Tod von Fledermäusen an Windenergieanlagen

Fledermaus-Schlagopfer unter einer Windkraftanlage Christian Voigt/Leibniz-IZW

Der Tod von Fledermäusen an Windenergieanlagen (WEA) hat negative Auswirkungen auf die Populationen betroffener Arten und weitreichende Konsequenzen für die biologische Vielfalt (Biodiversität) im ländlichen Raum. Bisher konnten über weitergehende Folgen des Todes von Fledermäusen nur Vermutungen angestellt werden. Jetzt zeigte ein Team von Wissenschaftlern des Leibniz-Instituts für Zoo- und Wildtierforschung (Leibniz-IZW) in einem Aufsatz in der Fachzeitschrift „Conservation Science and Practice“, dass dadurch natürliche Nahrungsketten unterbrochen werden, was weitreichende negative Folgen für die Land- und Forstwirtschaft haben kann.

Die Untersuchung demonstriert, in welchem Ausmaß bisher die herausragende funktionelle Bedeutung der Fledermäuse für unsere Lebensräume unterschätzt wurde. Die Wissenschaftlern des Leibniz-IZW untersuchten das Beutespektrum von an WEA getöteten Großen Abendseglern, einer häufigen Fledermausart, die regelmäßig an WEA zu Tode kommt. Am Beispiel der vom Großen Abendsegler verzehrten Insekten dokumentierten sie, in welchem Ausmaß mit den getöteten Fledermäusen auch ihre funktionelle Bedeutung für ihre Lebensräume verloren geht.

Carolin Scholz und Christian Voigt – vom Leibniz-IZW – untersuchten, welche Insekten Große Abendsegler verzehrten, kurz bevor sie an den WEA zu Tode kamen. Hierfür analysierten sie den Mageninhalt von 17 an WEA getöteten Großen Abendseglern. Mit Hilfe ausgefeilter genetischer Methoden, inklusive der Hochdurchsatzsequenzierung, suchten sie nach den genetischen Barcodes der verzehrten Insekten.

Diese genetischen Barcodes geben über die Identität der Arten Aufschluss. „Wir fanden DNA-Barcodes von 46 Insektenarten aus neun Ordnungen, die meisten davon Käfer und Nachtfalter“, sagt Scholz. „Die Insektenarten ließen sich einer Vielzahl unterschiedlicher Lebensräume, von Ackerflächen über Grünland bis zu Wäldern und Feuchtgebieten, zuordnen.“ Zwanzig Prozent der identifizierten Insektenarten werden in der Land- und Forstwirtschaft als Schädlinge oder Lästlinge angesehen, beispielsweise der Esskastanienbohrer (Curculio elephas) oder der Eichenwickler (Cydia splendana).

Das Wissenschaftsteam schließt daraus, dass der Verlust von Fledermäusen bestehende Nahrungsketten unterbricht und es somit zu einer höheren Anzahl von Schädlingen und Lästligen kommen könnte, was möglicherweise durch eine chemische Schädlingsbekämpfung kompensiert wird. Die kostenlose „Service-Leistung“ der Schädlingsreduzierung durch Fledermäuse wird durch die WEA beeinträchtigt, und ist somit für die Land- und Forstwirtschaft ein relevantes Thema.

Die Energieproduktion aus Windkraft trägt unbestritten zur Reduzierung der CO2- Emission bei. Der Flächenbedarf hierfür ist groß, die ökologischen Nebenwirkungen für betroffene Tiergruppen wie Fledermäuse und Insekten massiv. Jüngst wurde für Deutschland eine Verdoppelung der für die Windenergieproduktion genutzten Landfläche beschlossen. Hiervon sind vor allem landwirtschaftliche Flächen und Forstmonokulturen betroffen.

Diese Ökosysteme sind bereits durch eine reduzierte Artenvielfalt charakterisiert, da sie in der Vergangenheit mehrere Wellen der Intensivierung durchliefen, Flure bereinigt und Anbaumethoden zugunsten der Ertragserhöhung optimiert wurden. Die WEA, die im Rahmen der Energiewende aufgestellt werden, führen nun zu einer neuen Welle der Intensivierung.

„Bisher sind die Folgen dieser aktuellen Landnutzungsintensivierung für die Biodiversität und die Widerstandsfähigkeit dieser Lebensräume nicht bekannt. Das ist umso bedauerlicher, da diese Transformation gerade im großen Stil in unseren Landschaften durchgeführt wird“, berichtet Voigt, Leiter der Abteilung für Evolutionäre Ökologie. “Auf welche Weise sich die Energiewende auf die biologische Vielfalt in den betroffenen Lebensräumen auswirkt, müssen wir noch erheblich genauer verstehen.

Dabei steht es außer Frage, dass die aufgestellten WEA zum Schutz des globalen Klimas und hierüber auch zum Erhalt der Biodiversität beitragen.“ Bekannt ist aber auch, dass an WEA eine große Zahl an Fledermäusen verstirbt. „Der Verlust dieser Schlagopfer ist für die Populationen oftmals schwierig abzufangen, da die betroffenen Arten geringe Reproduktionsraten haben. Es verschwinden jedoch nicht nur Individuen aus der Landschaft, sondern potenziell gehen auch ihre Interaktionen in komplexen Nahrungsnetzen verloren“ sagt Scholz, Erstautorin des Artikels.

Zählungen haben ergeben, dass pro Jahr mehr als zehn Fledermäuse an jeder konventionell betriebenen WEA zu Tode kommen. Das summiert sich bei 30.000 WEA auf dem Festland in Deutschland zu erheblichen sechsstelligen Schlagopferzahlen. Neuere Anlagen werden mittlerweile in Zeiten hoher Fledermausaktivität zeitweise abgeschaltet, um die Fledermäuse davor zu bewahren, mit den Rotorblättern zu kollidieren. Dies kann die Schlagopferzahl auf ein bis zwei Individuen pro Jahr und WEA reduzieren. Tragischerweise werden allerdings alte WEA nach wie vor ohne derartige Abschaltregeln betrieben. Dies sind immerhin 75 % aller WEA in Deutschland.

„Wir müssen damit rechnen, dass pro Jahr mehr als 200.000 Fledermäuse an WEA versterben“, sagt Voigt. „Wenn weiterhin diese hohe Zahl an Schlagopfern an WEA geduldet wird, werden immer weniger Schadinsekten durch Fledermäuse verzehrt“, schlussfolgert Voigt. Fledermäuse spielen als Jäger eine wichtige Rolle bei der natürlichen Regulierung von Insektenbeständen. Der Verlust von Fledermäusen und ihres Einflusses auf Nahrungsketten lässt Ökosysteme anfälliger gegenüber Störungen werden, so mutmaßen Voigt und Scholz.

Um die Zusammenhänge genauer zu verstehen, bedarf es noch weiterer, tiefergehender Forschungsarbeiten. Ein erster wichtiger Schritt zum Erhalt der Fledermäuse und ihrer funktionellen Rolle in ihren Lebensräumen wäre eine verpflichtende Abschaltung der WEA in Zeiten hoher Fledermausaktivität, fordern Voigt und Scholz. Hierfür muss die Genehmigungspraxis alter WEA überdacht werden. Nur dadurch lassen sich die negativen Folgen der Landnutzungsintensivierung durch die Energiewende auf unsere Ökosysteme auf ein Minimum beschränken.