Biodiversitätsentdeckung 4.0 für Jeden

Museum für Naturkunde Leibniz - Institut für Evolutions- und Biodiversitätsforschung

Wissenschaftler des Museums für Naturkunde Berlin und der Nationalen Universität Singapur ist es gelungen, die Methode der Artenbestimmungen mit Hilfe eines sogenannten genetischen „Strichcodes“ und eines kleinen Sequenziergerätes drastisch zu vereinfachen. Der neue Ansatz ist mit minimalem Kosten- und Materialaufwand verbunden und in der Handhabung so einfach, dass er von Jedem am Ort der Entdeckung durchgeführt werden kann und die wissenschaftliche Expertise der Forschenden ergänzt.

Seit Jahrzehnten lässt sich überall auf der Welt ein Rückgang der biologischen Vielfalt beobachten. Der Verlust von Arten gefährdet die Tier- und Pflanzengemeinschaften und könnte laut Prognosen von Swiss Re zu einem Zusammenbruch von Ökosystem in zahlreichen Ländern weltweit führen. „Die Entdeckung von Arten und die Überwachung der Biodiversität wird daher in Zukunft einen noch viel größeren Raum einnehmen“, erklärt Prof. Rudolf Meier, Leiter des Zentrums für Integrative Biodiversitätsentdeckung am Museum für Naturkunde Berlin. „Alle Länder werden Echtzeitinformationen über die Verbreitung und Häufigkeit von Arten benötigen, um wirksame Erhaltungsstrategien und -maßnahmen zu entwickeln“.

Ziel der Forschenden war es daher, eine einfache, kostengünstige aber qualitativ hochwertige Methode zu entwickeln, die schnellere Artbestimmung überall auf der Welt ermöglicht. Sie machten dabei von einer neuen Generation von Sequenziermaschinen Gebrauch. Diese sogenannten MinION passen in jede Hosentasche und können innerhalb kürzester Zeit Ergebnisse liefern und die wissenschaftliche Arbeit der Forschenden unterstützen.

Um zu überprüfen, ob sich das Gerät für die breite Bestimmung von Arten eignet, mussten die Wissenschaftler zunächst sicherstellen, dass das kleine Gerät den genetischen Code mit hoher Präzision auslesen kann. „Uns ist es glücklicherweise gelungen, die Arbeitsschritte so weit zu vereinfachen, dass sich die Kosten auf weniger als 10 Cent pro Exemplar reduzierten“, erläutert Dr. Amrita Srivathsan, Erstautorin der Studie. „Dies erst macht den breiten Einsatz dieser Methodik für die Biodiversitätsentdeckung und die Überwachung des Verlusts von Arten möglich“.

Durch die Einfachheit des Ansatzes können nun auch Nichtwissenschaftler innerhalb weniger Tage die Fähigkeiten erlernen, um im Garten, Feld oder Wald Tierarten mithilfe des MinION Systems zu bestimmen und zu dokumentieren. Dies ist nicht zuletzt der Entwicklung eines neuen, frei zugänglichen Bioinformatik-Tools namens ONTbarcoder zu verdanken, das die MinION-Ergebnisse für jedermann interpretierbar macht.

„Wir sind überzeugt, dass die vorgestellte Methode zum Schutz der Artenvielfalt beiträgt und einer Vielzahl von Interessensgruppen, wie Regierungsorganisationen, Universitäten, Museen und privaten Verbänden, bei der Biodiversitätsforschung helfen wird “, verdeutlicht Prof. Rudolf Meier.

Den Nutzen der Artenbestimmung anhand von DNA-Sequenzen konnten die Wissenschaftler:innen bereits in einer weiteren Studie eindrucksvoll unter Beweis stellen. Untersuchungen von Mangroven in Singapur zeigten eine überraschend hohe Insektendiversität in diesem Ökosystem. Bisher ging man aufgrund der geringen Pflanzendiversität davon aus, dass sich nur wenige Insektenarten in diesem Gebiet aufhalten. Dank dem Einsatz der neu entwickelten Methode konnten die Autor:innen nun zeigen, dass Mangroven ein bislang unzureichend beachteter Hotspot für unterschiedlichste Insektenarten sind.