Berlin hat sich vorgenommen bis spätestens 2045 klimaneutral zu werden. Die kürzlich erschienene Machbarkeitsstudie „Berlin Paris-konform-machen“ zeigt, dass dies möglich ist, aber einen enormen Wandel und deutlich mehr Tempo in der Umsetzung braucht als bislang. Wie Klimaneutralität im Wärmesektor gelingen kann und welche Maßnahmen Berlin ergreifen muss, um die rund 360.000 Wohn- und Nichtwohngebäude der Hauptstadt umweltfreundlich mit Heizwärme und Warmwasser zu versorgen, zeigt eine neue Wärmestrategie für das Land Berlin.
Die von der Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz (SenUVK) beauftragte Studie wurde vom Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) zusammen mit dem Hamburg Institut durchgeführt und heute veröffentlicht. Das Fazit der Studie: Berlin muss zeitnah seine politischen Handlungsmöglichkeiten nutzen, um in der Wärmeversorgung rasch auf klimafreundliche erneuerbare Energien umzusteigen. Auch die Nutzung unvermeidbarer Abwärme sowie eine deutlich schnellere und umfassende energetische Sanierung zählen zu den Eckpfeilern von Berlins Wärmestrategie.
„Angesichts begrenzter erneuerbarer Energieressourcen vor Ort in Berlin und auch aus Kostengründen ist es sinnvoll, den Wärmeverbrauch um etwa die Hälfte des aktuellen Verbrauchs zu senken. Öl- und Kohleheizungen sowie ein Großteil der Gasheizungen müssen möglichst rasch durch Wärmepumpen und Fernwärme ersetzt werden“, so die Projektleiterin Elisa Dunkelberg vom IÖW. Gleichzeitig muss die Fernwärme dekarbonisiert werden; also fossile Energieträger durch erneuerbare Energien und Abwärme ersetzt werden. Voraussetzungen für die Klimaneutralität sind außerdem eine zu 100 Prozent erneuerbare Strom- und Gasversorgung.
Als Stadt der Mieter sind bei der Umsetzung der Wärmewende sozialverträgliche Preise ganz entscheidend. Bestehende Hemmnisse müssen adressiert werden: Mehr als ein Viertel der Wohnungen in Berlin befindet sich in Milieuschutzgebieten. Energetische Sanierungen auf hohem Niveau (KfW 55) werden hier kaum genehmigt. Um die Klimaschutzziele im Wärmesektor zu erreichen, muss sich die Genehmigungspraxis ändern.
Eine räumliche Wärmeplanung als Leitinstrument der Wärmestrategie
„Wir brauchen räumlich-differenzierte Zielbilder der zukünftigen Wärmeversorgung, um die am besten geeigneten und kosteneffizientesten Maßnahmen und Instrumente zu identifizieren. In Ein- und Zweifamilienhausgebieten sollte der Fokus auf dem Wechsel hin zu Wärmepumpen liegen. In Mehrfamilienhausgebieten mit Netzinfrastruktur geht es hingegen um die Dekarbonisierung der Fernwärme und den Wechsel von Gasheizungen zu Fernwärme“, so Christian Maaß vom Hamburg Institut.
Die Studie empfiehlt, zunächst ein Wärmekataster zu erstellen sowie die Potenziale an erneuerbaren Energien und unvermeidbarer Abwärme in Berlin umfassend zu erheben. Auf dieser Grundlage kann für Stadtteile und Quartiere die jeweils kosteneffizienteste klimaneutrale Wärmeversorgung identifiziert werden.
Mögliche Instrumente, die auf der Wärmeplanung aufbauen, sind Verbrennungsverbote und -beschränkungen für fossile Feuerungsanlagen, Förderungen für Quartierskonzepte sowie gezielte Beratungsangebote. Eine räumliche Wärmeplanung ist für alle Städte sinnvoll, um die Wärmewende zielgerichtet zu gestalten und auch die zukünftige Entwicklung der Netze für Fernwärme, Strom und Gas aufeinander abzustimmen.
Anstehenden Kesselaustausch für die Wärmewende nutzen
Sehr dringender Handlungsbedarf besteht bei der dezentralen Wärmeversorgung. Forscherin Julika Weiß vom IÖW betont: „Mehr als 50 Prozent der 330.000 Feuerungsanlagen in Berlin sind älter als 20 Jahre. Sie müssen in den nächsten Jahren ausgetauscht werden. Dieses Zeitfenster muss für einen Wechsel zu klimafreundlichen Energieträgern genutzt werden.“
Zu diesem Zweck sollte eine landesrechtliche Nutzungspflicht für erneuerbare Energien beim Heizungstausch in Bestandsgebäuden eingeführt werden. Wichtig sind dabei ein ausreichend hoher Mindestanteil an erneuerbaren Energien sowie Effizienzanforderungen an die Versorgungstechnik. Förderungen etwa für den Austausch von Gasetagenheizungen oder den Einbau von Hybridheizungen sollten die Verpflichtungen begleiten und ergänzen.
Um die für Berlin wichtigen Wärmenetze perspektivisch CO2-frei zu entwickeln, ist es wichtig, unvermeidbare Abwärme etwa von Rechenzentren, Großbäckereien oder Kaffeeröstereien gezielt zu erschließen, ebenso wie tiefe und oberflächennahe Geothermie, Abwasser- und Flusswasserwärme sowie saisonale Speicher. Hierfür empfiehlt die Wärmestrategie, Fachgutachten zu erstellen, neue Instrumente zur Finanzierung und Absicherung zu entwickeln sowie die Umsetzung zu fördern.
Alle Instrumente, die die Wärmestrategie für Berlin vorschlägt, sollten zeitnah geprüft, entwickelt und bei entsprechender Umsetzbarkeit eingeführt werden, um möglichst schnell eine klimaneutrale Wärmeversorgung zu ermöglichen. Das Land Berlin sollte ein Monitoring für die Wärmewende aufsetzen. Auf der Grundlage der Entwicklung des Wärmemarktes kann dann in den nächsten Jahren regelmäßig entschieden werden, welche Anpassungen, Ausweitungen und Verschärfungen der Instrumente der Wärmestrategie es in Zukunft braucht.
Der gesetzliche Rahmen und die verfügbaren Förderungen auf Bundesebene beeinflussen die Berliner Wärmewende stark. Die Studie zeigt aber, dass auch Bundesländer und Städte viele Handlungsmöglichkeiten haben, die Wärmewende voranzubringen.