Der Forscher Julian Hunt vom International Institute for Applied Systems Analysis (IIASA), mit Sitz im Österreichischen Laxenburg, hat gemeinsam mit einem internationales Forscherteam, eine innovative Wasserkrafttechnologie auf der Grundlage von Elektro-LKWs entwickelt, die eine flexible und saubere Lösung für die Stromerzeugung in Bergregionen darstellen könnte.
Bei unserem Übergang zu einer nachhaltigeren Zukunft wird die Wasserkraft als erneuerbare Energiequelle an Bedeutung, so viele Fachleute, gewinnen. Trotz ihres Potenzials ist die Innovation in der Wasserkrafttechnologie im letzten Jahrhundert nur langsam vorangekommen.
Dabei sieht Hunt gerade in über ein großes Potenzial an Wasserkraft, das bisher mit herkömmlichen Technologien nicht effektiv genutzt werden kann. Die heute verwendeten konventionellen Methoden beruhen auf zwei miteinander verbundenen Stauseen mit unterschiedlichen Wasserständen, in denen die potenzielle Energie des Wassers in Strom umgewandelt wird.
In steilen Gebirgsregionen ist das Potenzial für die Stromerzeugung aus einem kleinen Wasserstrom hoch, doch bleibt das Wasserkraftpotenzial dieser Regionen ungenutzt, da es Speicherbecken erfordert, die ökologische und soziale Auswirkungen haben. Hunt und seine Kollegen haben nun eine neue Technologie namens Electric Truck Hydropower entwickelt, die zu einer Schlüsselmethode für die Stromerzeugung in steilen Bergregionen werden könnte.
Electric Truck Hydropower würde die bestehende Straßeninfrastruktur nutzen, um Wasser in Containern den Berg hinunter zu transportieren. Dabei würden die regenerativen Bremsen des Elektro-LKWs eingesetzt, um die potenzielle Energie des Wassers in Strom umzuwandeln und die Batterie des LKWs aufzuladen. Die erzeugte Energie könnte dann ins Stromnetz eingespeist oder vom Lkw selbst für den Transport anderer Güter verwendet werden. Electric Truck Hydropower könnte auch in Kombination mit Solar- und Windkraftanlagen Strom erzeugen oder als Energiespeicher für das Stromnetz dienen.
„Die ideale Systemkonfiguration findet sich in Bergregionen mit steilen Straßen, wo dieselben Elektro-Lkw zur Erzeugung von Strom aus Wasserkraft an verschiedenen Standorten eingesetzt werden können. Das erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass Wasser zur Verfügung steht“, sagt Hunt. Die vorgeschlagene Technologie ist eine innovative, saubere Stromquelle, die mit Solar-, Wind- und konventioneller Wasserkraft konkurrenzfähig ist. Kostenschätzungen zeigen, dass die Stromgestehungskosten von Electric Truck Hydropower zwischen 30 und 100 US-Dollar pro MWh liegen, was deutlich billiger ist als konventionelle Wasserkraft mit 50 bis 200 US-Dollar pro MWh.
Auch die Umweltauswirkungen von Electric Truck Hydropower sind deutlich geringer als die von konventioneller Wasserkraft. „Für diese Technologie sind keine Dämme, Stauseen oder Tunnel erforderlich, und sie stört den natürlichen Flusslauf und die Fischpassage nicht. Das System erfordert lediglich Straßen, die bereits vorhanden sind, Lade- und Entladestationen, die kleinen Parkplätzen ähneln, eine an das Stromnetz angeschlossene Batterieanlage und die Lastwagen“, erklärt Hunt.
Mit Blick auf die globale Reichweite dieser Technologie schätzt das Forschungsteam, dass Electric Truck Hydropower 1,2 PWh Strom pro Jahr erzeugen könnte, was etwa 4 Prozent des weltweiten Energieverbrauchs im Jahr 2019 entspricht. Die Technologie könnte das bisher ungenutzte Potenzial für Wasserkraft in steilen Gebirgsregionen nutzen. Die Regionen mit dem größten Potenzial sind der Himalaya und die Anden.
„Sie ist aufgrund ihrer hohen Flexibilität eine interessante Alternative zur Stromerzeugung. Befindet sich ein Land beispielsweise in einer Energiekrise, kann es mehrere elektrische Lastwagen kaufen, um Strom aus Wasserkraft zu erzeugen. Wenn die Krise vorbei ist, können die Lkw für den Transport von Gütern genutzt werden“, so Hunt abschließend.