Das im „International Continental Scientific Drilling Program“ (ICDP) angesiedelte Projekt „Drilling Overdeepened Alpine Valleys (DOVE)“ hat das Ziel, die räumliche sowie zeitliche Klimaentwicklung während der Eiszeiten bis vor 2,6 Millionen Jahren und dessen Einfluss auf die Landschaftsentwicklung im gesamten Alpenraum zu rekonstruieren. Hierzu führte das Leibniz-Institut für Angewandte Geophysik (LIAG) in Zusammenarbeit mit der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg und dem Landesamt für Geologie, Rohstoffe und Bergbau im Regierungspräsidium Freiburg (LGRB) drei Forschungsbohrungen im deutschen Alpenvorland bei Winterstettenstadt durch. Mit dem Abschluss erfolgen bereits erste Erkenntnisse.
Insgesamt wurden circa 700 Kilogramm Spülsedimente und rund 165 Meter Kerne aus dem sogenannten Tannwaldbecken ca. 70 Kilometer nördlich des Bodensees gewonnen. Gemeinsam mit den geophysikalischen Messungen des LIAG werden sie an der Lokation mehr Verständnis über die klimatisch bedingten Ausprägungen des ehemaligen Rheingletschers und den Einfluss auf die Landschaftsentwicklung innerhalb der vergangenen 450 000 Jahren generieren.
Erste Forschungserkenntnisse
Eine erste Analyse sehr feiner Sedimente aus einer Tiefe zwischen rund 50-140 Metern zeigt bereits, dass sich früher in dem Untersuchungsgebiet ein See befand. Vereinzelt vorgefundene „Dropstones“ weisen zudem deutlich auf die damals herrschende Kaltzeit hin: Kleine Gesteinsbrocken, die auf dem Gletscher oder auf Eisschollen lagen, sind durch das Abtauen des Eises in den See gefallen.
Geophysikalische Messungen und umfangreiche Sedimentanalysen in Planung
Forschende des LIAG nehmen in allen Bohrungen mit verschiedensten Sonden geophysikalische Messungen in den Bohrlöchern vor, um die spezifischen Eigenschaften der Sedimente zu ermitteln. Mit seismischen Messungen zwischen den Bohrungen erfassen sie die Bedingungen für die Sedimentablagerungen zusätzlich im Detail.
Die Geophysik ist mitentscheidend, um die punktuellen Bohrergebnisse anschließend in den dreidimensionalen Raum zu übertragen und weitere Rückschlüsse zu ziehen. Erste Ergebnisse aus Voruntersuchungen wurden bereits in 3-D-Modelle umgesetzt. Die aus der Kernbohrung gewonnenen Sedimente untersuchen die Projektpartner unter anderem auf ihre Alter, ihren Pollengehalt sowie auf das Vorhandensein von Kleinstlebewesen.
Von den zwei Spülbohrungen und der Kernbohrung mit je rund 160 Meter Tiefe stellte sich aufgrund der Sedimentbeschaffenheit Letztere als bohrtechnisch besonders anspruchsvoll heraus. „Die Kernqualität ist jedoch sehr gut und es gelang uns eine intensive und sorgfältige Beprobung der Kerne bereits während des Bohrprozesses“, erklärt LIAG-Projektkoordinator und Geologe Dr. David Colin Tanner, der die Bohrungen vor Ort mit betreute. „Die Ergebnisse aus den Untersuchungen der gewonnenen Sedimente gleichen wir dann mit denen der Geophysik ab, um einen umfassenden Einblick in die Klima- und Landschaftsveränderungen zu bekommen.“
Daten auch nützlich für Grundwasserversorgung oder Geothermiepotenzial
„Mit dem Projekt betreiben wir bedeutende Grundlagenforschung zur räumlichen und zeitlichen Dynamik von Eiszeiten sowie zu Fragen der Klimaentwicklung in der Vergangenheit“, meinen Prof. Dr. Gerald Gabriel (LIAG) und Dr. Frank Preusser (Albert-Ludwigs-Universität Freiburg), DOVE-Projektverantwortliche für den deutschen Alpenraum.
„Zusätzlich bieten die erhobenen Daten wertvolle Informationen zu angewandten Fragen: Sie nützen beispielsweise der Beantwortung von Fragen zur Langzeitsicherung der Grundwasservorkommen. Auch das Potenzial geothermischer Bohrungen oder grundsätzliche, geologische Eigenschaften und Prozesse können mit den Daten erfasst werden, was für zukünftige Planungen und Prognosen unterstützend wirken kann.“
Dr. Ulrike Wielandt-Schuster, Referentin für Geologische Grundlagen im LGRB, ist froh über den erfolgreichen Abschluss. Sie sieht den Mehrwert für das Land: „Forschungsbohrungen sind für uns sehr wertvoll, denn je fundierter und qualitativ hochwertiger unsere Datengrundlage ist, desto besser können wir den Aufbau des Untergrunds verstehen.“
Sobald sich die Erkenntnisse durch die Analysen vertieft haben, werden die Projektpartner den Bürgerinnen und Bürgern der Region sowie der weiteren interessierten Öffentlichkeit einen Informationsabend anbieten. In Planung ist auch, die Ergebnisse in örtlichen Museen auszustellen.