Schutzziele in Sachen Klimafaktor Wald widersprechen sich

Bewirtschaftete Wälder tun viel für den Klimaschutz D.Bruyndonckx/unsplash
©Uni Hamburg

Die Europäischen Union hat ein Klimapaket mit Namen „Fit for 55“ aufgelegt, das auch den Wald betrifft. Das Problem: Die einzelnen Maßnahmen sollen CO2-Emissionen ausgleichen, widersprechen sich aber oder erreichen das Gegenteil. Dies zeigt die Analyse von Forstwissenschaftler Prof. Michael Köhl vom Centrum für Erdsystemforschung und Nachhaltigkeit (CEN) der Universität Hamburg. Köhl und sein Team untersuchten drei Instrumente, die sich im „Fit for 55“-EU-Klimapaket befinden, und Auswirkungen auf Wälder und Forstwirtschaft haben: Die New EU Forest Strategy, die Renewable Engergy Directrive und die Land-use, Land-use change and Forestry Regulation (LULUCF).

Ein Teil des Klimapakets ist der Entwurf für eine neue Waldstrategie (EU Forest Strategy). Sie sieht vor, den Wald so zu bewirtschaften, dass Klima und Biodiversität geschützt werden. Für den Klimaschutz spielen der Wald und Produkte aus Holz eine entscheidende Rolle.

Denn Holz als nachwachsender Baustoff speichert CO2 langfristig und erzeugt geringe Emissionen bei der Produktion – im Gegensatz zu Beton oder Stahl. Gleichzeitig könnten Holzprodukte in Zukunft Verpackungen aus Plastik ersetzen.

Die Flächen für Wirtschaftswald sollen demnach auf jeden Fall erhalten oder vergrößert werden. So sieht die neue Waldstrategie denn auch vor, in der EU bis 2030 mindestens drei Milliarden Bäume neu zu pflanzen.

Eine weitere Maßnahme fordert jedoch, für den Erhalt der Biodiversität 30 Prozent der gesamten Fläche der EU unter Schutz zu stellen, 10 Prozent davon unter strikten Schutz. Da Äcker, Weiden und Städte kaum als Schutzzonen funktionieren, könnten in Zukunft vermehrt Wälder als Schutzgebiete ausgewiesen werden.

Dies würde aber gleichzeitig die Holzernte im heutigen Ausmaß verhindern – ein Widerspruch. „Bezogen auf den Klimaschutz ist das kontraproduktiv“, sagt Waldexperte Michael Köhl. „In einem bewirtschafteten Wald, in dem junge Bäume angepflanzt und reife Bäume geerntet werden, entziehen wir der Atmosphäre mittelfristig insgesamt deutlich mehr CO2, als wenn wir den Wald unter Schutz stellen und auf die Holznutzung verzichten. Bewirtschaftung bedeutet hier also mehr Klimaschutz.“

In eine ähnlich widersprüchliche Richtung geht die Aktualisierung der europäischen Landnutzungs-Verordnung (LULUCF). Sie soll die natürliche Kohlenstoffaufnahme von Böden und Pflanzen erhöhen und damit Emissionen ausgleichen. Das Programm zielt auf Wälder als Kohlenstoff-Senke und möchte die gespeicherte Menge in der EU bis zum Jahr 2030 von jährlich knapp 280 auf 310 Millionen Tonnen CO2 erhöhen.

Dies geht zum Beispiel durch Aufforstung. Doch innerhalb von 10 Jahren würde sich dies kaum realisieren lassen, da junge Bäume wenig Kohlenstoff speichern. Hielte man an dem Plan fest, bliebe wiederum nur, die Holzernte zu begrenzen, um kurzfristig die zusätzlich gewünschte Menge Kohlenstoff im Wald zu halten.

„Die Verordnung betrachtet die Kohlenstoff-Bilanz nur innerhalb der Grenzen des Waldes. Doch das ist zu kurz gedacht“, sagt Köhl. „Das Holz wird zum Hausbau und in Möbeln und Fenstern verwendet – und so bleibt der Kohlenstoff außerhalb des Waldes ebenfalls langfristig gebunden.“ Gleichzeitig kann Holz diejenigen Baustoffe ersetzen, deren Produktion viele Emissionen erzeugt – und spart dadurch noch zusätzliches CO2 ein.

„Diese Effekte werden nicht berücksichtigt“, sagt der Forstexperte. „Die Instrumente werden jeweils einzeln für sich betrachtet, aber nicht im Zusammenspiel. Wir brauchen einen ganzheitlichen Ansatz, der das Potenzial des Waldes auf dem Weg zur Klimaneutralität auf allen Ebenen betrachtet.“