Klimaforschung und künstliche Intelligenz

Roboter mit Gesichtserkennung (in China): Künstliche Intelligenz ist wie ein Hammer – sie kann nützen, aber auch schaden. | Foto: Shutterstock/helloabc

Schon seit drei Jahrzehnten ist der CO₂-Ausstoß von Autos ein politisches und gesellschaftliches Thema, es gibt Berichtspflichten für Hersteller, staatliche Regulierung und viel begleitende Forschung. Ähnlich kann es vielleicht bei einem modernen Produkt laufen, das sich mit enormem Tempo verbreitet und das Klima ebenfalls tangiert: „künstliche Intelligenz“ (KI), also auf lernfähigen Algorithmen basierende Software für diverse Zwecke, vom selbststeuernden Auto über automatische Bilderkennung und Sprachübersetzung bis zur Optimierung von Logistik. Auch hier beginnt die Klimaforschung jetzt, den CO₂-Fußabdruck zu vermessen. Einen Rahmen dafür bietet eine neue Studie.

Die Studie wurde erstellt unter Mitwirkung des Berliner Klimaforschungsinstituts MCC (Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change) und publiziert in der renommierten Fachzeitschrift Nature Climate Change. „KI ist von der Wirkung her vergleichbar mit einem Hammer – sie kann segensreiche Dinge bewirken, aber auch viel kaputtmachen“, sagt Felix Creutzig, Leiter der MCC-Arbeitsgruppe Landnutzung, Infrastruktur und Transport und Co-Autor der Studie.

„Deshalb ist es höchste Zeit, sie durch klug gesetzte Regeln in die richtigen Bahnen zu lenken. Das gilt nicht nur mit Blick auf Auswirkungen am Arbeitsmarkt oder beim Datenschutz, sondern in hohem Maße auch mit Blick auf das Klima. Wir liefern hier erstmals einen analytischen Rahmen, um als Orientierung für die Politik die verschiedenartigen Auswirkungen von KI auf die Treibhausgas-Emissionen möglichst vollständig zu erfassen.“

Demnach gliedern sich diese Auswirkungen in drei Kategorien:

(1) die direkten Folgen in Form der CO₂-Emissionen beim Betrieb von Endgeräten, Servern und Rechenzentren für KI-Entwicklung und -Nutzung,

(2) die unmittelbaren Folgen einzelner KI-Anwendungen für den Treibhausgas-Ausstoß in den verschiedensten Bereichen des privaten Alltags und der Wirtschaft sowie

(3) die übergreifenden Folgen von KI durch Strukturwandel, zum Beispiel durch vermehrte Nachfrage nach bestimmten Produkten und Dienstleistungen, neue dominante Anbieter auf einzelnen Märkten und Lebensstil-Änderungen.

Die unmittelbaren und übergreifenden Folgen der KI-Anwendungen können sowohl günstig als auch ungünstig für das Klima sein, das wird mit vielen Beispielen illustriert und systematisch analysiert.

So können mit Hilfe solcher Anwendungen unter anderem Gebäude klimafreundlicher konstruiert, die Entwicklung von Stromspeichern oder klimafreundlichen Materialien beschleunigt, der Schutz von Wäldern und Küsten überwacht und Klimarisiken von Unternehmen transparenter werden. Auch viele Klimastudien des MCC aus jüngster Zeit, die aus sehr großen Datenmengen wissenschaftliche Erkenntnisse herausfiltern, wären ohne KI nicht denkbar gewesen.

Auf der anderen Seite kann KI dem Klima auch schaden: Ein Beispiel dafür ist das sogenannte Internet der Kühe, eine Anwendung für optimale Logistik im Bereich der Viehhaltung – der für 9 Prozent der globalen Treibhausgas-Emissionen verantwortlich ist. Auf der übergreifenden Ebene kann sich etwa auch der durch KI bewirkte Fortschritt beim autonomen Fahren noch als problematisch erweisen, wenn dadurch klimafreundliche Alternativen zu Privatauto und Lastwagen am Markt weniger Chancen auf Durchsetzung haben.

So wie das Auto und andere physische Produkte dürften künftig auch die Produktion und Nutzung von KI-Anwendungen auf ihren CO₂-Fußabdruck abgeklopft werden.

„Forschungsbereiche wie die Lebenszyklusanalyse und die Industrieökologie können nun auf den KI-spezifischen Überlegungen in unserer Studie aufbauen“, erklärt Lynn Kaack, Professorin für Computerwissenschaft und Politik an der Hertie School in Berlin und Leitautorin der Studie. „In der Zukunft möchten wir beurteilen können, wie die Treibhausgas-Emissionen durch einzelne KI-Serviceleistungen, durch Unternehmen oder auch durch bestimmte politische Maßnahmen verändert werden. Wenn sich das besser messen lässt, könnte der Staat zum Beispiel für die Wirtschaft entsprechende Berichtspflichten einführen, Prioritäten in der Förderung definieren und Anreize für KI-Anwendungen schaffen, die zur Bewältigung des Klimawandels beitragen.“