Böden sind Lebensgrundlage und Klimaschützer zugleich – doch es steht nicht gut um sie. Durch Überdüngung, Abholzung, Versalzung und Überweidung sind weltweit fast zwei Milliarden Hektar Acker- und Weideland von mäßiger bis schwerer Bodenverschlechterung betroffen.* Die Folge: sinkende Erträge, geringere Artenvielfalt, sinkende Qualität des Grundwassers, weniger Kohlendioxidbindung. Berichten des IPCC zufolge ist bereits im Jahr 2030 eine kritische Situation erreicht. Anlässlich des Weltbodentages am 5. Dezember stellt das Max-Planck-Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung eine Technologie vor, die zur weltweiten Bodenverbesserung beitragen könnte.
Künstliche Huminstoffe könnten ausgleichen, was aufgrund fehlender Kreislaufwirtschaft wie nachhaltiger Fruchtfolgen an guter Bodenqualität verloren geht. Warum? Natürliche Huminstoffe sind Bestandteile des fruchtbaren Humusbodens, dem sie die dunkle Farbe geben. Sie bilden sich im Zuge des Abbauprozesses von biologischem Material.
Auf natürliche Weise dauert dieser Prozess Jahre. „Im Hinblick auf die weltweit zunehmend schlechte Bodenqualität müssen wir schneller sein als die Natur, denn in ein paar Jahren müssen 10 Milliarden Menschen ernährt werden und die Klimakrise gilt es auch zu bewältigen“, sagt Markus Antonietti. Die Beschleunigung dieses Prozesses ist gelungen. Bereits nach zwölf Stunden entstehen mit grüner Chemie die am Max-Planck-Institut entwickelten künstlichen Huminstoffe im Labor.
Was können künstliche Huminstoffe? Künstliche Huminstoffe haben ähnliche Eigenschaften wie natürliche und führen zu den gleichen positiven Auswirkungen auf den Boden: Verbesserung der Bodenqualität und der Gesamtstruktur des Bodens, Wasserrückhaltung, Mineralienbindung und Erhöhung der mikrobiellen Aktivität in den Böden.
Benötigt werden dazu Bioabfälle wie beispielsweise Grünschnitt, Laubabfälle oder Baumrinde, die durch ein spezielles Kochrezept „humifiziert“ werden und die natürlichen Prozesse beschleunigt nachahmen. Am Ende entsteht ein mit natürlichen Huminstoffen vergleichbares Produktgemisch, das dann den Böden hinzugefügt werden kann.
„Jüngste Laborversuche mit unserer chinesischen Partnergruppe von Frau Prof. Fan Yang von der Northeast Agricultural University in Harbin, deuten darauf hin, dass künstliche Huminstoffe die Bodenqualität sowie die landwirtschaftliche Produktivität ganz wesentlich verbessern können und zudem ganz außerordentlich zur Kohlendioxidbindung beitragen“, sagt Markus Antonietti.
Er ergänzt: „Die Reaktion findet bei höheren Temperaturen in Wasser statt und verläuft dann spontan. Bei geeignetem Wärmemanagement ist der Prozess also sehr preiswert.“ Diese Technologie wurde von der International Union of Pure and Applied Chemistry (IUPAC) jüngst in die „Top Ten der aufkommenden Technologien in der Chemie 2021“ gewählt, weil sie ein Lösungsbaustein für die Klimakrise sein könnte.
„Zwei Milliarden Hektar Ackerland brauchen tatsächlich zwei Milliarden Tonnen Huminstoffe, binden aber dann wohl bis zu 350 Milliarden Tonnen CO2 durch Rückkehr der Bodenbiologie“, sagt Antonietti. Das entspreche der Menge, die in den letzten zehn Jahren zusätzlich von der Menschheit emittiert wurde.