Internationale Waldexperten analysierten auffällige Ereignisse von Baum- und Waldsterben, die in den letzten Jahrzehnten klimabedingt auf der Erde auftraten. Überraschenderweise waren vermehrt solche Wälder betroffen, die nach wissenschaftlicher Kenntnis nicht als bedroht angesehen wurden. Die Studie unter Leitung des MPI-BGC, veröffentlicht in Annual Reviews in Plant Biology, verdeutlicht zudem, dass weiteres Baum- und Waldsterben wahrscheinlich ist. Die Forscher zeigen auf, wie verbesserte Datenstrukturen zur Ursachenforschung und Früherkennung beitragen können.
Der Klimawandel äußert sich neben der Temperaturerhöhung auch dadurch, dass außergewöhnliche Wetterereignisse häufiger und extremer werden. So auch die Dürren der Sommer 2018 und 2019, die dem Wald in Deutschland zu schaffen machten. Doch solche Extremereignisse und deren Auswirkungen sind keine neuen, auf Mitteleuropa begrenzten Erscheinungen. Dies zeigen Daten über klimabedingtes Baumsterben und großflächige Waldschäden, die fast 50 Jahre zurückreichen und überall auf der Erde vorkamen.
In einer in Annual Reviews in Plant Biology publizierten Studie hat Dr. Henrik Hartmann, Gruppenleiter am Max-Planck-Institut für Biogeochemie in Jena, mit internationalen Kolleg*innen Ereignisse des Waldsterbens näher unter die Lupe genommen, die während der letzten 20 Jahre weltweit verstreut aufgetreten waren. Dabei flossen auch die Erfahrungen der vor Ort ansässigen Waldexpert*innen in ihre Untersuchung mit ein.
„Am meisten beunruhigt uns, dass verstärkt Wälder betroffen waren, die eigentlich gar nicht als gefährdet galten“, sagt Hartmann. Dies zeigen genauer untersuchte Beispiele aus dem Amazonas, aus Costa Rica und den USA, aber auch aus Spanien, Australien und Deutschland. „All diese Waldökosysteme befanden sich entweder in Regionen, in denen Klimaextreme bisher als eher unwahrscheinlich galten“ erläutert Hartmann „oder es waren Ökosysteme und Baumarten betroffen, die man als tolerant gegenüber extremer Trockenheit und Dürre eingeschätzt hatte“.
Untersucht wurde auch das flächige Absterben der heimischen Waldkiefer, auch Föhre genannt. Im Studiengebiet in Thüringen, aber auch deutschlandweit hat diese Baumart stark unter den Dürren 2018 und 2019 gelitten. Ihre Absterberaten schnellten daher in den letzten Jahren in die Höhe. Dabei war die Kiefer mit ihren tiefreichenden Wurzeln bislang dafür bekannt, Wassermangel gut zu überstehen.
Sie kann aus tieferen Bodenschichten Wasser ziehen und zumindest kurz- und mittelfristig einen Wassermangel der oberen Bodenschichten ausgleichen. Die klimatische Entwicklung der letzten Jahrzehnte hat aber vor allem in Ost- und Norddeutschland zu einem Austrocknen auch in tiefen Bodenschichten geführt. „Damit geht diese Überlebensstrategie der Kiefer nicht mehr auf, sie leidet unter Dürrestress und wird damit auch anfällig gegenüber Insektenbefall, der ihr den Gnadenstoß versetzen kann“ erläutert Hartmann weiter.
Weiter wurde erforscht, wie solche Baumsterben als Auswirkungen des extremen Klimas frühzeitig durch Fernerkundung erkannt werden können und ob diese mit Hilfe von Vegetationsmodellen auch vorhersehbar sind. Die Resultate sind eher ernüchternd. So können Satelliten zwar Veränderungen des Kronendaches erkennen, das wahre Ausmaß der Waldschäden mit hohen Anteilen an Totbäumen wird allerdings nicht erfasst. Vegetationsmodelle tun sich schon immer schwer mit Vorhersagen von Baumsterben. Dass aber solch markante Beispiele bestenfalls ansatzweise durch modernste Modelle reproduzierbar sind, verdeutlicht die Tragweite der Studie.
„Wir befinden uns in einer Situation, in der das aktuelle Wissen der Experten an Grenzen stößt, da die jüngsten, aber auch die in der Zukunft zu erwartenden klimatischen Ereignisse beispiellos sind. Wir können somit die Reaktionen der Wälder nicht einschätzen“, sagt Dr. Ana Bastos, Mitautorin der Studie und ebenfalls Gruppenleiterin am Max-Planck-Institut für Biogeochemie. „Es fehlen uns immer noch geeignete Werkzeuge für eine schnelle Erkennung von Waldschäden, für die Ursachenforschung und Vorhersagen.“
Dabei könnten aus der Kombination bereits bestehender Datensätze mechanistische Ursachen des Absterbens erkannt und Vegetationsmodelle damit deutlich verbessert werden. Prinzipiell geeignete Datensätze sind z.B. Waldinventuren oder anderen Monitoring-Aktivitäten, deren Erhebung aber zeitlich und räumlich verbessert werden sollte. Momentan wird das Baumsterben und dessen mögliche Ursachen oft gar nicht erfasst, die Intervalle zwischen den Datenerhebungen sind oft zu lang und die örtliche Parzellendichte zu gering.
Eine mögliche Schnittstelle, um diese Datenlücken zu schließen, ist die Fernerkundung. „Aber auch hier ist die örtliche Auflösung oft zu gering, um das Absterben von Einzelbäumen zu erkennen“, ergänzt Bastos. Dabei könnte der Abgleich zwischen Standortbedingungen und Artenverhalten während Klimaextremen maßgeblich dazu beitragen, das Absterben besser zu verstehen. Bis dahin ist es aber noch ein langer Weg. „Ein vereinfachter und offener Datenzugang und eine international koordinierte Verbesserung der Waldzustandserfassungen sind hierbei Schlüsselelemente“, so Hartmann, „und in der heutigen Zeit eigentlich technisch leicht realisierbare Ziele.“ Doch administrative und legislative Hürden stehen dem oft entgegen.
So resümiert abschließend Prof. Craig Allen aus New Mexico, USA, Senior-Autor der Studie und Gründervater der globalen Erfassung des Waldsterbens, dass plötzliches und unerwartetes Absterben von Bäumen wahrscheinlich weiterhin auftreten werde, „demnächst ganz in ihrer Nähe“.