Der Klimawandel führt zur Reduktion des „nutzbaren Windes“

Frank Flottemesch Foto: Privat

Frank Flottemesch ist ein erfahrener Experte und Manager mit Erfahrung im Bereich Erneuerbare Energien und Umwelt. Er hat Kenntnisse im Bereich Windturbinentechnologie, Projekt(e)bewertung, Betriebsmanagement, Energieertragsbewertung, analytische Fähigkeiten und Machbarkeitsstudien. Flottemesch ist Gründer von AER – Associated Experts for Renewables.


Wir stecken mitten im Klimawandel. Die Rufe nach mehr erneuerbaren Energiequellen werden immer lauter. Aber sind die Erneuerbaren nicht auch vom Klimawandel betroffen?

Ja, aber wohl nur in eher geringem Maße: Der Klimawandel äußert sich ja bekanntermaßen vornehmlich durch die Zunahme der Temperaturen. Daraus resultierend allerdings auch Veränderungen im Luftdruck, die wiederum das Windangebot, bei gleichzeitiger Abnahme der Luftdichte, verändern. Eine Erhöhung der Sonnenscheindauer beflügelt dabei den Temperaturanstieg. Darüber hinausgehende Effekte und Regionalitäten blenden wir hier einmal aus. Da Sonne und Wind die wesentlichen Motoren der Energiewende sein sollen, ist es interessant zu betrachten, ob und wie sich die genannten Veränderungen hier auswirken.

Gehört zu den Veränderungen, dass wir zukünftig weniger Wind haben? Schon heute ziehen ja Tief- und Hochdruckgebiete viel langsam ab.

Unstrittig ist, dass vermehrte Stürme und Flauten zu einer Reduktion des „nutzbaren Windes“ führen werden und bei gleichzeitig geringerer Luftdichte der Energiegehalt dieser Ressource in Zukunft geringer ausfällt. Längere Sonnenscheindauer hingegen kann zur Erhöhung der Ausbeute bei Solar-PV-Anlagen führen, allerdings nur dann, wenn die höheren Umgebungstemperaturen nicht zu häufigen Betriebstemperaturen oberhalb des Optimums führen. Da diese klimatischen Veränderungen allerdings in für die betroffenen Technologien geringen Maßen ablaufen und daher wohl leicht durch technologische Entwicklungen überkompensiert werden können, sind die erneuerbare Energiequellen nach wie vor das Mittel der Wahl im Kampf gegen den Klimawandel. Auf keinen Fall aber ein Opfer dessen.

Mittel der Wahl sicherlich, aber die Konzeption von Solar- und Windenergie kommen aus einer Zeit, in der der Klimawandel noch lange nicht so spürbar war wie heute. Sind jetzt Adaptionen bei diesen Technologien notwendig?

Im Großen und Ganzen, nein. Solarpanele werden durch den technischen Fortschritt stets angepasst, so hatte ein handelsübliches Panel vor nur eineinhalb bis 2 Jahren eine tatsächliche Leistungsfähigkeit von ca. 280 – 300 kWp, heutzutage sind diese Werte bereits um ca. 100 kWp, also gut 25% höher, bei Wirkungsgraden um 20 – 23%. Aktuelle Forschungen beim Fraunhofer oder KIT zeigen, dass Dünnfilmzellen sogar Wirkungsgrade von 60% erreichen. Derartige Panele haben allerdings ihre Marktreife noch nicht erreicht, was sicherlich in 3 -4 Jahren zu erwarten sein dürfte. Ebenfalls sind Speicher im Solarstrombereich heute schon weit verbreitet, wenn auch momentan wirtschaftlich in den allermeisten Fällen noch unrentabel.

Wie steht es um die Windenergie?

Die Windenergie sieht schon seit mindestens 10 Jahren einen „Wettlauf“ um die größte und leistungsstärkste Anlage, hier greifen also Markeffekte, die zur kontinuierlichen Weiterentwicklung führen. Dabei werden natürlich auch neue Märkte erschlossen, auf deren Windbedingungen diese neuen Wind-Energie-Anlagen (WEA) abgestellt werden. So sind spezielle Modelle für Schwach-, Mittel- und Starkwindstandorte heute schon verfügbar – und über die Kombination derartiger WEA-Auslegungen, können auch exotischere Projekt bedient werden.

Lange konnte die hinter den erneuerbaren steckenden Steuerungstechnologie nicht so richtig mithalten. Hat sich das geändert?

Ja, die Steuerungen werden , sowohl für Solar- als auch für die Windenergie: Wo „früher“ noch eine Konsumenten-Verhaltensänderung notwendig war, um hohe Eigenversorgungsgrade zu erzielen, stehen heute, in Kombination mit den genannten Speichern, intelligente („smarte“) IT-Lösungen parat, die Nutzung aud Ausbaute optimieren. In größerem, industriellem Maßstab, und das beinhaltet dann auch die Windenergie, gilt sicherlich eine internationale Vernetzung als die vielversprechendste Lösung: Überschüssiger Grünstrom wird in skandinavischen (in kleinem Maße auch heimischen) Wasserkraftwerken „gespeichert“ und bei Bedarf abgerufen; Solarenergie wird in Regionen mit hohen solaren Einstrahlungen erzeugt und über Leitungen oder als gespeicherte Energie (Druckluftspeicher, Wasserstoff (power to gas), etc.) abgerufen. Eine nationale Komplettversorgung mit grüner Energie hingegen, sehe ich in absehbarer Zeit, also in Zeiträumen, in denen wir klimaschützend tätig werden müssen, als eher als unrealistisch an.

Gibt es vielleicht dennoch einen Hoffnungsschimmer? Vielleicht durch neue Entwicklungen oder durch ein kluge Kombination von Technologie?

Für unsere heimische Situation ist das sicherlich ein kluges Zusammenspiel von Politik und technische Innovationen, die gemeinsam einen Massenmarkt generieren können, auf dem sich leistungsstarke und wirtschaftlich interessante Produkte bewegen – Solar, Wind, Speicherung, Wasserstoff, Mobilität, Lebensstile, das alles geht Hand in Hand. Derartige Produkte und Services sind dann nicht nur für den heimischen Markt sondern für eine weltweite Technologieführerschaft – wir erinnern uns was in der Windenergie der 1990er und frühen 2000er Jahre möglich war. Plakative gesagt, wir wissen wie es geht, wir müssen nur tun was wir wissen!