Senckenberg: Der Regenwald heilt langsamer als gedacht

Die Laubstreufroschart Phrynobatrachus guineensis ist nach der Abholzung nicht in ihren früheren Lebensraum zurückgekehrt. Mark-Oliver Rödel/Museum für Naturkunde Berlin

Der „Taï National Park“ in der westlichen Elfenbeinküste ist der größte noch verbleibende Regenwald in Westafrika. Wie viele andere tropische Wälder auf der ganzen Welt steht das Gebiet unter großem Druck: Straßenbau, Land- und Forstwirtschaft haben den Lebensraum für zahlreiche Arten stark eingeschränkt; hinzu kommen zunehmend unberechenbare Regenfälle. „1970 wurde hier noch Holz geschlagen“, erklärt Raffael Ernst von den Senckenberg Naturhistorischen Sammlungen in Dresden und fährt fort: „Seither konnte der Wald natürlich regenerieren. Wir wollten wissen, ob die Artenvielfalt und -zusammensetzung wiederhergestellt sind.“

Dazu analysierten die Dresdener und Berliner Forschenden gemeinsam mit der ivorischen Erstautorin der Studie, Tokouaho Flora Kpan die Zusammensetzung der Froschgemeinschaften vor Ort. PD Dr. Mark-Oliver Rödel vom Museum für Naturkunde Berlin erläutert: „Amphibien eignen sich besonders gut als Indikator für Umweltveränderungen: Sie verfügen über komplexe Lebenslaufstrategien – „life-histories“ – und schnelle Vermehrungszyklen und haben daher oft spezialisierte Ansprüche an ihren Lebensraum.“

Ein Beispiel ist Phrynobatrachus guineensis, eine winzige, jedoch gut kletternde Laubstreufroschart mit orangefarbenen Zehen. Die Kaulquappen brauchen nur 21 Tage, um sich vollständig zu entwickeln; sie gedeihen aber ausschließlich in kleinen wassergefüllten Baumlöchern oder Schneckenhäuschen. Dabei scheinen die Frösche ein Gespür für die Austrocknungsgefahr ihrer Laichplätze zu haben.

„Unsere Studie zeigt, dass P. guineensis immer noch nicht zurückgekehrt ist – zusammen mit drei anderen Spezies“, resümiert Kpan. Die Forschenden untersuchten die Populationen von insgesamt 33 Froscharten in einem vormals bewirtschafteten Gebiet, verglichen sie mit Daten aus dem Jahr 2000 und mit dem umliegenden, unberührten Wald.

Sie stellten fest: Obwohl sich der Wald insgesamt erholt, wich die Zusammensetzung der Arten auch mehr als vierzig Jahre nach der Abholzung noch immer stark vom ursprünglichen Zustand ab. Das liegt auch an der veränderten Waldstruktur: Im nachgewachsenen, „sekundären“ Wald fehlen vor allem große, Struktur gebende Bäume, was die Gegend für einige Arten unattraktiv macht.

„Bisher ging man in der Forstwirtschaft davon aus, dass es etwa dreißig Jahre braucht, bis sich ein Wald erneuert und man überhaupt nur darüber nachdenken kann, ihn wieder wirtschaftlich zu nutzen”, führt Ernst weiter aus. „Nun sehen wir, dass es wohl eher 40 bis 60 Jahre braucht, bis das ursprüngliche Ökosystem in seiner Tiefe und Breite wiederhergestellt ist.“ Die Studie signalisiert klar, dass die Zyklen zwischen Abholzungen deutlich verlängert werden müssen, um das Ökosystem zu schützen.

Die Arbeit der Forscher ist aber auch in anderer Hinsicht wegweisend: „Es gibt überraschend wenig Forschung zur Erholung der Regenwälder, und meist spielen Amphibien keine große Rolle darin. Sie sind aber wichtige Indikatoren dafür, ob ein Wald wirklich zu seinem ursprünglichen Zustand zurückkehrt.“ Das komplexe Wechselspiel verschiedener Lebewesen in einem Ökosystem müsse stets mitbedacht werden:

„Die Frösche folgen dem Wachstum der Bäume. Die langsamsten Organismen setzen den Takt für die schnelllebigen.“

Die Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung ist eine Einrichtung der Leibniz-Gemeinschaft und erforscht seit über 200 Jahren weltweit das „System Erde“ – in der Vergangenheit, der Gegenwart und mit Prognosen für die Zukunft. Wir betreiben integrative „Geobiodiversitätsforschung“ mit dem Ziel die Natur mit ihrer unendlichen Vielfalt zu verstehen, um sie als Lebensgrundlage für zukünftige Generationen zu erhalten und nachhaltig zu nutzen.