Die Wünsche der Bevölkerung für ihre Stadt der Zukunft unterscheiden sich deutlich vom heutigen Bild der Städte. „Urbane Wildnis“ findet die größte Zustimmung. Daneben sind weniger Abfall, geringerer Ressourcenverbrauch sowie angemessener, ausreichender und bezahlbarer Wohnraum gefragt. Eine Kommune, die dem Verlust der Artenvielfalt entgegensteuert, vielfältige Lebensräume für Flora und Fauna bietet und diese auch auf neue Weise in bebaute Flächen integriert – eine solche „Urbane Wildnis“ steht ganz oben auf der Wunschliste der deutschen Bevölkerung, wenn man sie nach ihrer bevorzugten Vision einer Stadt der Zukunft fragt.
Dies ist eines der Ergebnisse einer repräsentativen Bevölkerungsbefragung, die die Bertelsmann Stiftung und das Deutsche Institut für Urbanistik (Difu) zusammen mit dem Meinungsforschungsinstitut Kantar Public durchgeführt haben. Den geringsten Anklang unter den zur Auswahl stehenden Zukunftsvisionen fand die „Sharing City“, in der die Menschen Besitz und Konsum auf das Wesentliche konzentrieren, diverse Dinge häufiger teilen und leihen, anstatt sie zu kaufen.
Für die Befragung wurden neun Zukunftsvisionen zur Diskussion gestellt. Diese beschrieben vereinfacht, wie die Stadt der Zukunft organisiert und beschaffen sein könnte. Wohin soll sich die (Stadt-)Gesellschaft entwickeln und wie soll sie organisiert sein? Abgefragt wurden positiv geprägte Zukunftsbilder für die nachhaltigere Stadt von morgen.
„Um das große Thema Nachhaltigkeit in die praktische Politik der Kommunen zu integrieren, braucht es die Unterstützung der Bevölkerung“, so Projektleiterin Dr. Jasmin Jossin vom Difu, die die Befragung konzipiert und die Ergebnisse in einem Monitorbericht aufbereitet hat. „Die Bürgerschaft in den Städten lässt sich aber nicht allein durch Negativszenarien, wie den Folgen des Klimawandels, mobilisieren. Vielmehr ist sie auch auf positiv besetzte Zielvorstellungen angewiesen“, so Jossin.
Auf die Zukunftsvision der „Urbanen Wildnis“ folgt in der Wertschätzung der Bürger direkt die „Abfallfreie Stadt“. Dieses Modell orientiert sich am Prinzip der Kreislaufwirtschaft und reduziert die Ressourcen- und Energieverbräuche auf das notwendige Minimum. An dritter Stelle wird „Wohnraum für alle“ genannt – also eine Stadt, die allen Menschen in Zukunft einen ausreichenden, angemessenen und bezahlbaren Wohnraum bietet.
Deutlicher Handlungsbedarf bei der Umsetzung vor Ort
Neben der positiven Bewertung der verschiedenen Visionen für die Stadt von morgen offenbart der Monitorbericht des Deutschen Instituts für Urbanistik (Difu) auch erheblichen Handlungsbedarf. Denn der Umsetzungsstand aller neun abgefragten Visionen liegt jeweils deutlich hinter ihrer Erwünschtheit.
Auch wenn die „Urbane Wildnis“ das Konzept ist, das aus Sicht der Befragten schon heute am stärksten umgesetzt ist, zeigt sich eine deutliche Lücke zwischen Anspruch und Wirklichkeit. Die größte Diskrepanz zwischen der Erwünschtheit in der Zukunft und dem aktuellen Umsetzungsstand findet sich jedoch beim Konzept „Wohnraum für alle“. Dementsprechend zeigt sich hier der größte kommunale Handlungsbedarf. Die geringste Notwendigkeit, aktiv zu werden, sehen die Befragten bei der „Sharing City“, der von ihnen am wenigsten gewünschten Zukunftsvision.
Jugendlichen und jungen Erwachsenen sind Klimafragen am wichtigsten
Die Vorstellungen der jungen Menschen im Alter von 14 bis 27 Jahren unterscheiden sich in einigen Aspekten deutlich von denen der befragten Gesamtbevölkerung. Klima, Umwelt und Energie sind ihnen besonders wichtig. Auch die Vision der „Selbstversorgenden Stadt“ findet bei ihnen mehr Zuspruch. Ebenfalls sehr wichtig ist ihnen die „Autofreie Stadt“. Sie thematisieren deutlich häufiger soziale Themen und das gesellschaftliche Miteinander im Zusammenhang mit ihren Wünschen an die nachhaltigere Stadt der Zukunft. Direktdemokratische Angebote finden sie wünschenswerter als andere Altersgruppen. Nun gilt es, diesem starken Wunsch nach Partizipation nachzukommen.