Senkungen des Verbrauchs bei Energie und Rohstoffen führen in Unternehmen häufig dazu, dass so eingesparte Gelder oder Materialien eingesetzt werden, um mehr oder neue Produkte herzustellen. So werden Umwelt und Klima insgesamt nicht entlastet, denn der Energie- und Rohstoffverbrauch sinkt nicht. Solchen Rebound-Effekten können Unternehmen proaktiv begegnen: Indem sie ein ganzheitliches Management von Energie- und Materialeffizienz anstreben, Effizienzgewinne ermitteln, analysieren und mögliche Folgen auswerten. Senken Unternehmen durch Ressourceneffizienz Kosten, sollten sie die Einsparungen in weitere, ambitionierte Umwelt- und Effizienzmaßnahmen investieren.
Diese Empfehlung stellen die Partner im Forschungsprojekt „Ganzheitliches Management von Energie- und Ressourceneffizienz in Unternehmen“ – B.A.U.M. e.V., Data Center Group, Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW), Leuphana Universität Lüneburg und Öko-Institut – heute vor. Noch weiter, so die Expertinnen und Experten, können Unternehmen mit einer klaren strategischen Positionierung pro Nachhaltigkeit gehen. Dabei sollten sie Effizienzgewinne nutzen, um die Nachhaltigkeit von Produkten und Produktionsprozessen zu verbessern und die absoluten Energie- und Materialverbräuche zu reduzieren. Auch Produktionsausweitungen bewusst zu begrenzen, im Sinne einer „unternehmerischen Suffizienz“, ist eine Möglichkeit.
Effizienzgewinne in Unternehmen strategisch steuern
Die Forscherinnen und Forscher betonen, dass es keine einfachen Lösungen gibt, um Rebound-Effekten in Unternehmen zu begegnen: „In unseren Interviews und Praxisfallstudien haben wir gesehen, dass der Umgang mit Effizienzgewinnen in Unternehmen noch wenig systematisch ist“, fasst Franziska Wolff, Projektleiterin am Öko-Institut für das MERU-Projekt zusammen. „Insgesamt ist mehr Bewusstsein in Unternehmen nötig, dass unternehmerisches Handeln dazu beitragen muss, die ökologischen Belastungsgrenzen des Planeten einzuhalten.“
Dabei spielen die systematische Erfassung und Auswertung von Daten rund um Energie- und Materialeffizienz eine große Rolle. Welche Einsparziele können bei Energie und Rohstoffen erreicht werden? Welche Kosten können so eingespart werden und wie sollen die eingesparten Mittel verwendet werden? Haben die Einsparungen weitere ökologische Auswirkungen? Wie Unternehmen solche Fragen strukturiert angehen können, hat das Forschungsteam in einem Leitfaden für Unternehmen zusammengefasst.
„Unternehmen sollten sich bewusst machen, dass nicht-erreichte, aber theoretisch mögliche Verbrauchsminderungen relevante Umweltkosten darstellen“, sagt Patrick Schöpflin, Unternehmensexperte beim IÖW. „Nehmen Unternehmen solche Rebound-Effekte bewusst in Kauf, sollten sie Maßnahmen entwickeln, wie sie die nicht erreichten Einsparungen durch nachträgliche Anpassungen oder weitere Effizienzmaßnahmen realisieren können. Es führt kein Weg daran vorbei: Die Unternehmensstrategie muss stärker an der Reduktion des absoluten Verbrauchs ausgerichtet werden.“
„Rebound-Effekte können erwartete Umweltentlastungen reduzieren. Sie sind jedoch kein Automatismus und können verhindert werden. Mit geeigneten Managementmaßnahmen können geplante Umweltverbesserungen sogar verstärkt werden. Wir sprechen hier von ‚Reinforcement‘-Effekten“, betont Professor Stefan Schaltegger von der Leuphana Universität Lüneburg.
Ein Sektor, in dem hohe Wachstumsraten und Rebound-Effekte besonders ins Gewicht fallen, ist die Digitalisierungsbranche. Im MERU-Projekt konnte der Projektpartner Data Center Group entsprechende Rebound-Effekte in der Nutzung von Rechenzentren, neben anderen Wirkungsdefiziten von Effizienzmaßnahmen, nachweisen.
„Aber auch hier“, so Dr. Dieter Thiel von der Data Center Group, „können Unternehmen noch mehr gegensteuern. Bisher konzentrierten sich die meisten Maßnahmen auf die Kälteerzeugung, Potential bieten aber auch noch wenig genutzte Möglichkeiten im Bereich IT und strukturelle Verbesserung der Software“.
Politische Strategien gegen Rebound-Effekte
Gleichzeitig, so die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen, muss die Politik Rahmenbedingungen setzen, die Unternehmen dabei unterstützen, Energie- und Materialeffizienz ganzheitlich zu managen und Defizite in den Blick zu nehmen. So könnten etwa Politikziele zur absoluten Verbrauchsminderung bei Energie und Rohstoffen vorgegeben werden.
Die Internalisierung von externen Kosten bei Energie und Materialien ist elementar, um Anreize für Unternehmen zu stärken, solche Ziele zu verfolgen: Während ein über die Zeit ansteigender CO2-Preis bereits eingeführt wurde und noch gestärkt werden sollte, gibt es bislang keine entsprechenden Instrumente für eine Besteuerung von Materialverbräuchen.
Umwelt- und Energiemanagementsysteme, die bislang freiwillig sind, könnten verpflichtend eingeführt werden, um so das Bewusstsein für Einsparpotenziale zu erhöhen. Ein darin verankertes Rebound-Monitoring kann Unternehmen weiter motivieren, Messwerte zu Energie- oder Materialverbräuchen aufzuzeichnen und auszuwerten. Zu sämtlichen Verbrauchswerten sollte es zudem eine verpflichtende Berichterstattung geben.
„Die ökologischen Belastungsgrenzen unseres Planeten werden immer weiter überschritten, mit der dadurch verbundenen Schädigung von überlebenswichtigen Ökosystemen. Dies hat unter anderem mit der weiteren absoluten Zunahme von Materialverbräuchen zu tun. Wir brauchen also dringend einen anderen, schonenderen und sparsameren Umgang mit Ressourcen. Das beginnt schon bei der Produktentwicklung und muss dabei auch mögliche Rebound-Effekte im Blick haben“, fordert Martin Oldeland, stellvertretender Vorsitzender von B.A.U.M. e.V.