

2 Reste der über 240 Tage abgebauten PBSA-Folie (konventionelle Landwirtschaft / Zukunftsklima). Purahong / UFZ

„Durch große Mengen PBSA wird die Mikrobengemeinschaft im Boden tatsächlich eine ganz andere“, sagt Doktorandin Benjawan Tanunchai und Erstautorin der Studie. Bei einer Zunahme von sechs Prozent PBSA im Boden ging die Vielfalt an Pilzarten um 45 Prozent zurück, die der Archaeen um 13 Prozent. Die Düngung der Fläche in Kombination mit einer hohen PBSA-Belastung führte sogar dazu, dass sich mit Fusarium solani ein weit verbreiteter pflanzenschädigender Pilz stark vermehrte.

Aus beiden UFZ-Studien ergibt sich somit eine gute und eine weniger gute Nachricht: Der Kunststoff PBSA kann im Boden vergleichsweise schnell und auch unter zukünftigen Klimabedingungen effizient abgebaut werden. Kommt PBSA allerdings in großen Mengen und zusammen mit hohen Konzentrationen an stickstoffhaltigem Dünger vor, kann sich der PBSA-Abbau aufgrund einer gestörten Mikrobengemeinschaft und dem vermehrten Vorkommen von Schädlingen negativ auf die landwirtschaftliche Produktion auswirken.

„Gelangen große Mengen an Kunststoff in die Umwelt, ist das nie gut – auch nicht, wenn es sich um einen biologisch abbaubaren Kunststoff handelt“, bilanziert François Buscot. „Am besten wäre es, wenn wir den Plastikeintrag ganz vermeiden würden. Da das bislang unrealistisch ist, sollten wir deshalb zumindest überall, wo es möglich ist, auf biologisch abbaubare Kunststoffe setzen und unser Wissen in Bezug auf ihre Abbaubarkeit und ihre Folgen erweitern.“