Je weiter eine Insel vom Festland entfernt ist, desto weniger heimische Tier- und Pflanzenarten, aber desto mehr vom Menschen eingeschleppte Arten – sogenannte Neobiota – beherbergt sie. Zu diesem überraschenden Ergebnis kommt ein internationales Forschungsteam um Dietmar Moser, Bernd Lenzner und Franz Essl vom Department für Botanik und Biodiversitätsforschung der Universität Wien in der aktuellen Ausgabe der renommierten Fachzeitschrift „PNAS“. Die Folgen dieses Sachverhalts für die globale Biodiversität könnten gravierend sein.
Bereits seit längerer Zeit ist bekannt, dass die Flora und Fauna von Inseln stark unter der Verbreitung nicht-heimischer Arten leidet. Neobiota sind direkt oder indirekt schuld am Verschwinden von fast einem Drittel der ausgestorbenen Arten auf Inseln. Da viele dieser Inselarten endemisch sind, also ausschließlich auf ‚ihrer‘ Insel und sonst nirgendwo auf der Welt vorkommen, stellen Neobiota dort eine besondere Gefahr für die globale Biodiversität dar. Um zu verstehen, warum manche Inseln stärker oder weniger stark von ihnen betroffen sind, verglichen die Forscher in ihrer aktuellen Studie die Anzahl an heimischen und nicht-heimischen Säugetieren, Vögeln, Reptilien, Ameisen und Pflanzen auf 257 tropischen und subtropischen Inseln mit einer Reihe mutmaßlicher Einflussfaktoren.
Die Ergebnisse bestätigen einerseits schon länger bekannte Zusammenhänge zwischen Inselgröße und Anzahl von nativen Arten als auch von Neobiota. „Was uns überrascht hat, war allerdings, dass der Isolationsgrad einer Insel, also ihre Entfernung vom Festland, einen exakt gegenläufigen Effekt auf die Anzahl heimischer und nicht-heimischer Art hat: Heimische Arten werden weniger, Neobiota nehmen zu“, erklärt Dietmar Moser, einer der beiden Hauptautoren der Studie.
Die mutmaßlichen Gründe für diesen erstaunlichen Befund erklärt sein Kollege Bernd Lenzner: „Je weiter eine Insel vom Festland entfernt ist, desto evolutionsgeschichtlich isolierter und eigentümlicher sind die auf ihr heimischen Arten. Das liegt einerseits daran, dass nur wenige Lebewesen diese großen Distanzen überwinden können und andererseits daran, dass die erfolgreichen Individuen sich in genetischer Isolation an die spezifischen Gegebenheiten auf der Insel angepasst haben“. Infolgedessen haben viele Arten ihre Scheu oder Verteidigungsstrategien verloren, da natürlichen Fressfeinde auf der Insel fehlen. Neu vom Menschen eingebrachte Spezies haben dann leichtes Spiel.
Generell zeigen die Ergebnisse der ForscherInnen, dass gerade die entlegensten Inseln mit ihrer einzigartigen Tier- und Pflanzenwelt am stärksten durch nicht-heimischen Arten bedroht sind. Mit Ausnahme der Vögel ist dieses Muster für alle Artengruppen dasselbe. Biologische Invasionen auf Inseln bedrohen vor allem auch die ganz seltenen Arten. „Gerade auf den entlegensten Inseln sollten daher besonders strenge Maßnahmen gegen die Einfuhr nicht-heimischer Arten internationaler Standard werden“, betont Moser.