Fossile Rohstoffe werden nicht nur zur Energiegewinnung genutzt, sondern auch, um Chemikalien oder pharmazeutische Produkte herzustellen. Solche chemischen Reaktionen laufen jedoch nicht von alleine ab, sondern benötigen Katalysatoren. Besonders effiziente Katalysatoren gibt es in der Natur: Dort sorgen Enzyme zum Beispiel dafür, dass Reaktionen mit Sauerstoff auch bei niedrigen Temperaturen gezielt funktionieren. Wissenschaftlern der Fakultät für Chemie der Universität Bielefeld versuchen, natürliche Katalysatoren zu imitieren.
Für das Enzym Methan-Monooxygenase ist ihnen nun ein wichtiger Schritt gelungen: Sie konnten erstmals in einem synthetisch nachgebauten Molekül ein zentrales Zwischenprodukt untersuchen. Dies wurde in der Katalyse des Enzyms bisher nur theoretisch vorhergesagt, aber noch nicht beobachtet. Die Studie ist im Fachmagazin Nature Communications erschienen. An die Untersuchung wird künftig eine neue Forschungsgruppe anknüpfen, deren Bewilligung jetzt von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) bekanntgegeben wurde.
Die neue Studie entstand in Kooperation mit Forschenden der Bielefelder Fakultät für Physik sowie der Technischen Universität Berlin und des Max-Planck-Instituts für chemische Energiekonversion.
„Das Ziel ist, fossile Rohstoffe effizienter und nachhaltiger nutzen zu können“, sagt Professor Dr. Thorsten Glaser von der Fakultät für Chemie der Universität Bielefeld. Er leitet die Arbeitsgruppe Anorganische Chemie I. Glaser wird Sprecher der neuen DFG-Forschungsgruppe „Bioinspirierte Oxidationskatalyse mit Eisenkomplexen“ (FOR 5215). Die Gruppe beschäftigt sich mit der effizienten Nutzung nicht erneuerbarer Kohlenwasserstoff-Ressourcen.
In der nun erschienenen Studie befassen sich Glaser und seine Kolleg*innen mit der effizienten Nutzung von Methan. Der Stoff ist Hauptbestandteil von Erdgas und wird aktuell vor allem zur Energiegewinnung genutzt, zum Beispiel in Gasheizungen. Dabei reagiert Methan mit Sauerstoff zu Kohlenstoffdioxid und Wasser. „Durch solche Verbrennungsprozesse entsteht Energie, aber die Methanmoleküle werden im Grunde verschwendet. Viel sinnvoller ist es, zur Energiegewinnung auf erneuerbare Ressourcen wie Windkraft und Sonne zurückzugreifen – und Methan sowie andere endliche Rohstoffe zu nutzen, um wichtige Chemikalien oder Pharmazeutika herzustellen“, sagt Glaser.
Denn Methan kann auch auf eine andere Weise mit Sauerstoff reagieren, zum Beispiel zu Methanol oder Formaldehyd. Bei solchen Reaktionen muss der Sauerstoff jedoch an ganz bestimmten Stellen in die chemische Struktur eingefügt werden. Das gelingt nur mit Hilfe von Katalysatoren. Katalysatoren setzen die Aktivierungsenergie von chemischen Reaktionen herab – und sorgen dafür, dass Stoffe auch bei niedrigeren Temperaturen miteinander reagieren oder überhaupt eine Reaktion stattfindet. „Für die Herstellung von Chemikalien ist es daher wichtig, Katalysatoren zu entwickeln, die ausgewählte und effiziente Reaktionen mit Sauerstoff ermöglichen“, sagt Glaser.
Katalysatoren aus der Natur nachahmen
Dazu schauen sich Glaser und sein Team Vorgänge in der Natur genauer an. „Enzyme sind hervorragende Katalysatoren, die bei normalen Temperatur- und Druckbedingungen gezielte Reaktionen hervorrufen können“, so Glaser. Dazu zählt die Methan-Monooxygenase: In speziellen Bakterien treibt dieses Enzym die Reaktion von Methan und Sauerstoff zu Methanol an. „Wir versuchen, die Methan-Monooxygenase synthetisch nachzuahmen“, sagt Glaser.
Die Methan-Monooxygenase besitzt zwei Eisenzentren. Daran bindet der Sauerstoff und wird aktiviert. So entsteht schließlich ein Zwischenprodukt, das mit Methan zu Methanol reagiert, während die Eisenzentren in ihren ursprünglichen Zustand zurückgelangen und der Zyklus von vorne beginnt. „Wir konnten für unsere Studie in Nature Communications nun erstmals dieses Hydroperoxo-Zwischenprodukt nachweisen“, sagt Dr. Stephan Walleck, der in der Arbeitsgruppe Anorganische Chemie I forscht und Erstautor der Studie ist.
Die Wissenschaftler hatten schon vorher ein spezielles Ligandensystem entwickelt: ein komplexes organisches Molekül, das zwei Eisenionen binden kann und deren Eigenschaften sich zudem präzise einstellen lassen. „Mit diesem System sind wir zwar noch nicht in der Lage, Methan zu Methanol katalytisch zu oxidieren, aber wir können schon Methan-ähnliche Kohlenwasserstoffe verarbeiten. Nun haben wir die Stellschrauben des Systems so angepasst, dass der Katalysezyklus angehalten werden kann – und mit diesem Trick das theoretisch vorhergesagte Zwischenprodukt auch tatsächlich beobachtet“, sagt Walleck. „Das ist vorher noch nie gelungen, weder im Enzym, noch in den nachgebauten Molekülen.“
Beobachtung mit spektroskopischen Methoden
Um das Hydroperoxo-Zwischenprodukt genauer zu beobachten, haben die Wissenschaftler*innen unterschiedliche Methoden verwendet – zum Beispiel Resonanz-Raman-Spektroskopie, bei der eine Probe mit Laserlicht bestrahlt und die reflektierte Strahlung gemessen wird. Dafür haben Glaser und seine Kolleg*innen eng mit Forschenden der Arbeitsgruppe Biomolekulare Photonik an der Fakultät für Physik zusammengearbeitet. „Diese Kooperation war wichtig für den Nachweis des Zwischenprodukts“, so Glaser. Professor Dr. Thomas Huser, der die Arbeitsgruppe an der Fakultät für Physik leitet, ergänzt: „Es war uns eine Freude, unsere Kolleg*innen in der Chemie mit Hilfe der Resonanz-Raman-Spektroskopie zu unterstützen. Dies ist ein wirklich gelungenes Beispiel der Zusammenarbeit zwischen der Fakultät für Chemie und der Fakultät für Physik.“
Zudem haben die Bielefelder Forschenden für ihre Studie mit Professor Dr. Peter Hildebrandt von der Technischen Universität Berlin kooperiert, sowie mit Dr. Eckhard Bill vom Max-Planck-Institut für chemische Energiekonversion in Mülheim an der Ruhr. Neben der Resonanz-Raman-Spektroskopie kamen Analyseverfahren wie die Mößbauer-Spektroskopie oder UV/VIS-Spektroskopie zum Einsatz.
„Das synthetisch nachgebaute System hilft uns dabei, die einzelnen Stufen des Katalysezyklus besser zu verstehen. Gleichzeitig sind wir aber auch unserem Ziel, Methan selbst effizient verarbeiten zu können, einen Schritt nähergekommen“, sagt Glaser. „Dies werden wir in der neuen DFG-Forschungsgruppe weiter vorantreiben.“