Wissenschaftler der Universitäten Bonn und Halle haben eine Gerstenlinie entwickelt, die Dürreperioden sehr viel besser übersteht. In aufwändigen Experimenten kreuzten sie dazu Braugerste mit einer wilden Gerstenart aus Israel. Diese wächst dort in trockenen Halbwüstengebieten. Die Studie erscheint in der Zeitschrift „Plant Physiology“, ist aber bereits online abrufbar.
Kulturgerste ist auf hohe Erträge getrimmt. Mit längeren Trockenphasen kommt sie aber nur schlecht zurecht – eine Tatsache, die viele Landwirte nach dem extrem wasserarmen Sommer in ihrem Portemonnaie spüren werden. Die wilde Gerstenart ISR42-8 ist dagegen Wassermangel gewohnt: Sie stammt aus Israel und wächst dort in trockenen Halbwüsten-Gebieten. Grund für die Dürretoleranz ist ihre Fähigkeit, bei Bedarf große Mengen der Aminosäure Prolin zu produzieren. Diese ist gewissermaßen dazu in der Lage, Wasser in der Zelle „festzuhalten“. Außerdem schützt sie wichtige Enzyme und andere Proteine vor schädlichen Sauerstoffradikalen.
Auch die in Deutschland angebaute Kulturgerste produziert Prolin – die Aminosäure ist so wichtig, dass es ohne sie nicht geht. „Während ISR42-8 aber bei Trockenstress Prolin anreichert, ist Kulturgerste dazu nicht in der Lage“, betont Dr. Ali Ahmad Naz, Privatdozent am Institut für Nutzpflanzenwissenschaften und Ressourcenschutz (INRES) der Universität Bonn.
Der Grund für diesen Unterschied war bei Gerste bislang unbekannt. Die Wissenschaftler beschlossen daher, die israelische Gerste mit einer gängigen deutschen Zuchtsorte zu kreuzen, der Braugerste „Scarlett“. Tatsächlich waren unter den Nachkommen einige Pflanzen, die mit Dürreperioden deutlich besser zu Recht kamen als Scarlett. Allerdings konnten diese hinsichtlich ihres Ertrags nicht mit der Kultursorte konkurrieren.
Daher führten die Forscher nun eine Reihe aufwändiger Rückkreuzungen zwischen den Nachkommen und Scarlett durch. „Dadurch wollten wir sukzessive sämtliche Erbinformationen aus der Wildpflanze eliminieren und nur das Gen für die Trockentoleranz beibehalten“, erklärt Naz. Genetische Untersuchungen zeigten, dass diese Strategie aufging: Die so gezüchteten Pflanzen waren hinsichtlich ihres Erbguts fast komplett mit Scarlett identisch.
Erbanlage enthält die Bauanleitung für ein Enzym
Unterschiede zeigten sich lediglich im so genannten P5cs1-Gen. Diese Erbanlage enthält die Bauanleitung für ein Enzym, das die Herstellung von Prolin katalysiert. Dieser Information ist (wie bei den meisten Genen) ein Promotor vorgeschaltet – eine Sequenz, über die sich regulieren lässt, wie häufig die eigentliche Bauanleitung abgelesen wird.
Braugerste kann Prolinerzeugung bei Dürre nicht hochfahren
„Dieser Regulator ist bei den dürreempfindlichen Scarlett-Pflanzen verändert“, sagt Naz. „Gerste bildet bei Trockenheit bestimmte Moleküle, die sich normalerweise an den Promotor heften und dafür sorgen, dass das P5cs1-Gen häufiger abgelesen wird. In der Folge bildet die Pflanze also mehr Prolin und kann mit dem Wassermangel besser zu Recht kommen. In Kulturgerste ist der Promotor aber so mutiert, dass die Aktivator-Moleküle nicht mehr an ihn binden können.“
Die neu entwickelte Linie enthält dagegen wieder den Original-Promotor. Sie verkraftet Wassermangel daher sehr viel besser als die Kulturgerste, ohne dass es ansonsten sichtbare Unterschiede gäbe. „Das zeigen zumindest unsere Experimente in den institutseigenen Gewächshäusern“, betont Naz. „Wir wollen unsere Pflanze nun Züchtern für weitere Feldversuche zur Verfügung stellen.“
Verlaufen diese erfolgreich, könnten Landwirte von der neu entwickelten Linie erheblich profitieren. Doch auch aus einem anderen Grund ist die neue Sorte ein großer Erfolg: „Prolin ist ein wichtiger Ausgangsstoff für Medikamente“, erklärt Naz. „Für die pharmazeutische Industrie dürften unsere Pflanzen daher ebenfalls von Interesse sein.“