Prof. Dr. Clemens Jauch will Niederschlag produzieren. Der Professor für Windenergietechnik hat das Konzept für ein System entwickelt, mit dem Wasser durch die Atmosphäre dorthin gebracht wird, wo es als Niederschlag gebraucht, wird. Am Institut für Windenergietechnik (WETI) der Hochschule Flensburg forscht und lehrt Clemens Jauch hauptsächlich zur Netzeinspeisung von Windstrom und zur Systemträgheit von Windenergieanlagen. Doch seit längerer Zeit beschäftigen den Familienvater die zunehmenden Wetterextreme in Folge des Klimawandels. Mit Sorge schaut er immer wieder auf die verheerenden Waldbrände in Australien, an der Westküste der USA oder zuletzt in Südeuropa, die durch extreme Trockenheit und starken Wind begünstigt werden. „Selbst in Deutschland ist es mittlerweile zu trocken“, sagt Jauch. Der Grund: Der natürliche Wasserkreislauf funktioniert an manchen Stellen der Erde nicht mehr so wie wir es gewohnt sind. Das System aus Verdunstung, Wolkenbildung und Niederschlag hat sich verändert. Aus Sicht von Jauch ist es aber auch Teil der Lösung. „Ich möchte den Wasserkreislauf unterstützen, stärken“, sagt der Wissenschaftler.
Neue Ideen haben meist einen Ursprung. Wie war das bei Ihnen?
Als ich angefangen habe darüber nachzudenken hatten wir gerade den Winter 2019/20 hinter uns und in Australien brannte die Ostküste. Brände durch große Trockenheit gibt es auch bei uns. Wir erinnern uns an den Moorbrand im Emsland. Wenn man die Ursachen der Trockenheit analysiert, zeigt sich, dass es Probleme mit dem natürlichen Wasserhaushalt gibt. Und wenn man sich dann den natürlichen Wasserkreislauf anschaut, der ja über die Atmosphäre funktioniert, dann wird schnell klar, dass man für den natürlichen Wasserkreislauf große Flächen braucht. Flächen die Wasser verdunsten. Die sollten das notwendige Wasser-Volumen in der Luft verursachen, das dann vom Wind transportiert wird. Dann wird irgendwann der Taupunkt erreicht und es kommt zum Niederschlag.
Aber wie kommen Sie jetzt von Flächen in der Landschaft zur Windmühle?
Die Windenergieanlagen sind im Laufe der vergangenen Jahre immer größer geworden. Sie sind heute groß im Rotordurchmesser und auch groß in der Turmhöhe. Um auf den Punkt zu kommen, wenn ich den Roter einer Windenergieanlage nehme, habe ich eine sehr große Fläche, mit der ich auf die Atmosphäre einwirken kann und dies in einer nennenswerten Höhe. Anders als bei der horizontalen Verdunstung aus Wasserflächen am Boden ist die Rotorfläche vertikal. Über diese vertikale Fläche könnte man Wasser verdunsten, sprich in die Atmosphäre einbringen. Bei einer derzeit üblichen Größe von Windenergieanlagen, haben wir hier pro Anlage eine Wasseremissionsfläche so groß wie etwa anderthalb Fußballfeder.
Wie soll das funktionieren und wie geht Verdunstung?
Verdunstet wird beispielsweise bei niedriger Luftfeuchtigkeit und hoher Lufttemperatur. Darauf haben wir keinen Einfluss. Die andere Möglichkeit ist hohe Temperatur des Wassers, hier kann die Windenergieanlage helfen, und des Weiteren wirkt hier die Luftgeschwindigkeit und der Luftdruck. Weiter geht es um aerodynamische Profile also um Unterdruck auf der Saugseite.. Deshalb fliegt ein Flugzeug und aus dem gleichen Grund dreht sich ein Windrad. Auf der Saugseite von einem Windrad habe ich einen relativ niedrigen Druck und dieser ist sehr günstig, um Wasser zu verdunsten.
Gibt es neben dem Druck noch weitere Aspekte?
Ja, die Luftgeschwindigkeit. In Sachen Verdunstung leicht zu verstehen, denn jeder weiß, dass wenn es windig ist die Wäsche auf der Leine im Garten schneller trocknend als bei Windstille. Windenergieanlagen sind dem natürlichen Wind ausgesetzt, aber sie drehen sich halt auch. Dadurch ergibt sich eine Mischung aus dem natürlichen Wind und dem der durch die Anlage gemacht wird. Wir sprechen hier in der Fachsprache vom sogenannten scheinbaren Wind. Und dieser scheinbare Wind ist an den Rändern des Rotors immer in Orkanstärke. Das heißt wir haben hier gigantisch Windgeschwindigkeiten zusammen mit einem relativ niedrigen Druck. Das sind ideale Bedingungen, um Wasser zu verdunsten.
Und wie geht das technisch?
Das Wasser wird durch Leitungen in die Blätter des Rotors gepumpt und dann über eine Vielzahl Düsen auf der Saugseite der Anlage abgegeben. Dazu benötige ich Süßwasser. Den Gebrauch von Grundwasser lehne ich dabei allerdings ab. Was wir machen sollten ist Oberflächenwasser, besonders aus den Flussmündungen, zu nutzen, bevor es im Meer zu unbrauchbarem Salzwasser wird. So verwenden wir Wasser, das an anderen Orten nicht fehlen wird.
Im Meer funktioniere Ihre Technik nicht?
Doch, aber es ist eine kompliziertere Variante. Wir können auch off-shore Anlagen nutzen. In diesem Fall verwenden wir natürlich Salzwasser. Bei dieser Variante soll an den Rotorblätter Wasser und Salz getrennt werden. Wir wollen möglichst wenig Salz-Aerosole in die Luft bringen. Das entnommene Salz geht wieder ins Meer. Entsalzt wird auf der Saugseite der Blätter. Die Salzablagerungen werden mit einem Druckstrahl in Intervallen abgespült.
Welche Standorte brauchen diese Off-shore-Anlagen?
Wichtig ist, dass es sich um Standorte mit auflandigem Wind handelt. In Europa wären dies beispielsweise Standorte am Atlantik, also Portugal, Spanien, Frankreich, Norwegen oder Großbritannien. Bei den Standorten in unserer Region Schleswig-Holstein oder Dänemark gibt es für diese Anwendung zu wenig Hinterland. D.h. es ist unwahrscheinlich, dass das in die Atmosphäre gebrachte Wasser über dem Land wieder abregnen wird.
Gibt es denn auch eine Möglichkeit die Technologie bei uns einzusetzen?
Ja, ich nenne dann die Anwendung des Systems die „direkte Beregnung“ bzw. die „lokale Kühlung“. Bei der direkten Beregnung wird Süßwasser in Form von Tropfen in die Atmosphäre gebracht, die nicht vollständig verdunsten. Stattdessen werden sie ein Stück weit mit dem Wind transportiert und fallen dann zu Boden. Es ist also eine Beregnung im direkten Nachlauf der Anlage. Bei der lokalen Kühlung wird wiederum Süßwasser komplett verdunstet. Ich erwarte dann aber nicht, dass das Wasser über dem Land wieder abregnet. Stattdessen nutze ich den Effekt der latenten Wärme. D.h. durch die Verdunstung des Wassers sinkt die Lufttemperatur. Hinter dem Rotor ist die Luft also deutlich kühler. Diese kühlere Luft sinkt zu Boden und verringert die Austrocknung von Pflanzen und Böden.
Würden Sie Ihre Technologie eine neue Form der Bewässerung nennen?
Nein, nicht in dem Sinne, in dem man den Begriff aus der Zweckbewässerung in der Landwirtschaft kennt. Es geht, darum zusätzliches Wasser in das gesamte Ökosystem einzubringen. Man kann mit dem System zwar auch landwirtschaftliche Flächen bewässern, aber eben nicht zielgenau. Stattdessen wird eine gesamte Region mit Wasser versorgt und nicht nur genau die Fläche, die einen landwirtschaftlichen Gegenwert darstellt. Ich möchte mit dem System beispielsweise auch Moore und Waldgebiete feucht halten, wodurch Brände vermieden werden können. Wenn es aber doch zu einem Waldbrand kommen sollte, dann kann mit solchen Windenergieanlagen durch Wasser von oben das Löschen unterstützt werden.
Dafür werden Sie aber kaum Hersteller und Windparkbetreiber gewinnen können.
Richtig, mein Vorschlag geht auch nicht in diese Richtung. Die angedachte Technik soll eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die Erhaltung des Ökosystem – sprich unserer Umwelt – erfüllen. Die Investoren werden also aller Voraussicht nach auf der staatlichen Seite zu suchen sein.