VolkswagenStiftung fördert sechs ukrainische Forscherinnen an der Universität Passau

Ukrainische Flagge Pixabay/jorono 1037 Bilder

Von mathematischen Modellen gegen kontaminierte Böden bis hin zur Analyse von Putins Instrumentalisierung des Panslawismus: Sechs ukrainische Wissenschaftlerinnen können an der Universität Passau mit Hilfe von Stipendien der VolkswagenStiftung ein Jahr lang ihre Projekte vorantreiben. Die Gäste werden an allen vier Fakultäten forschen.

„Ich freue mich, dass die Universität Passau mit Hilfe dieser Stipendien den ukrainischen Forscherinnen eine Perspektive bieten kann“, sagt Prof. Dr. Ulrich Bartosch, Präsident der Universität Passau, anlässlich der Bewilligungen der VolkswagenStiftung. „Die Universität Passau engagiert sich seit Beginn des Krieges mit einem breiten Hilfsangebot für Betroffene. Wir werden den Forscherinnen eine bestmögliche Umgebung bieten, damit sie ihre Arbeit hier fortsetzen können.“

Eine Anlaufstelle am Campus ist etwa das Passau International Centre for Advanced Interdisciplinary Studies (PICAIS), wo sich die Gäste, die aus verschiedenen Disziplinen kommen, miteinander vernetzen können. Im Einzelnen handelt es sich um folgende Forscherinnen:

Die Kommunikationswissenschaftlerin Dr. Hanna Sarmina von der Taras-Schewtschenko-Universität Kiew wird unter der Leitung von Prof. Dr. Ralf Hohlfeld (Kommunikationswissenschaft, Philosophische Fakultät) vergleichend untersuchen, wie sich der digitale, crossmediale Journalismus in Deutschland und der Ukraine entwickelt hat. Das Vorhaben baut auf Erkenntnissen aus dem EU-Projekt „Crossmedia und Qualitätsjournalismus“ von 2012 und 2015 an der Universität Passau auf, im Zuge dessen Dr. Sarmina erstmals nach Passau gekommen war.

Die Rechtswissenschaftlerin Prof. Dr. Kateryna Nekit von der National University „Odessa Law Academy“ in Odessa erforscht Regulierungsfragen von privaten Eigentumsverhältnissen. Der Krieg in der Ukraine hat einen Reformprozess unterbrochen, der die ukrainische Gesetzgebung, die zum Teil noch in sowjetischem Recht wurzelt, mit europäischen Standards in Einklang bringen soll. Am Lehrstuhl von Prof. Dr. Moritz Hennemann (Europäisches und Internationales Informations- und Datenrecht, Juristische Fakultät) wird Prof. Dr. Nekit dies weiter vorantreiben und dabei auch neue Fragen in den Blick nehmen, die digitale Güter wie Kryptowerte betreffen.

Die Historikerin Dr. Nataliia Kovalchuk von der Ukrainian Catholic University in Lviv wird am Lehrstuhl von Prof. Dr. Thomas Wünsch (Neuere und Neueste Geschichte Osteuropas und seiner Kulturen, Philosophische Fakultät) erforschen, wie der Panslawismus immer wieder von der russischen Politik instrumentalisiert wurde, zuletzt von Russlands Präsident Wladimir Putin. Es handelt sich beim Panslawismus um eine ideologische Strömung aus dem 19. Jahrhundert mit dem Ziel der kulturellen, religiösen und politischen Vereinigung aller slawischen Völker.

Die Management- und Nachhaltigkeits-Forscherinnen Prof. Dr. Olha Komelina von der National University Yuri Kondratyuk Poltava Polytechnic in Poltava und Prof. Dr. Alina Kasinska von der Pylyp Orlyk International Classical University in Mykolayiv untersuchen, wie Organisationen auf extreme Ereignisse von außen reagieren – und zwar am Beispiel der Entwicklung des Nationalparks in Ochakiv an der Schwarzmeerküste nach dem russischen Einmarsch. An der Universität Passau unterstützt sie ein interdisziplinäres Team aus Prof. Dr. Andreas König (Management), Prof. Dr. Carolin Häussler (Innovation, beide Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät) und Prof. Dr. Christine Schmitt (Mensch-Umwelt-Forschung und Physische Geographie, Philosophische Fakultät) sowie aus den USA Prof. Dr. Jonathan Bundy von der Arizona State University.

Die Mathematikerin Prof. Dr. Irina Vergunova von der Taras-Schewtschenko-Universität Kiew wird zusammen mit Prof. Dr. Dirk Sudholt (Algorithmen für Intelligente Systeme, Fakultät für Mathematik und Informatik) mathematische Methoden entwickeln, die es ermöglichen, die Ausbreitung von Schadstoffen in den Oberflächenschichten von Böden zu überwachen. Hierzu wenden die Forscherin und der Forscher Optimierverfahren der „Künstlichen Intelligenz“ an: neuronale Netze und evolutionäre Algorithmen, erstere inspiriert von der Funktionsweise des menschlichen Gehirns, letztere von der Entwicklung natürlicher Lebewesen. Die Ergebnisse sind für den Agrarsektor im Allgemeinen relevant, aber auch im Besonderen für den Wiederaufbau der Ukraine, um die katastrophalen Auswirkungen verbrannter Überreste militärischer Ausrüstung, von Treib- und Schmierstoffen auf die Böden zu mildern.

Die Wissenschaftlerinnen befinden sich zum Teil bereits in Passau. Zu manchen Gastgeberinnen und Gastgebern bestehen freundschaftliche Beziehungen, andere Kontakte kamen aufgrund von Empfehlungen aus der jeweiligen Fachcommunity zustande. Die VolkswagenStiftung hatte nach dem Überfall auf die Ukraine kurzzeitig ein Gastforschungsprogramm für geflohene Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aufgelegt. Die Stipendien sollen den Forschenden ermöglichen, ihre Tätigkeit vorübergehend in Deutschland weiterzuführen.