Dass Klärschlamm aus städtischen Anlagen einen hohen Anteil an Mikroplastik enthält, konnte schon in früheren Studien gezeigt werden. Der Verdacht lag nahe, dass die Nutzung solcher Schlämme zur Düngung von Feldern auch den unkontrollierten Eintrag von Mikroplastik in die weitere Umwelt fördern könnte. Nun bestätigen Studien im Rahmen des BMBF-Projektes MicroCatch_Balt diese Annahme.
Als Mikroplastik werden Kunststoff-Partikel bezeichnet, die kleiner als 5 mm sind. Mittlerweile findet die Wissenschaft sie überall auf der Welt, auch an solch abgeschiedenen Orten wie Arktis und Antarktis. Im Vergleich zu dieser Omnipräsenz ist der Kenntnisstand zu den Quellen dieser Belastung gering. Aber nur, wenn die Quellen bekannt sind, kann effizient gegen den Eintrag von MP in der Umwelt vorgegangen werden. In den letzten Jahren wurden daher überall auf der Welt Forschungsanstrengungen unternommen, um die Wissenslücken zu schließen.
Als eine mögliche Quelle stehen seit geraumer Zeit Klärschlämme im Visier. Sie enthalten häufig große Mengen an Mikroplastik und werden in einigen Ländern als Dünger in der Landwirtschaft genutzt. Umweltforscher vom Leibniz-Institut für Ostseeforschung Warnemünde (IOW), dem Johann Heinrich von Thünen-Institut, Bundesforschungsinstitut für Ländliche Räume, Wald und Fischerei in Braunschweig sowie dem Leibniz-Institut für Polymerforschung Dresden untersuchten an einem Testfeld der Landwirtschaftlichen Untersuchungs- und Forschungsanstalt Speyer, das seit den 1980er Jahren regelmäßig mit Klärschlamm gedüngt wurde, wie die MP-Belastung im Pflug-Bereich, in dem darunterliegenden Boden und im benachbarten, unbehandelten Feld aussah.
„Auf dem Testfeld fanden wir erwartungsgemäß relativ viele Mikroplastik-Partikel. Aber auf dem unbehandelten Acker in der Nachbarschaft wurden wir ebenfalls fündig. Die Menge entsprach 44 % dessen, was wir im Oberflächenbereich des Testfeldes gefunden haben“, berichtet Alexander Tagg. Dieser Befund alleine hätte für den Nachweis einer Verbindung noch nicht gereicht. „Das Polymer-Spektrum des Mikroplastiks zeigt aber an beiden Orten ein fast identisches Profil. Unserer Meinung nach lässt sich das nur mit dem Transport aus dem Testfeld erklären.“
Darüber hinaus wurde in dem mit Klärschlamm behandelten Boden des Testfeldes Mikroplastik bis in einer Tiefe von 60-90 cm nachgewiesen, was darauf hindeutet, dass MP auch tief genug eindringen kann, um landwirtschaftliche Entwässerungssysteme zu erreichen. Allerdings waren die MP-Mengen in der Tiefe nur sehr gering (1,6 % der Oberflächenbelastung) und die kontrollierte langjährige und intensive Behandlung des untersuchten Testfeldes mit Klärschlamm lag weit über dem, was im Rahmen der Klärschlammverordnung in der Landwirtschaft zulässig ist.
„Es sind nicht die aktuellen Mengen an Mikroplastik, die uns Sorgen machen, sondern der Umstand, dass diese Kunststoffe immer wieder in die Umwelt gelangen und dort persistent sind. Sie werden nicht mehr verschwinden und sich immer weiter anreichern, wenn wir die Quellen nicht schließen“, kommentiert Matthias Labrenz, Leiter des BMBF geförderten Projektes MicroCatch_Balt (Untersuchung der Mikroplastik-Senken und -Quellen von einem typischen Einzugsgebiet bis in die offene Ostsee) die Werte.
Und er kommt zu dem Schluss: „Die Ausbringung von kommunalem Klärschlamm auf landwirtschaftlichen Flächen kann zu weiteren unkontrollierten Verunreinigungen führen.“ Klärschlamm ist jedoch nur eine von vielen Quellen von Mikroplastik. Um seine Bedeutung im Vergleich mit anderen bekannten Einträgen, z.B. durch Reifenabrieb oder Ablagerung von Staub aus der Luft einordnen zu können, ist weitere Forschung dringend notwendig.