Medienwissenschaftler zu russischen Medien und dem Ukraine-Krieg

Ukrainische Flagge Pixabay/jorono 1037 Bilder

Der Angriffskrieg in der Ukraine bestimmt weiterhin die Nachrichtenlage, die Wenigsten von uns lässt das Geschehen kalt. Für Lehrende und Studierende an der SRH Fernhochschule – The Mobile University ist das russische Mediensystem in dem Zusammenhang ein spannender, aber auch verstörender Untersuchungsgegenstand. Prof. Dr. Alfred-Joachim Hermanni ist Experte für Medien und Kommunikation und zudem erfahrener Praktiker – und zeichnet ein demokratiefeindliches Bild.

An Einschätzungen, Meinungen, und Beiträgen zum Krieg in der Ukraine mangelt es dieser Tage nicht. Längst sind wir es gewohnt, auch hierzulande nicht nur über die Inhalte der Berichterstattung zu diskutieren, sondern auch über die Medien selbst. Eine zunehmend diversifizierte Kommunikationslandschaft sorgt dafür, dass wir viele mediale Wahrheiten infrage stellen. Nicht zu Unrecht, denn Fälle manipulativer, tendenziöser oder schlicht falscher Berichterstattung gibt es immer wieder auch bei uns. Ganz zu schweigen von absichtlich verbreiteten Fake News.

Alle gängigen Medien Russlands unterliegen der Zensur

Wie muss man sich da erst die Medienlandschaft in Putins Russland vorstellen? Wie steht es grundsätzlich um die Informations- und Meinungsfreiheit im größten Land der Erde. Prof. Dr. Alfred-Joachim Hermanni lehrt Medien- und Kommunikationsmanagement an der SRH Fernhochschule, hat zudem lange als Journalist für Fernsehen, Rundfunk und Print gearbeitet und in dieser Zeit auch Russlands Mediensystem kennengelernt.

Sein fundierter Blick malt ein düsteres Bild: „Die russische Medienlandschaft ist zeitgemäß aufgestellt, wird aber vom Kreml aus gelenkt und überwacht. Das Internet zum Beispiel hat insbesondere für die jüngere Bevölkerung eine große Bedeutung. Digitale Techniken werden erfolgreich eingesetzt und die Satellitenprogramme weiter ausgebaut. Aber alle gängigen Medien unterliegen der strengen Zensur des Staates.“ Dieser nutze, so Hermanni, willentlich bspw. Aufsichtsbehörden zur Überwachung der inländischen Berichterstattung und Falschmeldungen für seine ausländische Propaganda.

Was nicht passt, wird blockiert

Und die Global Player der Sozialen Netzwerke – Facebook, Twitter oder Instagram? „Werden entweder in ihrer Sichtbarkeit stark eingeschränkt, wenn die Inhalte nicht passen, oder gleich ganz blockiert.“ Dabei erstaunt einen hierzulande sehr, dass die Menschen in Russland einen ganz anderen Anspruch an mediale Berichterstattung haben: „70 Prozent der Bevölkerung erwarten von der russischen Presse, dass diese die Meinung der Regierung vermittelt – um sich dann selbst damit auseinandersetzen zu können. Also eine völlig andere Grundauffassung als bei uns.“

Medien werden konsumiert, nicht kritisiert

Dass es illusorisch ist, sich eine eigene Meinung zu bilden, wenn es weder „sachliche“ Fakten noch abweichende Meinungsäußerungen gibt, mag uns schaudern lassen – viele Menschen in Russland aber scheint es nicht zu stören. Es zeige sich aus dem demokratischen Verständnis, so Hermanni, dass die meisten Deutschen ein differenziertes und bisweilen auch kritisches Verhältnis zu den Medien haben: „Unsere mediale Sozialisation hat uns gelehrt, seriöse Quellen zwar zu respektieren, sich unterschiedlicher Sichtweisen und Interpretationen aber stets bewusst zu sein. Da fehlt uns zurecht jedes Verständnis dafür, dass die russische Bevölkerung staatliche Propaganda meist unkritisch konsumiert.“

Warum Lügen dennoch kurze Beine haben

Auch wenn derzeit also kaum ein optimistischer Ausblick für eine freie Berichterstattung in Russland möglich scheint, findet Hermanni doch Hoffnung für die Wahrheit: „Mediale Systeme funktionieren im Allgemeinen gut in der Wächterfunktion, sodass eine Lüge auch irgendwann geoutet wird. Ich kann nur jedem Politiker raten, mit Falschmeldungen sehr vorsichtig zu sein.“ Hermanni verweist auf das naheliegende Beispiel der USA und deren ehemaligen Präsidenten Donald Trump. Wie diesen, so machten auch Putins Staat dessen eigene Lügen letztlich angreifbar.