Als Naturfreunde erkennen wir leicht, ob ein Baum krank oder schwach ist – zum Beispiel an der Verfärbung oder am Verlust von Blättern. Zu diesem Zeitpunkt sind die Schäden aber schon fortgeschritten und oft unumkehrbar. In einer neuen Studie zeigen Forschende der Eidgenossenschaftlichen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL wie sich der Stress eines Baumes frühzeitig erkennen lässt. Dafür setzen sie Spektraldaten aus Drohnenfotos ein.
Baumstress frühzeitig zu erkennen ist wichtig, um die zunehmenden Auswirkungen von Trockenheit auf unsere Wälder zu verstehen sowie Baumarten zu identifizieren, die besser als andere and Trockenheit angepasst sind. Methoden, womit die Baumreaktionen auf umweltbedingten Stress gemessen werden, sind daher von großer Bedeutung.
Forschende können Baumstress unter anderem über die Analyse von Jahrringen oder über die Photosyntheseleistung der Nadeln und Blätter erkennen. Mit diesen Messmethoden lässt sich erkennen, ob sich das Baumwachstum über mehrere Jahre oder während eines Hitzesommers verlangsamt hat. Sie sind wertvoll, aber auch sehr zeitaufwändig. Dafür muss nämlich jeder Baum einzeln und detailliert untersucht werden, so dass nur wenige Bäume in einem Wald beurteilt werden können.
Luftaufnahmen mit Drohne und Multispektral-Kamera
Eine neue Studie der Eidg. Forschungsanstalt WSL zeigt nun, dass sich das Stressniveau von Bäumen mit einer multispektralen Kamera aus der Luft erkennen lässt. Während einer Versuchsreihe führte die Projektleiterin Petra D’Odorico und Teamkollegen Drohnenflüge über Kiefern im Pfynwald (Wallis) durch. Sie erläutert: «Vereinfacht kann man sagen, dass das Sonnenlicht, das von den Baumkronen reflektiert wird, Informationen über den Baumzustand enthält».
Ihre Messungen haben gezeigt, dass das reflektierte Licht Veränderungen in den photosynthetischen Pigmenten (Chlorophyll und Carotinoide) hervorruft. Über die Analyse dieser Pigmentveränderungen lässt sich ableiten, wieviel ein Baum in die Photosynthese, und somit in das Wachstum investiert, oder in andere Prozesse, die durch Ressourcenknappheit hervorgerufen werden.
Extreme Trockenjahre werden in den nächsten Jahrzehnten voraussichtlich zunehmen und den Gesundheitszustand des Waldes entscheidend belasten. Gerade wenn am wenigsten Wasser verfügbar ist, ist die Lichteinstrahlung oft am stärksten. Die Blätter oder Nadeln kommen dadurch aus dem Gleichgewicht: Sie absorbieren mehr Energie, als sie für die Photosynthese brauchen, weil sie ihre Stomata schließen, um das Austrocknen zu verhindern. Um die überschüssige Energie abzuleiten, kurbeln die Nadeln die Umwandlung von Pigmenten an.
Diese Aktivität kann über multispektrale Bildgebung beobachtet werden, eine Technik, die für das menschliche Auge unsichtbare Informationen erkennbar macht. «Das ist wie, wenn wir sehen würden, wie sich der unsichtbare Stress im Baum aufbaut», erläutert D’Odorico, «so können Forschende bei noch gesund scheinenden Bäumen erkennen, ob sich eine Beschädigung durch Trockenheit abzeichnet».
Die Drohnen-Messungen fanden während den Vegetationsperioden 2019 und 2020 im Pfynwald statt, wo die WSL ein einzigartiges Langzeit-Experiment durchführt. An diesem Standort im Wallis, einem der trockensten inneralpinen Alpentäler Europas, werden seit 2003 Kiefern (Pinus sylvestris) unterschiedlichen Bewässerungsregimen ausgesetzt. Die neue Studie kam darüber hinaus zum Schluss, dass die Lebensgeschichte der Bäume und somit die vergangenen Umweltbedingungen einen Einfluss darauf haben, wie sie heute auf Stress reagieren.
Durch die Fernbeobachtung mit Drohnen können viel mehr Bäume in kurzer Zeit gemessen werden als mit den klassischen physiologischen Messungen am Boden. Wenn auch die Methode noch nicht operationell in der Waldbewirtschaftung eingesetzt werden kann, wird sie aber in Zukunft als Ergänzung zu anderen Techniken unverzichtbar sein, um die Reaktion des Waldes auf wärmere und trockenere Bedingungen frühzeitig erfassen zu können.