Studie: Insekten im Klimawandel

Die Feuerlibelle (Crocothemis erythraea) ist eine der bekanntesten Profiteurinnen der Klimaerwärmung. E. K. Engelhardt / TUM

Der Klimawandel hat in Mitteleuropa längst Einzug gehalten. Dass er auch die Populationen und Verbreitungsgebiete von Tieren und Pflanzen beeinflusst, ist schon lange kein Geheimnis mehr. Wie sich die Bestände unserer heimischen Tierarten über Jahre und Jahrzehnte verändern, ist eine Fragestellung, mit der sich das BioChange Lab der TUM beschäftigt. „Dazu kommt, dass nicht nur das Klima sich wandelt, sondern auch die Art und Intensität der Landnutzung. Hierzu zählen Landwirtschaft, Forstwirtschaft, Besiedlung und Verkehr“, sagt Dr. Christian Hof, Leiter der Forschungsgruppe BioChange an der TUM.

Mögen Veränderungen in der Tier- und Pflanzenwelt in bestimmten Gebieten oder für einzelne Arten gut dokumentiert sein, so ist die flächendeckende Datenlage über viele Arten und vor allem über längere Zeiträume hinweg nur lückenhaft. Dies erschwert generelle Rückschlüsse darüber, wie sich Populationen heimischer Arten entwickeln und welche treibenden Faktoren für die Veränderung der biologischen Vielfalt eine Rolle spielen. Gerade Erkenntnisse zur Entwicklung des Artenbestandes über einen möglichst ausgedehnten Zeitraum in Zusammenhang mit Faktoren wie Landnutzung und Klima lassen valide Schlussfolgerungen zum Arten-, Biotop- und Klimaschutz zu.

Auswertung bestehender Datenschätze

Zahlreiche ehrenamtlich und hauptberuflich arbeitende Naturbeobachter sind im unermüdlichen Einsatz. So existieren glücklicherweise Datenbestände zum Vorkommen verschiedener Arten. Hierzu gehört das Datenbanksystem der Artenschutzkartierung (ASK) am Bayerischen Landesamt für Umwelt. Die Artenschutzkartierung ist mit derzeit rund 3,1 Mio. Artnachweisen das landesweite Artenkataster für Tier- und Pflanzenarten in Bayern. Sie bildet eine zentrale Datengrundlage für die tägliche Arbeit der Naturschutzbehörden oder auch für die Erstellung Roter Listen gefährdeter Arten durch das LfU.

Die Kleine Moosjungfer (Leucorrhinia dubia) ist eine Libellenart, die typisch für Hochmoore ist. C. Hof / TUM

Anhand komplexer statistischer Verfahren gelang es Forscherinnen und Forschern des Lehrstuhls für Terrestrische Ökologie der TUM, die wertvollen Daten der ASK auszuwerten und die Bestandstrends von über 200 Insektenarten – rund 120 Schmetterlinge, 50 Heuschrecken und 60 Libellen – in Bayern zu analysieren. In Zusammenarbeit mit zahlreichen weiteren Expertinnen und Experten konnten sie in ihrer Studie zeigen, dass in allen untersuchten Insektengruppen wärmeliebende Arten in ihrem Bestand zunahmen, während das Vorkommen von Arten, die an kühlere Temperaturen angepasst sind, zurückging.

Arten wie die wärmeliebende Feuerlibelle profitieren vom Klimawandel

Die Unterteilung in Wärme und Kälte bevorzugende Insekten erfolgte aufgrund einer Berechnung anhand empirischer Daten. „Wir haben die Temperaturvorlieben der einzelnen Arten nach ihrem Verbreitungsgebiet innerhalb Europas ermittelt. Dazu verwendeten wir die mittlere darin vorherrschende Temperatur. Das heißt, Arten, die ein eher nördliches Verbreitungsgebiet haben, sind kälteangepasste Arten, und Arten, die eher ein südeuropäisches Verbreitungsgebiet haben, sind wärmeangepasste Arten“, sagt Eva Katharina Engelhardt, Doktorandin am TUM BioChange Lab.

Wärmeangepasst sind beispielsweise der Graublaue Bläuling (Schmetterling), das Weinhähnchen (Heuschrecke) und die Feuerlibelle. „Die Feuerlibelle ist einer der bekanntesten Profiteure der Klimaerwärmung. Die ursprünglich im mediterranen Raum verbreitete Großlibelle trat Anfang der 90er Jahre zum ersten Mal in Bayern auf und ist inzwischen großflächig verbreitet“, sagt Hof zu dem Ergebnis. Zu den kälteangepassten Arten gehören der Alpen-Perlmutterfalter, die Alpine Gebirgsschrecke oder die Kleine Moosjungfer.

Bestände: Faltern, Heuschrecken und Libellen vom Klimawandel beeinflusst

„Unsere Vergleiche der verschiedenen Insektengruppen zeigten deutliche Unterschiede“, sagt Engelhardt. „Während bei Schmetterlingen und Heuschrecken mehr Bestandsabnahmen als -zunahmen zu verzeichnen waren, zeigten die Libellen überwiegend positive Trends.“ Ein möglicher Grund hierfür ist die Verbesserung der Gewässerqualität während der letzten Jahrzehnte, was insbesondere den auf Wasser-Lebensräume angewiesenen Libellen zu Gute kommt. Lebensraumspezialisten, also Arten, die an ganz bestimmte Ökosysteme angepasst sind, verzeichneten einen Rückgang der Population. Schmetterlinge, wie das Große Wiesenvögelchen oder der Hochmoor-Bläuling sind hierfür Beispiele, denn sie sind auf ihren ganz speziellen Lebensraum angewiesen.

„Unsere Studie belegt, dass die Auswirkungen des Klimawandels eindeutige Spuren auch in unserer heimischen Insektenfauna hinterlassen. Unsere Arbeit ist ein Beispiel dafür, wie man mit modernen wissenschaftlichen Verfahren spannende Ergebnisse aus vorhandenen Datensätzen gewinnen kann. Diese sind im ehrenamtlichen und behördlichen Naturschutz zwar oft vorhanden, aber kaum systematisch ausgewertet. Dies sollte, in Form von Kooperationen wie unserer, viel öfter passieren“, meint Dr. Diana Bowler vom Deutschen Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv).

Johannes Voith, Entomologe am Bayerischen Artenschutzzentrum im LfU, fügt hinzu: „Im Rahmen der Kooperation insbesondere mit der TUM profitieren wir nicht nur von dem reinen Erkenntnisgewinn. So ist beispielsweise geplant, dynamische Verbreitungskarten zu einzelnen Arten zu erstellen.“