In den Emissionsbilanzen Deutschlands werden jene Treibhausgasmengen vergessen, die außerhalb deutscher Staatsgrenzen mitverursacht werden. Das ist das Ergebnis neuer Modellanalysen von Professor Dr. Mario Schmidt und seinem Team von der Hochschule Pforzheim, die jetzt veröffentlicht wurden. Demnach wird außerhalb Deutschlands nochmal ungefähr die gleiche Menge an Emissionen durch den Import von Rohstoffen und anderen Gütern verursacht wie inländisch freigesetzt wird.
Für das Jahr 2016 errechneten die Wissenschaftler Emissionen durch den Güterimport in Höhe von 820 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent. In Deutschland selbst wurden demnach ca. 878 Millionen Tonnen freigesetzt, was mit den offiziellen Zahlen gut übereinstimmt (circa 900 Millionen Tonnen).
Das Beschränken der Klimabilanz auf das eigene Territorium ist zwischen den Staaten international vereinbart worden und mache durchaus Sinn, meint Schmidt: „Trotzdem verursachen wir Emissionen an anderer Stelle der Welt durch den Verbrauch von Gütern, die wo anders gewonnen oder hergestellt werden. Wenn wir nun klimapolitische Maßnahmen nur anhand der nationalen Emissionen bewerten, leisten wir für das globale Klima möglicherweise einen Bärendienst.“
Mario Schmidt zeigt dies illustrativ an zwei Beispielen auf: „Der Verzicht auf das südamerikanische Rindersteak bringt den Klimazielen der Bundesregierung überhaupt nichts, trotzdem ist es für das globale Klima sinnvoll. Umgekehrt wäre eine Verlagerung der chemischen Industrie ins Ausland aus deutscher Sicht sinnvoll, man könnte so 40 Millionen Tonnen CO2-Emissionen auf deutschem Gebiet einsparen – aber global wäre es eine Katastrophe, weil die Produktion der gleichen Menge an Chemikalien in China doppelt so viel Treibhausgase verursachen würde.“
So verursache die Produktion von einem Dutzend der wichtigsten Chemikalien in Deutschland etwa 28 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr. Würde die gleiche Menge in China produziert werden, lägen die Emissionen bei 56 Millionen Tonnen CO2, so die Berechnungen der Wissenschaftler. Das Ziel müsse es sein, die Produktion in Deutschland klimafreundlicher zu gestalten und beim Import auf klimafreundlich produzierte Güter zu achten.
„Wir müssen bei den Maßnahmen, die wir nun im Klimaschutz angehen, stets die globale Bilanz im Auge haben. Der Beitrag von Rohstoffen und Gütern muss beim Klimaschutz mitgedacht werden. Das ist klimapolitisch und auch industriepolitisch sinnvoll,“ schlussfolgert Schmidt, der das Institut für Industrial Ecology (INEC) leitet und die Analysen zusammen mit der Beratungsfirma Systain aus Hamburg und dem Thinktank Industrielle Ressourcenstrategien am Karlsruhe Institut für Technologie (KIT) erstellt hat. Die Analysen basieren volkswirtschaftlichen Modellen, so genannten Input-Output-Analysen, bei denen die Emissionen der Lieferketten zurückverfolgt werden.