Ein wissenschaftliches Team der TU Dresden forscht für europäisches Projekt Dendromass4Europe für mehr Bioökonomie: Im Forschungsprojekt Dendromass4Europe (D4EU) kümmert sich ein Team aus mittlerweile zehn Partnern und acht Ländern unter der Leitung von Prof. Norbert Weber von der TU Dresden darum, dass die neue Gartensaison ohne Müllberge aus Plastiktöpfchen starten kann. Seit kurzem gehören zum D4EU-Konsortium daher zwei neue Partnerunternehmen, die noch mehr innovative Produkte auf der Basis von Pappelholz und -rinde (Dendromasse) zu entwickeln.
Ein Unternehmen kommt aus Polenz bei Neustadt in Sachsen – der Verpackungshersteller Pulp-Tec Compound GmbH & Co KG. Als zweiter neuer Projektpartner bringt sich das tschechische Unternehmen TerrainEco in das Projekt ein, das sich auf die Herstellung hochwertiger Produkte aus Wood-Plastic-Composites (WPC) spezialisiert hat. Beide neuen Projektpartner sorgen mit ihrer Expertise für noch mehr Nachhaltigkeit bei der Nutzung aller Baumteile der Pappel.
Dendromasse für Möbel und Haushaltsgegenstände
Dendromass4Europe verfolgt das Ziel, fossile Materialien durch innovative bio-basierte Materialien aus landwirtschaftlichen Baumkulturen zu ersetzen. Das Team der TU Dresden um Projektkoordinator Prof. Dr. Norbert Weber, Inhaber der Professur für Forstpolitik und Forstliche Ressourcenökonomie, erforscht dazu seit 2017, wie Pappeln auf sehr schlecht nährstoffversorgten Böden angebaut werden können und welche Produkte aus dem Holz und der Rinde der Pappeln entwickelt werden können.
Auf mittlerweile mehr als 1.300 Hektar wachsen und gedeihen im Nordwesten der Slowakei – in unmittelbarer Nähe zum Werk von IKEA Industry – die schnellwachsenden Bäume. Sie sind der Holzrohstoff, aus dem zukünftig noch leichtere Möbel gebaut werden sollen. Baumteile wie die Rinde, die nicht für die Möbelproduktion verwendet werden, können im Sinne einer nachhaltigen Bioökonomie von anderen Unternehmen zu neuartigen Produkten weiterverarbeitet werden.
Für deren Entwicklung ist zunächst eine Menge Forschungsarbeit notwendig, in die sieben verschiedene Institute der TU Dresden eingebunden sind. Neben Untersuchungen zur Genetik und den Wuchseigenschaften verschiedener Pappelsorten begleitet die TU Dresden das Projekt vor allem mit bodenkundlichen, logistischen, holzchemischen und fasertechnologischen Forschungsbeiträgen.
Umfangreiche Wertschöpfung der Pappel im Sinne der Nachhaltigkeit
Das in Sachsen ansässige Unternehmen Pulp-Tec Compound stellt seit vielen Jahren Faserguss her, ein umweltfreundliches Verpackungsmaterial aus recycelter Pappe oder Papier und weithin bekannt in Form der Eierkartons. Um Faserguss auch als Blumentopf verwenden zu können, muss das Material jedoch trotz Erde und Feuchtigkeit sechs Monate gegen Schimmelpilze resistent sein. Sonst würden sich die Pflanztöpfchen bereits zersetzen, während sie noch im Laden stehen.
Das Forschungsteam aus der Professur für Holztechnologie und Faserstofftechnik (HFT) und dem Institut für Pflanzen- und Holzchemie (IPWC) der TU Dresden fand die dafür notwendigen fungiziden Substanzen in der Pappelrinde. Die unter dem Namen BIOFORM® erhältlichen Produkte der Firma Pulp-Tec Compound sind dank der schimmelpilzhemmenden Eigenschaften der Pappelrinde nun stabil, aber trotzdem vollständig kompostierbar. Wer möchte, kann das neue Gartengrün sogar samt BIOFORM®-Pflanztöpfchen einpflanzen, da es sich nach einigen Monaten in der Natur komplett auflöst. Mit diesen innovativen bio-basierten Materialen leisten Pulp-Tec Compound und das Projektteam einen wichtigen Beitrag gegen die zunehmende Plastikverschmutzung.
TerrainEco hingegen entwickelt ein Verfahren, mit dem Pappelrinde in Holz-Plastik-Verbundwerkstoffen, sogenannten Wood-Plastic-Composites (WPC), verwendet werden kann. WPC erfreut sich derzeit steigender Beliebtheit bei Terrassendielen, Zäunen und Fassadenverkleidungen, da es die positiven Eigenschaften von Holz und Plastik vereint: So schick wie Holz, dabei aber so langlebig und pflegeleicht wie Plastik.
Bisher wurde bei der Herstellung von WPC der wertvolle und damit eher teure Rohstoff Holz verwendet. TerrainEco will im Rahmen des Projekts einen Verbundwerkstoff entwickeln, der sowohl preisgünstiger produziert werden kann als auch eine bessere Ökobilanz aufweist. Pappelrinde, die bisher bestenfalls in der Verbrennung zur Erzeugung von Prozesswärme in Fabriken gelandet ist, scheint hier eine vielversprechende Alternative zu sein.
Bioökonomie: Nachhaltige Rohstoffnutzung und -verarbeitung
Ein wichtiges Anliegen des Forschungsprojekts Dendromass4Europe ist es, alle holzhaltigen Bestandteile der Pappeln zu hochwertigen Produkten zu verarbeiten. Während die Pappelrinde bisher oft ungenutzt blieb oder für die Energieerzeugung verbrannt wurde, möchte das Forschungsteam auch das in der Rinde gebundene Kohlenstoffdioxid langfristig speichern.
Die Kombination mehrerer Wertschöpfungsketten auf der Basis von Pappelholz und Pappelrinde stellt einen echten Beitrag in Richtung einer Bioökonomie dar, die diesen Namen auch verdient. Dafür muss die gesamte Wertschöpfungskette vom Anbau über Ernte, Transport und Verwendung der einzelnen Pappelteile detailliert zwischen den beteiligten Unternehmen IKEA Industry (Slowakei), Pulp-Tec (Polen), TerrainEco (Tschechien) und Pulp-Tec Compound (Deutschland) abgestimmt werden.
IKEA Industry braucht vor allem die dickeren Stammteile der Pappel. Bisher verwendete IKEA Industry vor allem Kieferholz, suchte aber nach einer neuen Holzart, die die Herstellung leichterer und stabilerer Werkstoffplatten für die Möbelproduktion ermöglicht und Wälder als Rohstoffquelle entlastet. Die Pappelteile mit hohem Rindenanteil, wie die oberen Stammabschnitte und Äste werden von TerrainEco zu haltbaren, pflegearmen und recycling-fähigen WPC-Produkten verarbeitet.
Nachhaltigkeit auf dem Prüfstand
Das österreichische Forschungszentrum Wood k plus sorgt mittels umfassender Ökobilanzierung dafür, dass alle im Projekt Dendromass4Europe entwickelten Produkte hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf Umwelt und Gesellschaft wirklich nachhaltig sind. Mit dem Naturmonitoring des Projektpartners Daphne, einem slowakischen Institut für angewandte Ökologie, möchte das Forschungsteam zudem sichergehen, dass auch die Pappelpflanzungen selbst keine negativen Auswirkungen auf die Umwelt haben.
Die bisherigen Ergebnisse hierzu sind jedoch vielversprechend: Die mehrjährigen Baumkulturen werden ohne Agrarchemie bewirtschaftet und dadurch zu einem wertvollen Lebensraum für eine Vielzahl von Artengruppen. Insgesamt konnten die Pappeln die Biodiversität deutlich fördern und langfristig sogar die Bodenqualität verbessern, da sie Giftstoffe aus dem Boden filtern und die heruntergefallenen Pappelblätter eine fruchtbare Humusschicht bilden. Die weitere Verbreitung dieses in der Praxis angekommenen Modells einer nachhaltigeren, bio-basierten Produktion durch Kulturen schnellwachsender Bäume auf Landwirtschaftsflächen ist für die wachsende Unabhängigkeit unserer europäischen Wirtschaft von fossilen Rohstoffen sehr wünschenswert.