Übermäßige künstliche Beleuchtung des öffentlichen Raums verbraucht Energie und stört den Tag-Nacht-Rhythmus von Lebewesen. Um diesem Problem der „Lichtverschmutzung“ begegnen zu können, braucht es ein Bewusstsein dafür und Kenntnis über die Quellen. Jetzt ist eine Reihe von bürgerwissenschaftlichen Datenerhebungskampagnen erfolgreich beendet worden, die seit Ende August unter dem Titel „Nachtlichter“ und unter Federführung des Deutschen GeoForschungsZentrums Potsdam GFZ stattgefunden haben.
Im Rahmen der weltweiten Aktion zählten und klassifizierten die Teilnehmenden fast eine Viertelmillion künstliche Lichtquellen auf öffentlichen Straßen und Plätzen. Die Datenerhebung erfolgte mittels der Nachtlichter App, die das GFZ-Team eigens dafür in einem Co-Design Prozess mit einer Gruppe Bürgerwissenschaftler*innen entwickelt hatte.
Die Teilnehmenden sind auch an der Präsentation des Projektes auf Konferenzen, an wissenschaftlichen Publikationen und der Auswertung der Daten beteiligt, die nun beginnt. Erste Ergebnisse werden ab Mitte 2022 erwartet.
Hintergrund des Projekts
In den letzten Jahren ist das öffentliche Bewusstsein für „Lichtverschmutzung“ und die gesundheitlichen und ökologischen Wirkungen von künstlichem Licht gewachsen: Es verbraucht nicht nur viel Energie, sondern stört auch den Tag-Nacht-Rhythmus von Tier- und Pflanzenwelt und von Menschen. Zugleich zeigen Satelliten- und Luftaufnahmen der Erde bei Nacht, dass öffentliche Räume immer heller beleuchtet sind. Was sie nicht zeigen ist, welche Lichtquellen am Boden diese bis in den Orbit sichtbaren Lichtemissionen verursachen. Diese Datenlücke zu schließen, ist Ziel des Projekts „Nachtlichter“.
Datenlücke schließen durch Bürgerforschung mit der App
Mithilfe der eigens dafür entwickelten App und ausschwärmender Bürgerwissenschaftler*innen konnten erstmals künstliche Lichtquellen auf öffentlichen Straßen und Plätzen in größeren zusammenhängenden Gebieten systematisch erfasst und kartiert werden – in diversen deutschen, europäischen und nordamerikanischen Städten.
Die webbasierte App ermöglicht es, Helligkeit, Farbe und Abstrahlwinkel unterschiedlichster Lichtquellen zu erfassen – von der Straßenlaterne und Schaufensterbeleuchtung bis hin zu Leuchtreklamen und Lichterketten. Bislang verfügen lediglich einige Städten und Kommunen über Informationen zu ihrer öffentlichen Beleuchtung. Private Lichtquellen werden nicht systematisch erfasst.
Sozialwissenschaftliche Begleitforschung
Neben der Analyse von Lichtquellen, wird das Projekt am GFZ auch sozialwissenschaftlich begleitet. Hier untersucht Nona Schulte-Römer gemeinsam mit den Bürgerwissenschaftleren, wie das Projekt Bewusstsein und Allianzen für nachhaltige Beleuchtung fördern kann und wie wir als Gesellschaft Technik verstehen, gestalten und nutzen, wie wir wissenschaftliche Erkenntnisse interpretieren und berücksichtigen, wenn wir die Nacht illuminieren.
Zwischenresumée
„Wir freuen uns, dass so viele Menschen – vom Schulkind bis zur Rentnerin – mitgemacht haben. Sie alle tragen dazu bei, dass wir nun einen einzigartigen Datensatz haben, mit dem wir besser verstehen können, was genau die Quellen von Lichtemissionen sind und wie wir Lichtverschmutzung künftig reduzieren können“, so die erste Zwischenbilanz von Christopher Kyba, Projektleiter von Seiten des GFZ.
Sozialwissenschaftlerin Nona Schulte-Römer ergänzt: „Das Projekt konnte nur dank des großen bürgerwissenschaftlichen Interesses und Engagements in Deutschland realisiert werden. Die Mehrheit der Beteiligten ist motiviert durch den Wunsch, die natürliche Dunkelheit zu schützen und künstliche Beleuchtung nachhaltiger zu gestalten.“
Das Projekt in Zahlen
• Im Zeitraum vom 23. August bis 14. November 2021 haben die Mitforschenden fast eine Viertelmillion Lichtquellen erfasst und klassifiziert.
• Es wurden Beobachtungen aus insgesamt 10 verschiedenen Ländern eingereicht, die meisten kamen allerdings aus Deutschland. (Details finden Sie auf der Projektwebsite: https://nachtlicht-buehne.de/nachtlichter/#localcampaigns)
• 241 Bürgerwissenschaftler*innen haben Daten eingereicht (die Gesamtzahl der Mitforschenden ist noch höher, da sie oft in Teams gearbeitet haben).
• Die Teilnehmer*innen haben beim Lichterzählen eine Gesamtstrecke von 645 km auf öffentlichen Straßen und Plätzen zurückgelegt.
• Mit Blick auf zusammenhängende Erhebungsgebiete wurden insgesamt 22 Quadratkilometer erfasst. (Dank des unerwartet großen bürgerwissenschaftlichen Engagements der Mitforschenden ist das weit mehr als die 6 Quadratkilometer, die im Projektantrag vorgesehen waren.)
• Die größte Anzahl an Lichtern, die eine einzelne Person gezählt und klassifiziert hat, beträgt 12.403 (Stand 16.11.2021)
• 66 Mitforschende haben es geschafft, mehr als 1000 Lichter mit der App zu erfassen und zu klassifizieren.
• An den Nachtlichter-Kampagnen beteiligte sich ein breites Spektrum an Menschen, von zwölfjährigen Kindern bis zu Erwachsenen im Ruhestand.