Steuerung der Produktivität der Ozeane

Phytoplankton unter dem Mikroskop. Foto: Annegret Stuhr, GEOMAR

Mit Hilfe von Satellitenbeobachtungen des Lichts, das mikroskopisch kleine Meerespflanzen durch natürliche Fluoreszenz freisetzen, will das Projekt „Ocean Glow“ besser verstehen, was die marine Primärproduktivität steuert. Außerdem soll die globale Überwachung und Modellierung ihrer klimabedingten Veränderungen verbessert werden. Für diese innovative Forschungsidee erhält Dr. Thomas Browning, Meeresbiologe und Chemiker am GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel, einen der begehrten Starting Grants des Europäischen Forschungsrats (ERC).

Die kleinsten Organismen im Ozean bilden die Grundlage für alles Leben im Meer: Einzellige Meerespflanzen, das Phytoplankton, produzieren organische Stoffe. Sie versorgen das gesamte marine Nahrungsnetz, von dem letztlich auch der Mensch abhängt. Die immense Fülle kann sogar vom Weltraum aus betrachtet und kartiert werden. Doch so deutlich sichtbar die Ausbreitung des Phytoplanktons auch ist – es ist noch immer unklar, welche Faktoren das Wachstum regulieren und wie diese durch Klimaveränderungen beeinflusst werden.

Dr. Thomas Browning, Meeresbiologe und Chemiker am GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel (Deutschland), will mit Unterstützung eines Starting Grant des Europäischen Forschungsrats (European Research Council, ERC) in Höhe von 1,5 Millionen Euro einen neuen Ansatz entwickeln, um anhand von Satellitenbeobachtungen zu ermitteln, welche Nährstoffe das Phytoplankton-Wachstum begrenzen.

Die globale Verteilung der mikroskopisch kleinen Pflanzen, des Phytoplanktons, kann vom Weltraum aus über Satellitenbilder betrachtet werden. Abbildung: Thomas Browning, GEOMAR

„Von den Modellen, die derzeit zur Vorhersage zukünftiger Auswirkungen des Klimawandels auf die Produktivität des Phytoplanktons verwendet werden, zeigen einige eine Zunahme und andere eine Abnahme“, erklärt Dr. Browning. „Solange diese Uneinigkeit existiert, lässt sich schwer abschätzen, wie sich lebenserhaltende Funktionen des Ozeans wie die Nahrungsversorgung oder die Klimaregulierung in Zukunft entwickeln werden.“

Ergebnisse aus der Feldforschung zeigen, dass die Produktivität der Ozeane stark von der Verfügbarkeit von Nährstoffen abhängt, insbesondere von Stickstoff und Eisen. Um die Begrenzung des Phytoplanktons durch die Nährstoff-Verfügbarkeit zu erfassen, waren bisher Messungen auf Forschungsreisen auf See nötig.

Dadurch waren die Einblicke auf einzelne Zeitpunkte und sehr kleine Teile des Ozeans beschränkt. Brownings Projekt „Ocean Glow“ zielt darauf ab, einen Ansatz zu entwickeln, um diese Beobachtungen mit Hilfe des vom Phytoplankton ausgestrahlten natürlichen Fluoreszenzlichts auf globale Maßstäbe zu übertragen.

„Die Fluoreszenzsignale könnten uns verraten, welche Nährstoffe das Wachstum des Phytoplanktons regulieren. Aber derzeit sind sie dafür noch nicht gut genug verstanden. Letztendlich könnte es möglich sein, mit Hilfe von Satellitenbeobachtungen der Fluoreszenz eine globale Überwachung durchzuführen, um die Auswirkungen des Klimawandels zu beobachten und die Genauigkeit von Klimamodellen zu bewerten“, sagt Dr. Browning. „Dank der ERC-Finanzierung und aufbauend auf früheren Arbeiten am GEOMAR hoffen wir, buchstäblich neues Licht auf entscheidende Fragen im Zusammenhang mit den Auswirkungen des Klimawandels auf den Ozean werfen zu können.“

Das vom ERC finanzierte Projekt hat eine Laufzeit von fünf Jahren, beginnend Mitte 2022, und umfasst drei neue Stellen für Postdoktoranden. Am GEOMAR wird eine neuartige Anlage für genau kontrollierte Experimente entwickelt, um die Fluoreszenz von vier weltweit relevanten Phytoplankton-Arten unter verschiedenen Nährstoffbedingungen zu testen. Die Messungen aus dem Labor werden dann auf Forschungsexpeditionen mit Daten aus komplexeren Planktongemeinschaften verglichen. In einem letzten Schritt werden die neuen Informationen in Modelle integriert und vorhandene Satellitendaten analysiert, um die Verteilung, Saisonalität und Veränderungen der Nährstoffbegrenzung zu untersuchen.

„Wenn es uns wirklich gelingt, die Nährstoffbegrenzung anhand der von Satelliten erfassten Fluoreszenz zu entschlüsseln, wird ‚Ocean Glow‘ in dreifacher Hinsicht erfolgreich sein“, betont Dr. Browning. „Erstens wird das Projekt dazu beitragen, bestehende Erdsystemmodelle realistischer zu machen. Zweitens können die Satellitendaten der vergangenen 20 Jahre neu analysiert werden, um zu dokumentieren, wie der Klimawandel die Produktivität der Ozeane bisher beeinflusst hat. Und drittens werden wir beurteilen können, wie weit verbreitet die verschiedenen Nährstoffbeschränkungen im Ozean bereits sind. Dies wird ein Schlüssel zum Verständnis der künftigen Auswirkungen des Klimawandels auf den Ozean und seine verschiedenen Funktionen für die Menschheit sein.“