Zusammenspiel von Pilzen und Bakterien für den Viren-Transport im Boden

Visualisierung der Adsorption von Phagen an E. coli-Bakterien. a) Phagen befallen Wirts-Bakterien, in dem sie sich mit den Enden ihrer Schwanzfasern an deren Oberfläche anheften und phagen-eigene Nukleinsäure injizieren. b), c), d) Phagen schmiegen sich zur Nutzung der "Mitfahrgelegenheit" auf den Bakterien flach an, ohne in sie einzudringen, und bleiben dabei infektiös. Die Aufnahmen wurden mit einem Helium-Ionen-Mikroskop der UFZ-Forschungsplattform ProVIS gemacht. Foto: UFZ / ISME Journal / CC BY 4.0

In einem Gramm Boden kommen bis zu einer Milliarde Viren vor. Welchen Einfluss sie auf den Nährstoff- und Kohlenstoffkreislauf im Ökosystem Boden haben, ist jedoch bislang wenig bekannt. Böden sind mitunter unwirtliche Orte. Trockene Zonen und luftgefüllte Bodenporen stellen für Bakterien und Viren schier unüberwindbare Hindernisse dar. Um sich fortzubewegen, etwa um an einen Ort mit besseren Bedingungen zu gelangen, benötigen sie Wasser.

Doch ganz ausweglos ist die Situation nicht. Denn es gibt im Boden eine hervorragend ausgebaute Infrastruktur: das Pilzgeflecht. Pilze sind stets auf der Suche nach Wasser und Nährstoffen. Dafür bilden sie lange dünne Fäden, sogenannte Hyphen aus, die das Erdreich als weit verzweigtes Geflecht durchziehen. So können Pilze trockene und nährstoffarme Zonen überbrücken.

In einer früheren Studie konnten UFZ-Forscher bereits zeigen, dass Bodenbakterien die schleimüberzogenen Pilzhyphen nutzen, um sich auf ihnen fortzubewegen und so zu neuen Nahrungsquellen zu gelangen. In ihrer aktuellen Studie hat das Forschungsteam um den Umweltmikrobiologen Dr. Lukas Y. Wick nun einen weiteren Nutznießer des unterirdischen Pilzgeflechts ausmachen können. „Phagen sind ebenfalls auf dieser Pilzautobahn unterwegs“, sagt Wick. „Allerdings nicht selbstständig, sondern per Anhalter – sie nutzen Bakterien als Mitfahrgelegenheit. Durch physikalische Kräfte haften die Viren an der Oberfläche der Bakterien, ähnlich wie Muscheln an einem Schiffsrumpf.“ So fahren sie quasi per Anhalter durch den Boden – bis sie an einem für sie besseren Ort angelangt sind.

Doch was ist ein guter Ort für bodenbewohnende Phagen? „Dort, wo die Wirtsbakterien der Phagen vorkommen“, sagt Wick. „Doch nicht jeder Phage kann jedes Bakterium befallen“, erklärt er. „Mit einer Art Schlüssel-Schloss-Prinzip können Phagen ihr Erbgut nur in ihre jeweiligen Wirtsbakterien einschleusen.“ Gelingt dies, wird das Bakterium so umprogrammiert, dass es neue Phagen produziert. Anschließend wird die Bakterienzelle zum Platzen gebracht, so dass die Phagen der nächsten Generation freigesetzt werden, die dann wieder neue Wirtsbakterien befallen können. „Die Phagen sind dabei hocheffizient, was offensichtlich auch den Shuttle-Bakterien einen echten Vorteil verschafft“, sagt Wick. „Wir konnten zeigen, dass sich Bodenbakterien, an denen Phagen hafteten, an ihrem neuen Standort weitaus besser ausbreiten konnten als Bakterien, die ohne Virengepäck unterwegs waren.“

Dass einwandernde Arten angestammten Bewohnern eines Lebensraums Probleme bereiten können, ist aus der Makroökologie gut bekannt. Auch, dass invasive Arten Krankheitserreger mitbringen können, die verstärkt dazu beitragen, einheimische Arten zu verdrängen. Die UFZ-Forschungsgruppe hat daher ihre Daten anhand eines bekannten Modells der Invasionsökologie namens MAFIA (MAecological Framework of Invasive Aliens) interpretiert.

„Mit unserem Pilz-Bakterien-Phagen-System konnten wir im Mikrobereich dieselben Invasionsmuster erkennen wie in der Makroökologie“, sagt Wick. „Und da unser mikrobielles Labormodell schnell und einfach beprobt und modifiziert werden kann, könnte es künftig als Modellsystem zur Beantwortung verschiedener Fragestellungen und Hypothesen der Invasionsökologie – etwa dem Transport von Schädlingen oder Krankheitserregern – genutzt werden.“

Für ihre Untersuchungen stellte das Forschungsteam einen Mikrofeldzug von Bakterien und Phagen im Labor nach. Dafür dienten zwei Zonen mit Nährmedium, die nur über Pilzhyphen miteinander verbunden waren. „In Zone A setzten wir typische Bodenbakterien als Shuttle sowie Phagen ein, die dieser Bakterienart nichts anhaben können“, erklärt Xin You, Erstautor der Studie und Doktorand am UFZ-Department Umweltmikrobiologie. „Die Zone B dagegen war mit einem phagen-spezifischen Wirtsbakterium besiedelt.“

In unterschiedlichen Versuchsansätzen ließ das Forschungsteam die Shuttle-Bakterien mit und ohne Virengepäck ihre Wanderschaft über die Pilzhyphen-Autobahn antreten. „Das Ergebnis war deutlich: Das Bakterien-Phagen-Duo war bei der Invasion der Zone B ganz klar im Vorteil“, sagt You. „Die Shuttle-Bakterien profitierten bei ihrem Feldzug von der Schlagkraft der Phagen, die ihre Wirtsbakterien effektiv außer Gefecht setzten und so auch gleichzeitig die Nahrungskonkurrenz für die einwandernden Bakterien ausschalteten.“

„Mit unserer Studie konnten wir erstmalig zeigen, dass Viren auch in wasserungesättigten Ökosystemen wie dem Boden transportiert werden“, sagt Wick. „Phagen haben dort vermutlich großen Einfluss auf den Nährstoff- und Kohlenstoffkreislauf.“ Der Boden ist aber auch zentral für das Pflanzenwachstum, den Schadstoffabbau oder die Bereitstellung von Trinkwasser. „Dass der Phagen-Transport hier offensichtlich eine bedeutende Rolle spielt, kann für künftige ökologische Fragestellungen oder auch biotechnologische Anwendungen relevant sein“, sagt Wick.