Um zu ermitteln, wie anpassungsfähig ein Ökosystem gegenüber Klima- und Umweltveränderungen ist, hat ein internationales Forscherteam drei Schlüsselindikatoren ermittelt, welche die Funktionsweise terrestrischer Ökosysteme verlässlich beschreiben: es sind dies die Fähigkeit, die Primärproduktivität zu maximieren, die Effizienz der Wassernutzung sowie der Wirkungsgrad der Kohlenstoffnutzung. Unter der Leitung des Max-Planck-Instituts für Biogeochemie in Jena nehmen auch ein Forscher der Freien Universität Bozen und das Forstamt der Provinz Bozen am Projekt teil. Das Monitoring der drei Kennzeichen wird weltweit durchgeführt; eine Messstation befindet sich am Ritten.
Die Ökosysteme auf der Landoberfläche erfüllen eine Vielzahl von Ökosystemdienstleistungen. Sie sind für die Gesellschaft von großer Bedeutung, sichern intakte Ökosysteme durch die Erzeugung von Biomasse doch unsere Ernährung. Die vergangenen Umweltkatastrophen haben gezeigt, dass unversiegelte Landoberflächen die Wasserrückhaltung ermöglichen und zudem das Klima regulieren. Klima- und Umweltveränderungen sowie anthropogene – vom Menschen verursachte – Einflüsse, gefährden jedoch fortlaufend diese positiven Leistungen.
Um zu verstehen, wie terrestrische Ökosysteme auf Störungen reagieren, gilt es zu definieren, welche Funktionen den Allgemeinzustand und die Entwicklung der Ökosysteme am verlässlichsten darstellen. Dies ist insofern schwierig, als dass Ökosysteme hinsichtlich ihrer Struktur und ihrer Reaktionen auf Umweltveränderungen hochkomplex sind.
Ein internationales Forscherteam unter der Leitung des Max-Planck-Instituts für Biogeochemie in Jena hat versucht, diese Frage zu beantworten, indem sie ökologische Daten aus globalen Messstationsnetzen mit Satellitenbeobachtungen, mathematischen Modellen sowie statistischen und kausalen Schlussfolgerungsmethoden kombiniert hat. Die Ergebnisse wurden im Artikel The three major axes of terrestrial ecosystem function in der Fachzeitschrift Nature veröffentlicht
„Wir konnten drei entscheidende Indikatoren ermitteln, die es erlauben, das Verhalten von Ökosystemen zu erfassen“, erläutert Dr. Mirco Migliavacca, Erstautor der Veröffentlichung. „Erstens, wieviel Primärproduktivität maximal möglich ist, zweitens, wie effizient das Wasser genutzt werden kann und drittens, wie wirkungsvoll die Kohlenstoffnutzung ist. Allein mit diesen drei Hauptkriterien können wir rund 72 Prozent der Variabilität in den Ökosystemfunktionen erklären.“ Zur Erläuterung: unter der maximalen Primärproduktivität versteht man die Kapazität des jeweiligen Ökosystems, Kohlendioxid mittels Photosynthese aufzunehmen.
Die Forscher analysierten insbesondere den Austausch von Kohlendioxid, Wasserdampf und Energie an 203 weltweit verteilten Messstellen, von denen 16 in Italien stationiert sind. Diese Messtationen decken eine Vielzahl von Klimazonen und Vegetationstypen ab. Für jeden Standort ermittelten sie eine Reihe funktionaler Eigenschaften der Ökosysteme und führten Berechnungen zu durchschnittlichen Klima- und Bodenwasservariablen, Vegetationsmerkmalen und Satellitendaten zur pflanzlichen Biomasse durch.
Die Datenanalyse und die verwendeten Modelle ergaben, dass die drei ermittelten Schlüsselindikatoren wiederum mit einer Reihe von Merkmalen zusammenhängen wie der Vegetationsstruktur (Bsp. Grüngehalt der Pflanzendecke), dem Stickstoffgehalt der Blätter, der Vegetationshöhe und der Biomasse. Die Effizienz der Wasser- und Kohlenstoffnutzung hängt entscheidend vom Klima und insbesondere von der Dauer und Häufigkeit von Dürreperioden ab. Dies unterstreicht einmal mehr die Bedeutung des fortschreitenden Klimawandels für das Funktionieren der Ökosysteme und die Notwendigkeit, Anpassungen anzudenken.
Ermöglicht wurde diese Studie dank weltweiter Beobachtungsnetze, die sich in Europa in kooperativen Forschungsinfrastrukturen wie ICOS und eLTER organisiert haben. Eine Messstation befindet sich auch am Ritten in Südtirol. Die Datenerfassung wird es in den kommenden Jahren ermöglichen, die Kontrollfaktoren zu beobachten. An der Freien Universität Bozen ist der Forscher Leonardo Montagnani Teil des internationalen Forschungsteams, als italienische Partner sind weiters die ARPA Aostatal, der Nationale Forschungsrat, die Universität Mailand-Bicocca und die Universität Tuscia in Viterbo beteiligt.