Uni Bern: Hitzewellen im Meer und ihre Folgen

Korallenriff auf den Malediven nach der globalen Korallenbleiche 2016. Bild: The Ocean Agency / XL Catlin Seaview Survey.

Marine Hitzewellen in stark befischten Gewässern werden in Zukunft negative Auswirkungen haben für die Fischbestände, den Fischfang und alle Menschen, die davon abhängig sind. Dies zeigt eine neue Studie unter der Leitung der University of British Columbia, an der auch Thomas Frölicher von der Universität Bern beteiligt war.

Wenn in einer bestimmten Meeresregion die Wassertemperatur über eine längere Zeitspanne ungewöhnlich hoch ist, spricht man von einer marinen Hitzewelle (Meereshitzewelle). Solche Hitzewellen verursachten in den letzten Jahren große Veränderungen in den Ökosystemen im offenen Meer und an der Küste.

In einer neuen Studie unter der Leitung des Institute for the Oceans and Fisheries (IOF) der University of British Columbia (UBC, Kanada) haben Forschende die Auswirkungen von marinen Hitzewellen in ein Modell einbezogen, das klimabezogene Prognosen erstellt sowohl für Fischbestände, den Fischfang als auch die davon abhängigen Menschen in sogenannten «Ausschliesslichen Wirtschaftszonen» (AWZ), in denen der Grossteil des weltweiten Fischfangs betrieben wird.

Ebenfalls beteiligt an der Studie, die soeben in der Fachzeitschrift Science Advances veröffentlicht wurde, ist Thomas Frölicher, Professor für Ozeanmodellierung an der Universität Bern. In einem Worst-Case-Szenario, bei dem keine Massnahmen zur Eindämmung der Treibhausgasemissionen ergriffen werden, prognostizieren die Forschenden aufgrund mariner Hitzewellen einen Rückgang der potenziellen Fangmenge um 6 Prozent pro Jahr und einen Rückgang der Biomasse (d. h. der gewichtsmäßigen Fischmenge in einem bestimmten Gebiet) bei 77 Prozent der befischten Fischarten und wirbellosen Tiere. Dieser Rückgang kommt zu demjenigen hinzu, der aufgrund des langfristigen Klimawandels erwartet wird.

Extremereignisse könnten Millionen von Arbeitsplätzen kosten

Einige Gebiete werden stärker betroffen sein als andere. Zum Beispiel gehen die Forschenden davon aus, dass im indonesischen Fischereisektor fast drei Millionen Arbeitsplätze verloren gehen könnten, wenn dort zwischen 2000 und 2050 eine marine Hitzewelle eintritt. Weltweit gesehen prognostizieren die Forschenden bei extremen Temperaturereignissen in den Ozeanen, dass die Einnahmen der Fischerei durchschnittlich drei Prozent und die Beschäftigung um zwei Prozent zurückgehen könnten, was einem potenziellen Verlust von Millionen von Arbeitsplätzen gleichkäme.

Überlastung des Systems wie bei Coronavirus

«Diese extremen jährlichen Temperaturen werden ein zusätzlicher Schock für ein ohnehin schon überlastetes System sein», sagt Studien-Erstautor William Cheung, Direktor des Institute for the Oceans and Fisheries der UBC, der 2019 während vier Monate an der Universität Bern in einem Sabbatical tätig war. «In den Ländern, in denen die Fischerei bereits durch langfristige Veränderungen wie die Erwärmung der Ozeane und den Sauerstoffmangel geschwächt ist, kann ein zusätzlicher Schock durch Temperaturextreme die Anpassungsfähigkeit dieser Fischereien überfordern. Es ist nicht unähnlich, wie COVID-19 das Gesundheitssystem durch eine zusätzliche Belastung an die Grenzen bringt.»

Thomas Frölicher, Assistenzprofessor in der Abteilung Klima und Umweltphysik des Physikalischen Instituts und Mitglied des Oeschger-Zentrums für Klimaforschung der Universität Bern, war insbesondere bei der Ausarbeitung der Idee und des Studiendesigns an der Publikation beteiligt. Die Studie knüpft an bisherige Arbeiten seiner Forschungsgruppe an (siehe Beispiele hier und hier).

Laut Frölicher werden marine Hitzwellen in Zukunft häufiger auftreten. «Hitzewellen im Meer und die schwerwiegenden Auswirkungen, die sie bereits heute auf die Fischerei haben, sind Vorboten für die Zukunft. Solche Extremereignisse verändern die Umweltbedingungen innert Kürze so stark wie der langfristige Klimawandel in Jahrzehnten.»

Anpassungen in der Fischerei nötig

«Diese Studie unterstreicht die Notwendigkeit, Wege zu entwickeln, um mit den extremen Meerestemperaturen umzugehen, und zwar bald», sagt Cheung. Die Forschenden legen ein aktives Fischereimanagement nahe: Zu den möglichen Anpassungen gehören die Reduzierung der Fangquoten in den Jahren, in denen die Fischbestände unter extremen Temperaturereignissen leiden, oder in schweren Fällen ein Unterbruch der Fischerei, damit sich die Bestände wieder erholen können.

Gemäß den Forschenden wird es zudem wichtig sein bei der Entwicklung solcher Anpassungsoptionen mit den Betroffenen zusammenzuarbeiten, da einige Entscheidungen die Auswirkungen auf die Lebensgrundlagen der Menschen sowie auf die Nahrungsmittel- und Ernährungssicherheit verschärfen könnten.