Gegen zwei aufeinanderfolgende heiße Dürrejahre war der Leipziger Auwald nicht gewappnet. Das Dürrejahr 2018 konnten die Bäume noch teilweise verkraften. Allerdings häuften sie die andauernden Schäden durch den Trockenstress an und ihr Wachstum brach im zweiten Dürrejahr 2019 je nach Baumart um 9 bis 42 % im Vergleich zu klimatisch normalen Jahren ein. Dies ist das Ergebnis einer Studie, die ein Team unter der Leitung des Deutschen Zentrums für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) in der Fachzeitschrift Global Change Biology veröffentlicht hat. Die Studie könnte helfen, die Reaktion von Wäldern auf den Klimawandel besser zu verstehen und vorherzusagen.
Das Jahr 2018 war im Vergleich zu vorherigen Dürrejahren in Mitteleuropa nicht nur extrem trocken sondern auch ungewöhnlich heiß. Auf dieses Phänomen, das als „heiße Dürre“ bezeichnet wird, folgte das zweite heiße Dürrejahr 2019. Einzelne Dürrejahre kommen immer wieder vor. Dass aber zwei extrem heiße und trockene Jahre aufeinander folgen, konnte in unseren Breiten bisher nicht beobachtet werden. Durch den Klimawandel werden solche Extremereignisse in Zukunft aber häufiger vorkommen.
Die doppelte Dürre führte in ganz Mitteleuropa zu noch nie dagewesenen Waldschäden. In Deutschland starb von vierzig Bäumen im Mittel einer. Auch der Leipziger Auwald war betroffen. Viele bereits vorgeschädigte Bäume starben ab. Und auch auf die gesunden Bäume wirkte sich der doppelte Trockenstress negativ aus: Sie verringerten ihr Wachstum und zeigten bislang nicht beobachtete Stressreaktionen, wie nun ein Forschungsteam von iDiv, der Universität Leipzig (Uni Leipzig), des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung – UFZ, der Universität Freiburg und des Max-Planck-Instituts für Biogeochemie nachweisen konnte.
Die Wissenschaftler verglichen die Trockenstress-Auswirkungen früherer Dürrejahre (2003, 2006 und 2015) auf die Baumarten Eiche, Esche und Ahorn mit den Auswirkungen der aufeinanderfolgenden heißen Dürrejahre 2018/19. Sie stellten fest, dass die gesunden Bäume das Wasserdefizit einzelner Dürrejahre zwar teilweise ausgleichen konnten, nicht jedoch das zweier aufeinanderfolgender. Der wahrscheinliche Grund: Die Stärkereserven der Bäume gingen zur Neige und immer mehr Wasserleitungsbahnen wurden geschädigt.
„Man könnte meinen, dass Auwälder bei Dürreereignissen im Vergleich zu naturgemäß trockeneren Standortorten besser aufgestellt sind. Das reichte aber nicht. Bereits zwei trockene Jahre in Folge führten zu starkem Trockenstress“, sagt Erstautor Florian Schnabel, Wissenschaftler bei iDiv und Uni Leipzig. „Wenn also solche Extremereignisse zukünftig häufiger auftreten werden, kommen wir auch in verhältnismäßig wasserreichen Wäldern näher an die Belastungsgrenze.”
Das Jahr 2018 löste bei Eiche und Ahorn zunächst noch keine außergewöhnlichen Stressreaktionen und Wachstumsrückgänge aus. Im Jahr 2019 zeigten dann jedoch alle untersuchten Baumarten noch nicht dagewesene Stressreaktionen. Alle Baumarten reagierten im zweiten Extremjahr 2019 stärker als in früheren Dürrejahren – eine Folge der angesammelten nachhaltigen Schäden durch den Trockenstress.
Die Forschenden maßen den Stresslevel der Bäume anhand des Wachstums ihrer Jahresringe und der Zusammensetzung des Kohlenstoffs in den Jahresringen, des sogenannten Isotopenverhältnisses. Dabei verglichen sie die Werte klimatisch normaler mit denen extremer Jahre. Die Jahresringe wurden anhand von Holzbohrkernen untersucht. Die Kerne erlauben es in der Zeit zurück zu gehen und die Reaktion von Bäumen auf Jahre zurückliegende Dürren zu untersuchen.
„Unsere Forschungsarbeit trägt dazu bei, die Reaktionen von Baumarten und Wäldern auf dieses neuartige Klimaphänomen vorherzusagen“, sagt der Senior-Autor der Studie, Prof. Christian Wirth, Forschungsgruppenleiter bei iDiv und Uni Leipzig sowie Fellow am Max-Planck-Institut für Biogeochemie.
„Was wir bereits jetzt sehen können ist beunruhigend: Aufeinanderfolgende heiße Dürreperioden stellen eine neue Bedrohung für Wälder unter dem Klimawandel dar. Auwälder sollten eigentlich gegen Trockenheit gewappnet sein. Dass der Leipziger Auwald so stark reagiert, ist die Folge jahrzehntelanger Drainage und ein Warnsignal. Ohne eine Revitalisierung der Auendynamik mit regelmäßigen Überflutungen und einer Anhebung des Grundwassers, ist der Auwald dem Klimawandel schutzlos ausgeliefert.“