Mehr Forschung auf weniger Platz: Das bringt das neue Phytotechnikum der Universität Hohenheim in Stuttgart. Das zweischiffige High-Tech-Gewächshaus mit computergesteuerter, exakt abstimmbarer Technik und modularer Flächenaufteilung ersetzt Teile der über den Campus verstreuten Einzelgewächshäuser. In zwei weiteren Bauabschnitten soll die Gewächshausfläche auf insgesamt rund 8.200 Quadratmeter erweitert und so zum wohl größten universitären Forschungsgewächshaus in Deutschland werden. Möglich wurde der Neubau des ersten Bauabschnittes dank einer großzügigen Förderung in Höhe von vier Millionen Euro, mit der die Carl-Zeiss-Stiftung die Baukosten mitfinanzierte.
Klimawandel, Biodiversität, Welternährung, Bioenergie, Nachwachsende Rohstoffe, Pflanzengesundheit: Mit diesen und weiteren Zukunftsthemen beschäftigen sich die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Universität Hohenheim in einem neuen High-Tech-Forschungsgewächshaus. Im Phytotechnikum im Westen des Campus können die Forschenden nun in modernster Umgebung arbeiten.
Es ersetzt technisch veraltete, zum Teil sogar baufällige Gewächshäuser auf dem Campus, die nun nach und nach abgerissen werden. Langfristig sollen die Gewächshausflächen auf dem Gelände der Universität Hohenheim am neuen Standort mit einer Fläche von rund 8.200 Quadratmetern gebündelt werden.
Zwar wurde der erste Bauabschnitt des Phytotechnikums bereits im Frühjahr 2020 in Betrieb genommen, eine Einweihungsfeier musste jedoch auf Grund der Corona-Situation ausfallen. Diese wurde am 27. September 2021 mit einer feierlichen Übergabe nachgeholt, zu der Gäste aus Politik und Wissenschaft eingeladen waren.
Bei der Baufeier zeigte sich der Rektor der Universität Prof. Dr. Stephan Dabbert begeistert: „Das Phytotechnikum ist ein zentraler Baustein für unsere wichtigsten Forschungsschwerpunkte und trägt zur Lösung globaler Menschheitsprobleme bei, wie der Ernährungssicherung und dem Umgang der Landwirtschaft mit den Folgen des Klimawandels.“
„Das Phytotechnikum ist ein High-Tech-Gewächshaus, das biologische Grundlagenforschung auf dem höchsten internationalen Niveau ermöglicht. Dies brauchen wir dringend, wenn wir auch in Zukunft die natürlichen Ressourcen unserer Erde nachhaltig nutzen wollen“, sagte Dr. Felix Streiter, Geschäftsführer der Carl-Zeiss-Stiftung. „Als Stiftung fördern wir gesellschaftlich relevante Forschungsvorhaben in den Natur- und Ingenieurwissenschaften. Daher haben wir die Universität Hohenheim hier gerne unterstützt.“
Bau und Erweiterung in drei Bauabschnitten
Das Stuttgarter Architekturbüro Heinle, Wischer und Partner hat den ersten Bauabschnitt geplant. Die Projektsteuerung hat das Universitätsauamt Stuttgart und Hohenheim übernommen. Auf rund 1.400 Quadratmetern sind zwei gläserne Gewächshausschiffe entstanden. Verbunden sind sie durch ein Gebäude für Labore, Schulungs- und Serviceräume mit rund 400 Quadratmetern Fläche. Die räumliche Nähe wird auch die Forschung beflügeln: „Wenn Forschende räumlich konzentriert zusammenarbeiten, nimmt der Austausch untereinander zu und es entstehen neue Ideen“, ist sich der Rektor sicher.
In zwei weiteren Bauabschnitten soll dann der gesamte Komplex auf insgesamt rund 8.200 Quadratmeter erweitert und so zum wohl größten universitären Forschungsgewächshaus in Deutschland werden. Geplant sind, neben zusätzlichen rund 4.000 Quadratmetern Gewächshausfläche, eine Erweiterung der Laborfläche, umfangreiche Klimakammern, sowie Lagerräume und ein Quarantänebereich. „Wir sind zuversichtlich, dass auch die folgenden Bauabschnitte bald in Angriff genommen werden können“, so Rektor Prof. Dr. Dabbert. Mit den Entwurfsplanungen für den zweiten Bauabschnitt wurde im Sommer 2021 begonnen.
Weniger Wasser und weniger Energie
Durchdacht ist vor allem das Nutzungskonzept: Für eine niedrige Energiebilanz sorgen die Heizung über ein eigenes Fernwärmenetz, eine geplante Photovoltaik-Anlage auf den ebenen Dachflächen und Energieschirme im Inneren des Gebäudes verringern weitere Energieverluste. Vorsichtig geschätzt dürfte das neue Forschungsgewächshaus am Ende pro Quadratmeter um die zwei Drittel weniger Energie verbrauchen. Überschlägig könnte sich dies in jedem Jahr in einer vierstelligen Zahl an eingesparten Megawattstunden niederschlagen.
Hinzu kommt ein ausgeklügeltes Wassermanagementsystem: Regenwasser, das an der Stelle des Neubaus nicht mehr versickern kann, fängt die Universität in eigenen Zisternen auf, sodass es zur Bewässerung der Pflanzen und zur Kühlung des Autoklaven verwendet werden kann.
1.400 Quadratmeter Glas, darunter moderne Technik
Modulare Einzelelemente lassen sich zu verschieden großen Einheiten zusammenstellen. Je nach Versuchsanforderungen lassen sich schnell kleine und große Einheiten zu Kammern zwischen 11 und 120 Quadratmetern zusammenschalten und machen so die Forschung flexibler. „Mit diesen hochvariablen Forschungseinheiten schlägt das Phytotechnikum eine Brücke zwischen wissenschaftlicher Grundlagenforschung und Praxis“, freut sich Rektor Prof. Dr. Dabbert.
Im Inneren befindet sich modernste Technik: computergesteuerte Klimaregelung und Bewässerungsautomatik, Feinregelung für Lichtstärke, Luftfeuchtigkeit und Temperatur sowie eine variable Beleuchtungstechnik, wahlweise mit Quecksilber-, Natrium- oder Schwefel-Dampflampen. „Wir können jede Kammer einzeln ansteuern und damit den Wünschen der Forscherinnen und Forscher viel flexibler gerecht werden“, erklärt Stefan Rühle, Leiter der Serviceeinheit Hohenheimer Gewächshäuser.
Forschung an einer Pflanze mit Potenzial: Maniok
Darüber freuen sich beispielsweise Forschende vom Fachgebiet Agrartechnik in den Tropen und Subtropen unter Leitung von Prof. Dr. Joachim Müller. Sie beschäftigen sich unter anderem mit der Maniok-Pflanze, deren Wurzelknollen in weiten Teilen der Tropen und Subtropen als Grundnahrungsmittel dienen. Doch auch die Nebenprodukte, die nach der Maniokernte übrig bleiben, wie Blätter, Stängel und Schale der Wurzelknollen, haben das Potenzial für die Ernährung oder als Grundstoff für Biokraftstoffe zu dienen.
So erforschen die Wissenschaftler unter anderem, wie aus den Maniokblättern Eiweiß gewonnen werden kann. „Durch den Anbau von Maniok im Phytotechnikum konnten wir den Einfluss von Sorte, Pflanzenalter und Blattstand auf die Pflanzenzusammensetzung untersuchen. Außerdem konnten wir so mehrmals im Jahr genügend Ausgangsmaterial ernten, um neue Techniken der Maniokverarbeitung zu entwickeln“, sagt Dr. Ziba Barati, wissenschaftliche Mitarbeiterin im Fachgebiet. „Und dies alles ohne aufwändige Reisen in die Tropen und den Transport des frischen Pflanzenmaterials im Fluggepäck. Da dafür tropische Wachstumsbedingungen geschaffen werden müssen, ist ein solcher Anbau nur von Spezialisten wie der Crew vom Phytotechnikum möglich.“