Uni Bayreuth: Massiver Rückgang der Dolomitkiefernwälder

Typischer Bestand eines lichten Kiefernwaldes auf einem Dolomit-Riff aus der Jura-Zeit. Foto: Andreas Hemp.

Der Naturpark „Fränkische Schweiz – Frankenjura“ ist ein Hotspot der Biodiversität in Deutschland. Er ist außergewöhnlich reich an Lebensräumen, die zum Natura-2000-Netzwerk geschützter Lebensräume der EU gehören. Besonders groß ist hier die Artenvielfalt in den Kiefernwäldern, die auf dem Dolomitgestein des Nördlichen Frankenjura wachsen. Eine neue Studie der Universität Bayreuth zeigt, dass die mit diesen Wäldern bedeckte Fläche des Nördlichen Frankenjura seit 1990 um mehr als 75 Prozent, seit 1950 sogar um etwa 99 Prozent zurückgegangen ist. In der Zeitschrift „Biodiversity and Conservation“ erläutern die Wissenschaftler*innen diesen dramatischen Verlust einer wertvollen Biodiversitätsressource.

Ausgangspunkt der neuen Studie sind drei Forstinventuren, die der Erstautor, PD Dr. Andreas Hemp, in den Jahren 1990, 2012 und 2020 durchgeführt hat. Darin werden insgesamt mehr als 600 Bestände der Dolomitkiefernwälder in verschiedenen Landkreisen Ober- und Mittelfrankens sowie der Oberpfalz erfasst. Diese über drei Jahrzehnte dokumentierten Bestände hat das Bayreuther Team nun mit den Dolomitkiefernwäldern um das Jahr 1950 verglichen, als der Nördliche Frankenjura noch weitgehend von traditioneller Landnutzung geprägt war.

Diese vor gut 70 Jahren existierenden Waldbestände wurden von der Bayreuther Masterstudentin Christie Philipp mit einem hierfür üblichen statistischen Verfahren, einem Random-Forest-Klassifikationsmodell, rekonstruiert. Darüber hinaus haben die Forscher*innen untersucht, wie sich die extrem trockene und warme Witterung der letzten Jahre auf die Lebensfähigkeit der Kiefern im Nördlichen Frankenjura auswirkt.

„Unsere Untersuchung ist die erste Langzeitstudie, die das gesamte Verbreitungsgebiet eines zum Natura-2000-Netzwerk gehörenden Lebensraums umfasst. Der Nördliche Frankenjura verdankt seine hohe Dichte an Natura-2000-Schutzgebieten und -Lebensräumen nicht zuletzt dem großflächigen Vorkommen des Dolomitgesteins, auf dem die Kiefernwälder mit ihrer ungewöhnlichen Vielfalt von Pflanzen wachsen. Die Geschichte dieser Pflanzen reicht weit in die nacheiszeitliche Vegetationsgeschichte und teilweise bis in die letzte Eiszeit zurück. Deshalb betrifft unsere Untersuchung auch die Frage, inwiefern ein vergleichsweise wohlhabendes Land wie Deutschland seine Verpflichtungen, die sich aus der UN-Konvention zur Biodiversität ergeben, tatsächlich umsetzt“, erklärt PD Dr. Andreas Hemp, Mitarbeiter am Lehrstuhl für Pflanzensystematik der Universität Bayreuth.

Sein Resümee: „Der Schutz der Dolomitkiefernwälder im Frankenjura ist seit Jahrzehnten vernachlässigt worden. Von Maßnahmen zum Erhalt dieser Wälder, wie sie aufgrund einer zunehmend intensiveren Landnutzung und Klimaveränderungen erforderlich gewesen wären, kann – abgesehen von Mittelfranken – nicht die Rede sein. Gemessen an der Größe der bewaldeten Flächen, sind seit 1990 mehr als Dreiviertel der Bestände und seit 1950 sogar rund 99 Prozent der Bestände verlorengegangen.“

Ein neues Naturschutzprojekt

Ein verbesserter Schutz der Dolomitkiefernwälder ist das Ziel eines neuen BayernNetzNatur-Projekts, das von PD Dr. Andreas Hemp an der Universität Bayreuth wissenschaftlich begleitet wird. Das Vorhaben „Biotopkomplex Kiefernwälder und Trockenrasen der Dolomitkuppenalb“ wird vom Bayerischen Naturschutzfonds ab dem 1. Juli 2022 für vier Jahre mit insgesamt rund 460.000 Euro aus Erträgen der Glücksspirale gefördert.

Es ist zunächst auf den Landkreis Nürnberger Land in Mittelfranken beschränkt. Projektträger ist das Naturschutzzentrum Wengleinpark e.V., weitere Partner sind der Landschaftspflegeverein Nürnberger Land, die höhere Naturschutzbehörde der Regierung von Mittelfranken in Ansbach, die untere Naturschutzbehörde am Landratsamt Nürnberger Land in Lauf, das Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF) in Roth-Weißenburg sowie der Naturpark „Fränkische Schweiz – Frankenjura“.

Verringerte Kiefernwaldbestände: Ursachen und Folgen

Als Ursachen für den massiven Verlust der lichten Kiefernwaldbestände hat das Bayreuther Forschungsteam vor allem zwei Faktoren ausgemacht: Zum einen sind nach Aufgabe der traditionellen Landnutzung im Laufe der Jahrzehnte immer mehr Fichten und Buchen in die Bestände eingewandert und haben die Kiefern verdrängt. Zum anderen wurden seitens der zuständigen bayerischen Forstbehörden reine Kiefern- und Fichtenmonokulturen in Mischbestände umgewandelt, die forstwirtschaftlich produktiver und zugleich ökologisch stabiler sind. Diese laubreichen Mischwälder beeinträchtigen jedoch die Lebensbedingungen zahlreicher lichtbedürftiger, niedrig wachsender Pflanzenarten am Waldboden – darunter zahlreiche Orchideenarten – und bewirken deren Rückgang.

„Der starke Rückgang der Dolomitkiefernwälder zeigt, dass weithin akzeptierte Ziele der Forstpolitik in Deutschland nicht immer mit den Anforderungen übereinstimmen, die sich aus dem rechtlichen Status von Natura-2000-Lebensräumen oder auch aus dem Bayerischen Naturschutzgesetz ergeben. In unserer Studie haben wir zudem eindeutige Indizien dafür gefunden, dass der Verlust pflanzlicher Artenvielfalt auch die Tierwelt nachteilig beeinflusst und insbesondere zu einem Rückgang von Insekten- und Vogelarten führt“, sagt die Bayreuther Biologin Dr. Claudia Hemp vom Lehrstuhl für Pflanzensystematik, die zugleich am Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrum in Frankfurt am Main tätig ist.

Klimaresilienz der Kiefern

„Unsere Untersuchung hat aber auch einen positiven Aspekt“, fügt PD Dr. Andreas Hemp hinzu: „Wir haben festgestellt, dass die Kiefern auf natürlichen Dolomitstandorten von der extremen Trockenheit und Hitze der letzten Jahre fast nicht betroffen waren. Die Kiefern des Frankenjuras scheinen hier seit Jahrtausenden heimisch zu sein und sind gut an klimatische Veränderungen angepasst. Daher könnten sie möglicherweise als Quelle für Saatgutmaterial dienen, das für Regionen in Deutschland und Europa geeignet ist, in denen Kiefern unter Trockenheit leiden. Hierfür wären Untersuchungen ihrer genotypischen Variation und phänotypischen Plastizität und der daraus resultierenden Konkurrenzfähigkeit insbesondere auf trockenen Standorten notwendig.“

Geschichtlicher Hintergrund

Der Nördliche Frankenjura ist ein rund 2.000 Quadratkilometer großer Gebirgszug in Bayern. Die Dolomitkiefernwälder (botanischer Name: Buphthalmo-Pinetum) haben sich hier aufgrund geologischer und klimatischer Besonderheiten ansiedeln können: Am wichtigsten war die Bildung von Riffen im Jurameer, das vor 200 bis 150 Millionen Jahren weite Teile des heutigen Naturparks „Fränkische Schweiz – Frankenjura“ bedeckte. Aus diesen Riffen entwickelten sich die trockenen, sandigen Dolomitböden, die etwa 20 Prozent des Nördlichen Frankenjura ausmachen, aber im Südlichen Frankenjura und der angrenzenden Schwäbischen Alb fast völlig fehlen.

Die Bläuliche Sommerwurz Orobanche coerulescens ist in asiatischen Steppen heimisch. Sie kommt in Deutschland nur noch in Dolomitsand-Trockenrasen im Randbereich der Kiefernwälder vor. Foto: Andreas Hemp.

Auch der Mensch förderte das Wachstum der Kiefernwälder: Viehwirtschaft und Wanderfeldbau im frühen Neolithikum vor rund 7.500 Jahren verhinderten die Ansiedlung von Buchenwäldern, welche die Kiefern hätten verdrängen können. Im Mittelalter, aber auch noch bis zur Mitte des vorigen Jahrhunderts wurden die Dolomitkiefernwälder ebenfalls für die Viehhaltung genutzt, was dem Wachstum der Kiefern zugute kam. Die meisten Dolomitkiefernwälder im Frankenjura werden daher heute in der Forschung nicht als Teil der sogenannten „potentiellen natürlichen Vegetation (PNV)“, sondern als Reliktwälder eingeordnet, die vom Menschen und seinem Weidevieh über mehrere Jahrtausende erhalten wurden.