ETH: Produktion nachhaltiger Treibstoffe technisch machbar

Die Mini-​Solarraffinerie an der ETH Zürich hat sich in zwei Jahren Testbetrieb bewährt. A.Della Bella / ETH Zürich

Forscher der ETH Zürich haben die Verfahrenstechnik entwickelt, mit der sie aus Sonnenlicht und Luft CO2-​neutrale Treibstoffe herstellen können. Nun weisen sie in einer Nature-​Publikation den stabilen und zuverlässigen Betrieb der Mini-​Solarraffinerie unter realen Sonnenbedingungen nach. Und sie zeigen einen Weg auf, wie sich nachhaltiger Treibstoff ohne zusätzliche CO2-​Steuern im Markt einführen lässt.

Seit zwei Jahren betreiben Forschende um Aldo Steinfeld, Professor für Erneuerbare Energieträger der ETH Zürich, auf dem Dach des Maschinenlaboratoriums mitten in Zürich eine Mini-Solarraffinerie. Diese einzigartige Anlage kann in einem mehrstufigen Verfahren aus Sonnenlicht und Luft flüssige Treibstoffe wie Methanol oder Kerosin herstellen.

Die Forschenden konnten die technische Machbarkeit der gesamten thermochemischen Prozesskette zur Umwandlung von Sonnenlicht und Umgebungsluft in Drop-in-Treibstoffe erfolgreich nachweisen. Das Gesamtsystem arbeitet unter realen Sonneneinstrahlungsbedingungen stabil und dient als einzigartige Plattform für weitere Forschung und Entwicklung.

Die mit dem Solarreaktor erzeugten Treibstoffe sind CO2-neutral, weil zu ihrer Herstellung Sonnenenergie verwendet wird und weil bei ihrer Verbrennung nur so viel CO2 freigesetzt wird, wie zuvor zu ihrer Herstellung aus der Luft entnommen wurde.

Die Ökobilanz der Produktionskette von solaren Treibstoffen zeigt, dass die Treibhausgasemissionen im Vergleich zu fossilem Kerosin zu 80 Prozent vermieden werden können und dass sie gegen Null gehen, wenn die Materialien für den Bau der Produktionsanlagen wie Glas und Stahl mit erneuerbaren Energien hergestellt werden.

Die Technologie besteht aus drei in Reihe geschalteten thermochemischen Umwandlungseinheiten. Erstens: die Luftabscheidungseinheit, die Kohlendioxid und Wasser direkt aus der Umgebungsluft extrahiert. Zweitens: die solare Redox-Einheit, die CO2 und H2O in ein spezifisches Gemisch aus CO und H2, Syngas genannt, umwandelt. Und Drittens: die Gas-to-Liquid Syntheseeinheit, die schließlich das Syngas in flüssige Kohlenwasserstoffe umwandelt.

Die Mini-Solarraffinerie dient ausschließlich Forschungszwecken; sie produzierte dementsprechend nur kleine Treibstoffmengen, dies jedoch unter realen Feldbedingungen – mit der nicht optimalen Sonneneinstrahlung von Zürich. In einem repräsentativen Tagesbetrieb beträgt die produzierte Menge an Syngas etwa 100 Standardliter, die zu etwa einem halben Deziliter reinem Methanol verarbeitet werden können.

Außergewöhnlich gut war eine vollständige Selektivität. Das heißt, dass keine unerwünschten Nebenprodukte bei der Spaltung von Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff und bei der Spaltung von Kohlendioxid in Kohlenmonoxid und Sauerstoff auftreten. Außerdem konnte die Zusammensetzung des Syngas entweder auf die Methanol- oder die Kerosin-Synthese abgestimmt werden.

Die Energieeffizienz ist jedoch noch zu gering. Bislang liegt der höchste gemessene Wirkungsgrad des Solarreaktors bei 5,6 Prozent. Dieser Wert ist zwar ein Weltrekord für die solare thermochemische Spaltung, ist aber nicht hoch genug. Es sind noch erhebliche Prozessoptimierungen erforderlich.

Die Technologie kann hochskaliert werden, etwa durch die Verwendung eines Heliostatenfelds, das auf einen Solarturm fokussiert ist. Die derzeitige Mini-Solarraffinerie verwendet einen 5-Kilowatt-Solarreaktor. Bereits wurde eine zehnmal größere Anlage in einem Solarturm getestet. Für ein 1-Megawatt-Solarreaktormodul ist noch eine 20-fache Skalierung erforderlich.

Der Solarturm in industriellem Maßstab sieht eine Reihe von Solarreaktormodulen vor und kann vor allem die bereits für kommerzielle solarthermische Kraftwerke etablierte Infrastruktur zur Solarkonzentration nutzen.

Die ETH-Forscher betrachteten zudem politische Maßnahmen, wie der solare Treibstoff gefördert werden kann. Die Analyse zeigt, dass die Fördermaßnahmen ähnlich sein sollten wie bei der Wind- und Solarenergie. Als Regierungen damit begannen, diese Energien zu fördern, war Strom aus Wind- und Sonnenenergie zehn Mal teurer als Elektrizität, die mit fossilen Energien erzeugt wurden.

Das heutige Preisverhältnis von solarem Kerosin zu fossilem ist ähnlich. Der Vergleich mit anderen erneuerbaren Energietechnologien zeigt, dass mit den richtigen Fördermaßnahmen der Preis des Kerosins, das mittels der Solarraffinerie erzeugt wird, in wenigen Jahren auf den heutigen Stand von fossilem Flugbenzin sinkt.

Am besten geeignet ist ein Quotensystem. Fluglinien und Flughäfen werden dazu verpflichtet, jedem getankten Liter Kerosin einen vorgeschriebenen Mindestanteil an solarem Flugbenzin hinzuzufügen. Dieser Anteil liegt zu Beginn beispielsweise bei 0,1 Prozent. Das verteuert zwar das Kerosin insgesamt, der Preisaufschlag wäre jedoch bescheiden.

Die Quote wird dann alljährlich erhöht, bis nach einer gewissen Zeit 100 Prozent erreicht sind, dass also nur noch solares Kerosin getankt wird. Die sukzessive Erhöhung der Quote führt dazu, dass der Preis für solares Kerosin drastisch sinkt – so wie bei Wind- und Solarenergie. Bereits bei einem Anteil von 10 bis 15 Prozent wird gemäß den Berechnungen solares Flugbenzin gleich viel kosten wie fossiles Kerosin. Das ist politisch realistisch und einfacher umsetzbar.

Geeignete Standorte für Großanlagen sind Regionen, in welcher die jährliche direkte normale Sonneneinstrahlung mehr als 2000 kWh pro Quadratmeter pro Jahr beträgt, also Wüsten rund um den Globus. Im Gegensatz zu Biotreibstoffen, die durch die Ressourcenbereitstellung begrenzt sind, kann der weltweite Bedarf an solaren Flugzeugtreibstoffen durch die Nutzung von weniger als ein Prozent der weltweiten Trockenflächen, die nicht in Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion stehen, gedeckt werden.