Die Offshore-Windenergieanlagen der Zukunft produzieren keine Elektronen, sondern Moleküle. Autarke Einheiten aus Windenergieanlage und integriertem Elektrolyseur stellen Grünen Wasserstoff im Industriemaßstab her und sparen die Kosten für einen elektrischen Netzanschluss. Damit können sie einen maßgeblichen Beitrag zur Reduktion von Treibhausgasen leisten. In einem zweiten Schritt kann der Grüne Wasserstoff in weitere synthetische Kraftstoffe und Energieträger umgewandelt werden. Im Rahmen des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Leitprojektes H2Mare soll diese Vision Wirklichkeit werden.
Das Leitprojekt H2Mare zielt darauf ab, dass ein völlig neuer Anlagentyp künftig auf dem Meer seinen Platz findet – eine Lösung, die einen Elektrolyseur zur direkten Wandlung des elektrischen Stromes optimal in eine Offshore-Windenergieanlage integriert. Darüber hinaus werden Offshore-Power-to-X-Verfahren untersucht.
Dabei wird die gesamte Wertschöpfungskette betrachtet: von der Windenergie-Gewinnung und Wasserstoff-Erzeugung über die Wandlung von Wasserstoff in Methan, flüssige Kohlenwasserstoffe, Methanol oder Ammoniak bis zum Verbrauch durch die Industrie oder die Energiewirtschaft. Somit sind verschiedene industrielle Anschlussverwertungen und Speicheroptionen möglich. Ein signifikanter Kostenvorteil bei der Herstellung großvolumiger Wasserstoffmengen ist das Ziel.
Innerhalb von vier Jahren will H2Mare – bestehend aus vier Verbundprojekten (OffgridWind, H2Wind, PtX-Wind, TransferWind) mit insgesamt 35 Partnern – den Grundstein für eine Technologieführerschaft legen und die Erreichung von Klimazielen durch beschleunigte Treibhausgasreduktion unterstützen.
H2Mare-Projekt PtX-Wind: Digitaler Zwilling für eine Offshore Power-to-X Forschungsplattform
In Erweiterung der reinen Offshore-Wasserstoffproduktion steht bei dem H2Mare-Projekt PtX-Wind die Umwandlung von Wasserstoff in leichter transportierbare, synthetische Energieträger wie Methanol und Ammoniak im Fokus. Diese Power-to-X-Produkte sollen mittels Hochtemperatur-Elektrolyse von Meerwasser und CO2-Gewinnung aus der Luft erzeugt werden.
An dem Vorhaben PtX-Wind sind und Wissenschaftler der Abteilung Prozesstechnik des Max-Planck-Instituts für Dynamik komplexer technischer Systeme Magdeburg unter der Leitung von Prof. Dr.-Ing. Kai Sundmacher beteiligt. In Kooperation mit den Projektpartnern verfolgen sie das Ziel, ein Prozessleit- und Betriebsführungssystem für eine Offshore PtX-Forschungsplattform in der Nordsee aufzubauen.
Dafür werden sie einen digitalen Zwilling der Forschungsplattform entwickeln, der eine virtuelle Abbildung aller PtX-Anlagenteile über den kompletten Lebenszyklus darstellen soll. Mit Hilfe des digitalen Zwillings soll insbesondere das dynamische Verhalten der chemischen Umwandlungsprozesse vor dem realen Offshore-Einsatz in Kopplung mit dem Prozessleitsystem untersucht und im Hinblick auf die in der Nordsee herrschenden Umgebungsbedingungen optimiert werden.
Zum Aufbau des Zwillings steuert das Magdeburger Max-Planck-Institut dynamische Simulationsmodelle für einzelne PtX-Prozessschritte sowie für den gesamten Anlagenverbund bei. Um den Zwilling auch direkt für die optimale Steuerung der Forschungsplattform unter saisonal variablen Wetterbedingungen nutzen zu können, sollen die Simulationsmodelle in einem zweiten Schritt für den echtzeitfähigen Einsatz ertüchtigt werden.
Prof. Sundmacher umreißt die Anforderungen an sein Projektteam so: „Der digitale Zwilling muss die chemischen Prozesse unter wechselnden Lastbedingungen möglichst realitätsnah beschreiben. Hierbei können wir auf umfangreiche Erfahrung unserer Arbeitsgruppe im Bereich der Modellierung und Simulation von komplexen verfahrenstechnischen Prozessen, insbesondere auch von Power-to-X-Technologien, zurückgreifen. Andererseits soll die Simulation auch in Echtzeit möglich sein. Deshalb müssen wir den Rechenaufwand für unsere Systemmodelle möglichst gering halten. Dies wollen wir durch den Einsatz von Methoden der Modellreduktion und des Maschinellen Lernens (ML) erreichen.“
Über H2Mare: H2Mare ist eines von drei Leitprojekten des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. Mit seiner bislang größten Forschungsinitiative zum Thema Energiewende unterstützt es Deutschlands Einstieg in die Wasserstoffwirtschaft. Die drei Wasserstoff-Leitprojekte H2Giga, H2Mare und TransHyDE sind das Ergebnis eines Ideenwettbewerbs und bilden einen zentralen Beitrag des BMBF zur Umsetzung der Nationalen Wasserstoffstrategie.
Über vier Jahre sollen sie vorhandene Hürden, die den Einstieg Deutschlands in eine Wasserstoffwirtschaft erschweren, aus dem Weg räumen. Dabei geht es um die serienmäßige Herstellung großskaliger Wasser-Elektrolyseure (H2Giga), die Erzeugung von Wasserstoff und Folgeprodukten auf See (H2Mare) sowie Technologien für den Transport von Wasserstoff (TransHyDE).