Photovoltaik (PV) spielt für die Energiewende und das Erreichen der Klimaziele eine wichtige Rolle. Erst kürzlich wurde über eine Photovoltaik-Pflicht für Neubauten diskutiert. Ob mit oder ohne Pflicht: Es wird immer mehr PV-Anlagen geben – sowohl auf Dächern, als auch auf großen Freiflächen. Technische Fehler jedoch können den wirtschaftlichen Nutzen der Anlagen und ihren Beitrag zur Dekarbonisierung und für eine Schonung der Ressourcen schnell zunichtemachen. Und diese effizienzmindernden Fehler sind an der Tagesordnung, schließlich sind die Anlagen Wind und Wetter ausgesetzt. Bislang gibt es noch nicht den Königsweg, um Fehler an den Modulen ausfindig zu machen und dann schnell beheben zu können. Hier setzt eine Studie der Fachhochschule (FH) Bielefeld an.
Herstellerübergreifende Prüfung möglich
Damit die Solarzellen in den PV-Modulen möglichst störungsfrei Sonnenenergie in Strom umwandeln können, arbeiten Wissenschaftler am Campus Minden der FH Bielefeld an einer Software, die professionelle Anlagenbetreuer bei ihrer Arbeit unterstützt. „Wir wollen Photovoltaik-Experten ein Instrument bieten, mit dem sie herstellerunabhängig checken können, ob die Module reibungslos arbeiten oder ob eine Störung vorliegt. Das kann beispielsweise Verschattung oder defekte Kabel, Stecker oder Dioden sein“, erklärt Felix Meyer, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Campus Minden.
Bei einer Störung sinkt die Effizienz der Anlage. Doch je mehr Strom aus Sonnenlicht in das Netz fließt, umso weniger Strom aus fossilen Energieträgern muss eingespeist werden. Die Störungen sollen daher möglichst schnell behoben werden. Projektleiterin Grit Behrens, Professorin für Angewandte Informatik am Campus Minden, ergänzt: „Photovoltaik ist noch eine recht junge Technologie.
Es wurden zwar über die Jahre sehr viele Daten gesammelt, aber es gibt noch keine so ausgereiften Monitorings wie in anderen Branchen. Für Firmen, die große PV-Anlagen mit unterschiedlichen Modulen verschiedener Hersteller betreuen, ist es eine Herausforderung, Störungen ausfindig zu machen. Deshalb wollen wir die vorhandenen Daten herstellerunabhängig analysieren und zur Fehleridentifikation nutzen.“
Kennlinien zeigen Störungen an
Felix Meyer hat selbst in Minden Informatik studiert und arbeitet nun an dem Prototyp einer Softwareapplikation, deren Herzstück eine umfassende Datenbank ist. „Wir analysieren vorhandene Daten von PV-Modulen verschiedener Hersteller. Bei jedem Modul kann man die sogenannte Kennlinie messen. Diese zeigt die Leistung über den Tag an“, so Meyer.
Moduldatenbank zeigt Betreibern, wenn etwas falsch läuft
Die Daten haben die Mindener von Kooperationspartnern, die deutschlandweit PV-Anlagen betreuen. In der Datenbank sind Kennlinien von Modulen der unterschiedlichsten Hersteller gespeichert, die sowohl von Modulen im einwandfreien Betrieb stammen, als auch von Modulen, die Fehler aufweisen. Die Module sind zudem unterschiedlich alt. „Es sind auch Module dabei, die schon seit 20 Jahren oder länger im Einsatz sind, manche Hersteller sind schon gar nicht mehr am Markt“, erklärt Professorin Behrens.
Die Kennlinie können Fachleute mit einem entsprechenden Messgerät vor Ort erfassen. In großen Anlagen sind im Regelfall mehrere Module zu einem Strang verbunden. Ein Strang kann je nach Größe der Anlage aus fünf bis rund 20 Modulen bestehen. Die Kennlinie kann für einen Strang oder direkt am einzelnen Modul gelesen werden. Wenn ein Anlagenbetreuer nun die Kennlinie von einem Strang misst, kann er sie über die Software mit denen in der Datenbank abgleichen und auf mögliche Fehler in diesem Strang schließen. Die Fehler werden dann konkret in der Datenbank vermerkt.
Grit Behrens: „Für unsere Experimente haben wir Kennlinien sowohl von Modulen als auch von Strängen verwendet. Die Kennlinie gibt Auskunft, ob ein Modul im Strang kaputt ist, man weiß aber nicht, welches Modul.“ Trotzdem sei es eine sehr große Hilfe in PV-Anlagen, wie Behrens weiter erläutert: „Man braucht nicht jedes Modul im Feld zu untersuchen, sondern kann sich auf einen Strang konzentrieren.
Zudem ist die Moduldatenbank herstellerunabhängig, was für die Experten, die eine Vielzahl an Anlagen unterschiedlicher Hersteller betreuen, sehr wichtig ist.“ Um herauszufinden, ob und wie viele Module in dem Strang defekt sind, machen die Anlagenbetreuer weitere Untersuchungen, beispielsweise mit visuellen Verfahren wie Infrarot- oder Elektrolumineszenzkameras, die sie per Drohne über die Anlage fliegen lassen. Alternativ kann auch die Kennlinie jedes Moduls einzeln gemessen werden.
So werden Kennlinien gebildet
Kennlinien sind immer nur Momentaufnahmen, die zeigen, wie sich das Modul aktuell verhält, wie Felix Meyer weiter erläutert: „Ein spezielles Messgerät zeigt die Leistung des Moduls bei der aktuellen Sonneneinstrahlung und Temperatur.“ Beim Messen der Kennlinien wird eine Spannung auf das PV-Modul gegeben. Je nach Stärke der Einstrahlung fließt ein unterschiedlich starker Strom. „Zusammen bilden sich dann Strom-Spannungs-Paare, die gemessen werden und die Kennlinien darstellen“, so Meyer. Der Abgleich mit der Datenbank zeigt dann mögliche Störungen auf. Zur Verfolgung über einen ganzen Tag werden mehrere Kennlinien erfasst, zum Beispiel alle 30 Minuten über den Tag hinweg, solange die Sonne am Himmel ist.
Maschinelles Lernen hilft bei der Leistungsprognose
Zusätzlich sollen aus den Kennlinien Daten extrahiert werden, die mit Methoden des maschinellen Lernens analysiert werden können. Die Algorithmen „lernen“, aus den extrahierten Daten typische Muster für fehlerhafte und fehlerfreie PV-Module zu erkennen und können dabei auch die Umgebungsbedingungen wie Einstrahlung und Temperatur berücksichtigen.
Damit nicht genug: Die Software soll zudem die Möglichkeit für eine Leistungsprognose der PV-Module auf der Grundlage von Dunkelkennlinien bieten.
Dunkelkennlinien werden bei Nacht in Dunkelheit gemessen und bieten den großen Vorteil, dass sie fast vollständig unabhängig vom Wetter aufgenommen werden können. Die mit maschinellem Lernen trainierten Algorithmen können von diesen Dunkelkennlinien aus auf das Verhalten des Moduls bei Tageslicht schließen und eine Leistungsprognose erstellen. Und das viel genauer, als es bei schlechtem Wetter mit vielen Wolken am Himmel mit einer herkömmlichen Kennlinienmessung möglich gewesen wäre.
Auf Machbarkeitsstudie soll Umsetzung folgen
Bis zur Produktreife wird es noch eine Weile dauern, denn das laufende Projekt ist zunächst nur eine Machbarkeitsstudie für eine intelligente und herstellerunabhängige
Photovoltaik-Moduldatenbank. Prof. Dr. Behrens ist aber zuversichtlich, dass es nicht bei dem Prototyp bleibt: „Wir sind schon sehr gut vorangekommen und hoffen, dass wir die Studie nach dieser relativ kurzen Projektlaufzeit von nur sechs Monaten weiterführen können. Unser Ziel ist schließlich, dass die Software bald auch eingesetzt werden kann und so einen Beitrag leistet, möglichst viel Strom aus Sonnenenergie zu gewinnen.“