Extremereignisse wie Dürre werden künftig aufgrund des Klimawandels zunehmen. Die negativen Auswirkungen dieser Trockenheit auf das Funktionieren von Ökosystemen sind doppelt so groß, wie bislang aufgrund von Feldexperimenten angenommen wurde. Das zeigt ein Forscher-Team mit Beteiligung von Michael Bahn vom Institut für Ökologie der Universität Innsbruck: Der kürzlich veröffentlichte Bericht des Weltklimarates IPCC weist wiederholt auf die Gefahr stark zunehmender Dürreereignisse hin.
Um zu verstehen, wie sich derartige Wetterextreme auf Ökosysteme auswirken, werden häufig Experimente auf Testflächen durchgeführt, die definierten Rahmenbedingungen wie etwa Trockenheit ausgesetzt werden. Dadurch müssen die Forscherinnen und Forscher nicht das schwer vorhersagbare Auftreten von natürlichen Extremereignissen abwarten und können unter kontrollierten Bedingungen die Auswirkungen des Klimawandels auf die Funktionen von Ökosystemen erforschen. Ein internationales Forschungsteam mit dem Lead-Autor György Kröel-Dulay vom Centre for Ecological Research in Vácrátót, Ungarn, hat nun untersucht, wie gut Experimente die Auswirkungen von experimenteller Dürre im Vergleich zu natürlich auftretenden Dürreereignissen abbilden.
Metaanalyse von Messungen in natürlichem Umfeld
„Da die Auswirkungen von Dürre von einer Reihe von Standortparametern wie Boden, Vegetation und Hintergrundklima abhängen, war es wichtig, den Vergleich anhand einer möglichst großen Zahl unabhängiger Studien durchzuführen. Als gut vergleichbare Messgröße haben wir für unsere Metaanalyse die oberirdische Biomasse herangezogen, die in Graslandsystemen ein guter Indikator für die Produktivität ist“, erklärt Michael Bahn, Leiter der Arbeitsgruppe Funktionelle Ökologie am Institut für Ökologie, die Vorgehensweise.
Der Ökologe führt seit vielen Jahren Feldexperimente auf Versuchsflächen zur Untersuchung der Reaktion von Böden auf Klimaveränderungen durch. „Feldexperimente unter kontrollierten Bedingungen mit entsprechenden unbehandelten Kontrollflächen sind der sauberste Ansatz, um die Mechanismen zu verstehen, die der Reaktion eines Ökosystems auf Trockenheit zugrunde liegen“, so Bahn.
„Dennoch gibt es auf den oft eher kleinräumigen Experimentierflächen eine Art ‚Insel-Effekt‘, da der Boden zwar trocken, aber die Temperatur entsprechend der Umgebungsluft meist geringer und die Luftfeuchtigkeit höher als bei einer natürlichen Dürre ist. Das wird von den Pflanzen wahrgenommen und wirkt sich auf ihre Produktivität aus.“
„Reale“ Dürre mit doppelt so starken Effekten
Die Ergebnisse Forscher zeigen, dass Experimente deutlich schwächere Effekte von Dürre für die oberirdische Biomasse ausweisen als dies im natürlichen Umfeld der Fall ist. „Im Experiment können wir die Mechanismen der Dürrereaktion gut und detailliert erforschen. Unsere 80 Studien und knapp 160 Messpunkte umfassende Metaanalyse zeigt aber auch, dass das Ausmaß der Produktivitätsverluste bei Dürre im Vergleich zu Beobachtungsstudien um durchschnittlich etwa 50 Prozent unterschätzt wird“, erklärt Michael Bahn.
„Das heißt, dass es wichtig ist, die Ergebnisse von Dürreexperimenten mit den verfügbaren Daten von natürlichen Trockenereignissen abzugleichen, um das mögliche Ausmaß der Auswirkungen dieser Wetterextreme auf den landwirtschaftlichen Ertrag abzuschätzen.“ Dank der Langzeitbeobachtungen im Rahmen des LTER-Netzwerks (Long-Term Ecological Research), zuletzt gefördert durch das FFG-Projekt LTER-CWN, stehen am von der Universität Innsbruck betriebenen Standort im Stubaital entsprechende Daten zur Verfügung.
Experimente bleiben dennoch ein zentrales und unverzichtbares Mittel der Wahl, um zu systematisch zu verstehen, wie und warum Ökosysteme auf extreme Dürreperioden reagieren und sich unter aktuellen und künftigen Klimabedingungen daran anpassen, betont das Autor*innen-Team.