KIT: Neue Technologien für die Sektorenkopplung

Daten aus dem Realbetrieb in den Musterhäusern am KIT (links im Bild) liefern die Grundlage für Prognosen zu Belastungen von Strom-, Gas- und Wärmenetz. (Foto: Markus Breig, KIT) Markus Breig KIT

„Unser Ziel ist es, alle Energieformen in einem Gesamtmodell zu betrachten und bedarfsgerecht zu erzeugen, zu speichern und umzuwandeln“, erläutert Professor Joachim Knebel, am KIT Koordinator des Forschungsvorhabens SEKO. In diesem Projekt werden neue, vielversprechende Rechenmodelle und -instrumente entwickelt.

Sie ermöglichen es, nicht nur das Verhalten einzelner Komponenten wie Batterien, Gasturbinen, Elektrolyseure, Stromrichter oder Generatoren in Echtzeit und auf der Basis realer Daten zu simulieren, sondern auch deren Zusammenspiel im Kontext des zu erwartenden Bedarfs und der aktuellen Netzkapazitäten. „Wir können in unserem Reallabor alle in Zukunft möglichen Prozesse und Pfade zur Energieumwandlung, von Power-to-X über Kraft-Wärme-Kopplung bis hin zu Geothermieanwendungen, im Technikumsmaßstab oder als digitalen Zwilling abbilden“, sagt Knebel.

Prognosen zu Belastungen von Strom-, Gas- und Wärmenetz

Unter anderem ist es den Wissenschaftlern gelungen, das thermische Verhalten von Gebäuden in einem einzigen Simulationsmodell zusammenzuführen. Es ermöglicht Prognosen zum Wärmeverbrauch, zu den Bedarfen an Wärme und Kälte und zu den hieraus resultierenden Belastungen des Strom-, Gas- und Wärmenetzes.

Die hierfür notwendigen Daten lieferten die Musterhäuser des Living Lab Energy Campus (LLEC) mit Bürogebäuden und Laborhallen, die von Mitarbeitenden des KIT im Realbetrieb genutzt werden und die gesamte Bandbreite von Technologien zur Wärme- und Kälteversorgung abbilden. Ausgewertet und weiterverarbeitet wurden diese Daten im Energy Lab 2.0. Neben dem LLEC bildet es die zweite wichtige Säule der Infrastruktur für die SEKO-Forschungen.

Mit dem Smart Energy System Simulation and Control Center (SenSSiCC) umfasst das Energy Lab 2.0 neben einem Photovoltaik-Feld, einem Großbatteriespeicher, einem Gasturbinenprüfstand sowie Containeranlagen zur Methanisierung (Power-to-Gas) und zur Power-to-Liquid-Synthese auch die zentrale Leitwarte für das Reallabor.

Szenarien für die Energieversorgung im Gesamtsystem

„SEKO ermöglicht uns, mit einem instituts- und fakultätsübergreifenden jungen Team an einem neuen Modellierungsansatz zu arbeiten, der die immer komplexer werdenden Szenarien für die Energieversorgung in einem Gesamtsystem erfasst“, betont Knebel. „Mithilfe eines solchen Modells können wir mögliche Transformationspfade mit dem Ziel Klimaneutralität bis 2045 beschreiben und bewerten“.

Bislang fördert das BMBF im Rahmen von SEKO vier Teilprojekte mit einem Volumen von 6,5 Millionen Euro. Diese adressieren mit Blick auf die Sektorenkopplung unter anderem die elektrischen Verteilnetze, den Gebäudewärmesektor, Technologien zur Gasversorgung sowie Informations- und Kommunikationstechnologien für ein intelligentes, stabiles und sicheres Energiesystem. Mit der Budgetaufstockung in Höhe von zehn Millionen Euro können nun zwei weitere Arbeitspakete starten, die zum einen auf die gebäudeintegrierte CO2-Abscheidung und Umwandlung, zum anderen auf einen neuartigen Power-to-Liquid-Prozess fokussieren.

Beim ersten Arbeitspaket stehen der Systementwurf, das Betriebsverhalten und der Energiebedarf einer neuen Generation von Klima- und Lüftungsanlagen im Mittelpunkt, die Gebäude durch direkte Luftfiltration zu CO2-Senken machen könnten. Beim zweiten Arbeitspaket wird in einer Pilotanlage erstmals ein integrierter Prozess validiert, der die Produktion von synthetischem Methanol aus CO2 von Biogasanlagen oder Klärwerken sowie grünem Wasserstoff aus der Elektrolyse synergetisch kombiniert.

Das Forschungsvorhaben SEKO läuft inklusive der Aufstockung noch bis März 2023. Beteiligt sind seitens des KIT die Institute für Mikroverfahrenstechnik, für Automation und Angewandte Informatik, für Technische Chemie, für Elektroenergiesysteme und Hochspannungstechnik sowie für Technische Physik, das Elektrotechnische Institut, das Lichttechnische Institut und das Engler-Bunte-Institut.