Fraunhofer: Konzepte für das Rotorblatt-Recycling

Die Konzipierung einer geschlossenen, wirtschaftlich umsetzbaren Entsorgungsstrategie ist wichtig, um in Zukunft wissenschaftlich ausgereifte Verfahren für das Recycling von Rotorblättern zu etablieren. ©Fraunhofer IWES_Fraunhofer WKI

Das Fraunhofer-Institut für Windenergiesysteme IWES entwickelt gemeinsam mit dem Institut für Energie und Kreislaufwirtschaft (IEkrW) an der Hochschule Bremen umfassende Konzepte, die ermöglichen sollen, dass Rotorblätter künftig weitaus besser recycelt und nachgenutzt werden können.

Ziel des Projekts „Konzept für Recycling und Nachnutzung von Rotorblättern aus Kunststoffverbundmaterialien“, kurz KoReNaRo, ist es, eine wirtschaftlich umsetzbare Entsorgungsstrategie aufzusetzen, die eine möglichst hohe Recyclingquote erzielt und somit nachhaltige Kreislaufwirtschaft ermöglicht.

Bisher wurden in Deutschland knapp 30.000 Windenergieanlagen (WEA) mit einer Gesamtleistung von über 50 Gigawatt (GW) installiert. Die neue Bundesregierung hat angekündigt, dass sie bis 2045 die Klimaneutralität erreichen will.

Damit gehen auch neue Ausbauziele für die Windenergie einher: Bis 2045 sollen allein offshore rund 70 GW zugebaut werden. Gleichzeitig endete bereits vergangenes Jahr die EEG-Förderung bei einigen schon errichteten WEA an Land, von denen manche aus dem Betrieb genommen werden. Für nicht mehr betriebene End-of-Life-Windenergieanlagen (EoL-WEA) sollen die derzeit am Markt vorhandenen Recyclingkonzepte optimiert bzw. weiterentwickelt werden, hin zu mehr Kreislaufwirtschaft. Der Fokus liegt hierbei insbesondere darauf, wie Rotorblätter effizienter recycelt werden können, ökonomisch und ökologisch.

Hochwertiges Recycling für Faserverbundwerkstoffe

Die Wissenschaftler möchten ein qualitativ höherwertiges Recycling für das gesamte EoL-Rotorblatt entwickeln. Wichtig ist es, dafür zunächst eine automatisierte Erstbehandlung zu konzipieren, bei der das Rotorblatt effektiver zerteilt und in seine Bestandteile zerlegt werden kann. Dadurch entstehen Verwertungskreisläufe, die Recyclingquote wird erhöht und Kosten werden eingespart. Ein möglicher Standort für eine Recycling-Station wäre Bremerhaven.

„Bremerhaven möchte sich frühzeitig als Standort für die Entsorgung oder das Recycling von Windenergieanlagen etablieren. Kürzlich wurde eine Studie vergeben, in der das Marktsegment genauer betrachtet wurde und ein erstes Logistik- und Entsorgungskonzept für Onshore- und Offshore Windenergieanlagen erarbeitet wurde, um damit auf potenziell interessierte Unternehmen zugehen zu können“, sagt Dipl.-Ing. Nils Schnorrenberger, Geschäftsführer der Bremerhavener Wirtschaftsförderung BIS.

Ein weiteres Ziel des Forschungsprojekts ist es, die Hauptgurte – diese geben dem Rotorblatt seine Stabilität – aus den Rotorblättern für andere Werkstücke nachzunutzen, unter möglichst weitgehender Beibehaltung der vorhandenen guten Materialeigenschaften. Das ist eine Herausforderung, denn sie bestehen aus Zentimeter dicken Schichten aus Glasfaser- und Carbonfaserverbundkunststoffen.

Auch der Ansatz, mittels einer sogenannten Slow-Batch-Pyrolyse, die hochwertigen Glasfasern aus den dickwandigen Flansch- und Gurtmaterialien zurückzugewinnen, soll weiterverfolgt werden. Die bei diesem Prozess erzeugten Synthesegase können dann weiter verwertet werden, u.a. zur Energie- oder Wasserstoffgewinnung. Die Wirtschaftlichkeit und Machbarkeit dieses speziellen Verfahrens soll im Projekt mithilfe einer Testanlage überprüft werden.

Für die Sandwichkomponenten im Rotorblatt, Balsaholz und Kunststoffschäume sollen bereits bekanntere Methoden, insbesondere zur Wiederverwertung des Balsaholzes als Holzschaum großmaßstäblich ausgerollt werden.

Projektkoordinator Dr.-Ing. Steffen Czichon, Abteilungsleiter Rotorblätter beim Fraunhofer IWES, erklärt: „Die ganzheitliche Konzeptionierung ist wichtig, damit ein nachhaltiges Recycling-Konzept für Rotorblätter entsteht, das der Windindustrie einen klaren Rahmen gibt, um einen wettbewerbsfähigen Markt für Sekundärprodukte und Entsorgung zu schaffen. Dafür benötigen wir konkrete Umsetzungsstrategien. In das Forschungsprojekt KoReNaRo bringen wir vom Fraunhofer IWES unsere umfassenden Kompetenzen in der Komponenten- und Werkstoffprüfung ein sowie unsere langjährige Erfahrung in der Rotorblattentwicklung- und Fertigung.“

GFK-Balsaholzgemisch. ©Fraunhofer WKI

Dr. Detlef Spuziak-Salzenberg, Projektleiter im Institut für Energie und Kreislaufwirtschaft ergänzt: „Unsere Erfahrungen in der Batch-Pyrolyse, der Abfallaufbereitung und dem Entsorgungsmarkt, speziell auch für den Windenergiebereich, können wir in das Projekt KoReNaRo gewinnbringend und gezielt einbringen. Dies sind wesentliche Komponenten und Schritte zur Validierung der neuen Recycling-Methoden für Rotorblätter.

Auf die Konzeptphase folgt die Umsetzungsphase. In dieser möchten die Forschungspartner Fraunhofer IWES und IEkrW die einzelnen Arbeitsschritte gemeinsam mit Kooperationspartnern realisieren. Gemeinsam mit einem Industriekonsortium soll auch die Planung einer Recycling-Station weiter vorangebracht werden.

Bisher angewandte Recycling-Verfahren

Beton und Stahl machen mit etwa 97% der Gesamtmasse den Löwenanteil einer WEA aus und lassen sich gut recyclen. In Rotorblättern sowie in der Verkleidung von Nabe und Gondel stecken allerdings noch weitere Materialien: Faserverbundkunststoffe (FVK) mit Carbon- und Glasfasern.

Die beim Rückbau demontierten Rotorblätter und Verkleidungen werden direkt am Standort der WEA in kleinere Teile zersägt und abtransportiert. Die carbonhaltigen Materialien werden hierbei bereits sauber von den anderen Stoffströmen getrennt, um deren Recyclingwege nicht zu beeinträchtigen. Auch die dickwandigen Flanschbereiche mit den Metallbolzen bzw. Metallhülsen bedürfen einer separaten Aufbereitung zur Metallabscheidung.

Übrig bleibt der Hauptteil der Rotorblätter mit seiner Matrix aus glasfaserverstärkten Kunststoffharzen (GFK), inklusive den darin verbauten sogenannten Sandwichmaterialien wie Balsaholz und/ oder Kunststoffschäume aus PVC oder PET. Dieser Materialmix wird derzeit in der Regel in einem weiteren Aufbereitungsschritt zerkleinert und in der Zementindustrie verwendet. Dadurch werden fossiler Brennstoff und mineralische Rohstoffe wie Sand und Kreide substituiert.

Die CFK-Bauteile werden mittels großtechnischer Pyrolyse recycelt, dabei wird der enthaltene Kunststoff thermisch zersetzt und die Fasern können zurückgewonnen werden. Diese können bspw. zu neuen Vliesen verarbeitet oder auch gemahlen in Spritzguss verwendet werden.

Aktuell basiert die Erstbehandlung und das Recycling der Rotorblätter weitestgehend auf den gewonnenen Erfahrungswerten der Rückbauunternehmen: Seit 2019 erfolgen erste konkrete Rückbauvorhaben. Ein Markt für neu zu gewinnende Sekundärprodukte muss sich zunächst noch entwickeln bzw. erschlossen werden. Genau hier setzt das Forschungsprojekt KoReNaRo an.