Gründerzentren in den ländlichen Räumen

Bildcollage: "Die Linde"

Eine Stadt, eine Universität und ein lokales Gründerzentrum sind in dieser Kombination eine gute Voraussetzung für Unternehmensgründer. Ballungsräume versprechen kurze Wege. Insbesondere im Dienstleistungsbereich sowie im Handel ist dies von Vorteil, wie das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie berichtet.[1]Ein anders Bild: Ein schönes Dorf, prächtige Höfe, ab und an eine Busverbindung ins nächste Mittelzentrum, der Supermarkt hat aufgegeben und die Volksbank wird auch Ende des Jahres schließen. Und Internet ist Glückssache. Wer wird hier ein Unternehmen gründen?

Dabei würden auch die Startups von einer besseren Verteilung junger Firmen zwischen Land und Stadt profitieren. Das Bonner Institut für Mittelstandsforschung (IFM) empfiehlt deshalb eine bessere Zusammenarbeit und Vernetzung zwischen Städten und umliegenden Regionen. Und eigentlich sind regionale Wirtschaftsräume für Gründer besonders geeignet, weil sie kleinräumig agieren, lokale und regionale Wirtschaftskreisläufe vorhanden sind.

Kooperation zwischen Stadt und Region

Für mehr Kooperation zwischen Stadt und Region sollten nach Empfehlungen des IfM auch Hochschulen sowie etablierte Unternehmen sorgen, die mit Gründern in der Fläche zusammenarbeiten können. Auch scheint es wichtig gegenüber jungen Menschen in Hochschule und Universitäten deutlicher zu machen, dass das Leben auf dem Dorf gerade auch für Menschen, die als Selbstständige, mit kleinen Firmen, als Dienstleister, Wissens- und Digitalarbeiter tätig sind, attraktiv sein kann. Es gilt, die Vorteile der ländlichen Räume deutlich zu machen, wie  etwa eine gesunde und sichere Umgebung für die Kinder, geringe Preise für den Erwerb von Wohnbesitz und, wenn vorhanden, ein intaktes soziales Umfeld. Dennoch eines bleibt: Was jungen Gründern fehlt, sind aber Kristallisationspunkte und moderne Angebote, um die eigene Arbeit organisieren und strukturieren zu können. Ländliche Gründungszentren könnten hier eine Antwort sein.

Ankerplatz für Projekte

Diese ländlichen Gründerzentrums sollten keine kleine Kopie ähnlicher Einrichtungen in den großen Städten sein. Es geht darum einen Ort zu finden, zu haben und zur Verfügung zu stellen, einen  Ort, der als Ankerplatz für die verschiedenen Projekte, Gründer aber auch bereits vorhandene Initiativen fungiert, mit festen Kontakten zu den unterschiedlichen Ansprechpartnern in der jeweiligen Region. Der Bedarf dafür und auch das Potential sind in den ländlichen Räumen vorhanden, so Prof. Dr. Wolfgang George von der Technischen Hochschule Mittelhessen/TransMIT.[2]

 

Prof. Dr. Wolfgang George

Verstärkend kommt hinzu, dass neben den klassischen finanziellen Hilfen immer mehr nicht-monetäre Unterstützungen an Bedeutung gewinnen. Dazu gehören vor allem Beratungen zu betriebswirtschaftlichen und steuerlichen Aspekten sowie zu Finanzierungsfragen und der Erfahrungsaustausch über Kooperationsmöglichkeiten. So arbeiteten aktuell sieben von zehn Startups mit Partnern aus bestehenden Unterstützungsinstitutionen (Technologie- und Gründerzentren, Business Angels u.a.) und der Wissenschaft zusammen. Vorrangig geht es dabei um die Kooperation zur Entwicklung neuer Vertriebskanäle, Markt-Diversifizierung und Produktentwicklung. Diese Bedarfsfelder stünden in Bezug zu den internen und externen Rahmenbedingungen, die für den Erfolg von Start-ups ausschlaggebend sind. Zu den internen Grundlagen einer erfolgreichen Gründung gehörten:

  • Personal: Guter Zugang zu Personal, insbesondere zur Akquise von motiviertem und qualifiziertem Personal,
  • Infrastruktur: Das Vorhandensein und ein angemessener Zugriff auf ein hinreichendes Raumangebot sowie auf eine adäquate und leistungsfähige Technik stellen die Leistungs- und damit Handlungsfähigkeit der Unternehmen sicher.
  • Innovativität: Möglichkeiten, neue Produkte und Dienstleistungen zu entwickeln und Märkte zu erschließen, um Vorteile im Qualitätswettbewerb auszubauen,
  • Know-how: Eigene unternehmerische Erfahrung der Gründer bzw. unter den Gründern,
  • Unternehmergeist und betriebswirtschaftliches, wie technisches Knowhow,
  • Geschäftsmodell: Funktionierende Geschäfts- und/oder Betreibermodelle (Neuartigkeit,
  • Skalierbarkeit, Tragfähigkeit) ermöglichen, ausgehend von einer erfolgreichen Gründung, erfolgreiches Wachstum und insbesondere eine Skalierungsmöglichkeit,

Beispiele sind überall in den ländlichen Raum Deutschlands vorhanden. Was fehlt, sind politisch und fachlich versierte Akteure, die Gründungsinitiativen betreuen – wohl gemerkt ist hier nicht der klassische an Fristen und Förderungsstrukturen orientierte Verwaltungsbeamte gemeint. Auch sind die Handlungsmöglichkeiten der verschieden und zivilgesellschaftlichen Akteure in den ländlichen Räumen noch nicht wirklich im Sinne eines gründungsfreundlichen Umfeldes zusammengebracht worden. Und hier müssen ganz neue Konstellationen angedacht werden wie: „Landfrauen, Handwerke, Kirche und Kulturverein“ genauso wie „Caritas, Kulturverein, Sportvereine und Fremdenverkehr“!

Und was dieser Tage oft vergessen wird: Gegründet werden nicht nur IT Unternehmen, Game Factories und neue Kaffeebrennereien, sondern, zu unserer aller Wohlfahrt, auch Handwerksbetriebe.  Das Handwerk ist ländlich. Der Beschäftigungsbeitrag des Handwerks in ländlichen Regionen ist 33 Prozent höher als in den städtischen Regionen. Gerade in diesen Räumen, welche eine niedrigere Wirtschaftsleistung aufweisen als Städte, übernimmt das Handwerk eine stabilisierende Funktion, vermindert Armut, integriert Jugendliche in das Arbeitsleben und schafft eine lebenswerte Umgebung.

Strukturpolitischen Ansatz für die ländlichen Räume

„Notwendig ist daher der Übergang zu einem integrierten, alle Wirtschaftsbereiche umfassenden strukturpolitischen Ansatz für die ländlichen Räume. Der Übergang zu einem solchen integrierten Ansatz würde nicht zu Lasten der Landwirtschaft gehen. Vielmehr käme eine sektorübergreifende Zusammenarbeit durch die Entwicklung gemeinsamer Wertschöpfungsketten, durch die Verringerung der Abwanderung und die Stabilisierung von Versorgungsstrukturen allen Akteuren zugute.

Dr. Carsten Benke,

Das Handwerk kann in Kooperation mit den anderen Wirtschaftsbereichen sowohl durch Innovationen als auch durch die intensivere Nutzung bestehender regionaler Potenziale entscheidend zur wirtschaftlichen Stabilisierung beitragen“ Dr. Carsten Benke, Wirtschafts- und Umweltpolitik Zentralverband des Deutschen Handwerks e. V. (ZDH).

Beispiel aus Schleswig-Holstein

Ein Beispiel aus Schleswig-Holstein könnte als Veranschaulichung für den Gedanken der „Ankerplätze“ dienen, die sogenannten MarktTreff´s.[3]. MarktTreff’s können in Gemeinden ab 700 bis zu 2.000 Einwohnern geschaffen werden, die nicht oder nicht mehr über einen ortsansässigen Lebensmittelhandel verfügen. Im Idealfall erfüllt ein MarktTreff drei wesentliche Funktionen: Das Kerngeschäft und auch die wirtschaftliche Grundlage bildet in der Regel ein kleiner Lebensmittelmarkt zur Sicherung der wohnortnahen Versorgung.

  • Ergänzt werden soll es durch ein mehr oder weniger umfangreiches Dienstleistungsangebot wie Post-, Telefon-, Bank-, Versicherungs-, Foto- oder Party-Service, möglich sind aber auch Internetcafé, Bistro, Versandhandelsagentur, Fortbildungsstätte oder Bürgerservice der Kommunalverwaltung.
  • Nicht zuletzt soll ein MarktTreff als Treffpunkt fungieren – mit dem Ziel, das dörfliche Gemeinschaftsleben zu stärken und Kommunikation und Identifikation zu fördern.

Der neue MarktTreff Heidgraben bündelt vielfältige Funktionen: Lebensmittelgeschäft, Bäckerei, Treffpunkt, Veranstaltungsräume, Friseursalon und Bankautomat.

Planung, Realisierung und Startphase der MarktTreffs werden zwar mit Fördermitteln unterstützt, die Initiative muss jedoch von den Kommunen ausgehen. Diese sind auch die Zuwendungsempfänger und müssen die Verantwortung für das Funktionieren „ihres” MarktTreff-Projekts tragen. Sie sind in der Regel Eigentümer der Immobilie und der Einrichtungen des Treffs, die von einem sorgfältig ausgesuchten, privaten Betreiber gemietet werden.


[1] Unternehmensgründungen und Gründergeist in Deutschland Zahlen und Fakten (https://www.existenzgruender.de/SharedDocs/Downloads/DE/Broschueren-Flyer/Zahlen-Fakten-Unternehmensgruendungen-Gruendergeist-Deutschland.pdf?__blob=publicationFile)

[2] https://vitale-orte.hessen-nachhaltig.de/files/Vital/downloads/Materialsammlung/GEORGE_Regionale_Existenzgruendung_2015.pdf

[3] http://www.markttreff-sh.de/