In einem Forschungsprojekt hat das Team um Prof. Dr. Ilja Tuschy von der Hochschule Flensburg untersucht, wie der Wandel zur Wärmerzeugung mittels Solarthermie gelingen kann – bis 2030. Die Ergebnisse gewinnen vor dem Ukraine-Konflikt allerdings eine neue Dynamik: Liegt die Zukunft der Wärmeversorgung jenseits der deutsch-dänischen Grenze? Findet sich dort etwa auch die Antwort auf die aktuellen Herausforderungen angesichts des Ukraine-Kriegs? Ilja Tuschy hat mit seinem Team am Zentrum für nachhaltige Energiesysteme (ZNES) in einem Forschungsprojekt die Möglichkeiten des Einsatzes der Solarthermie für die Nah- und Fernwärmeerzeugung untersucht. Das Ergebnis: Technisch ist es machbar. Allein die politischen Rahmenbedingungen stimmen – noch – nicht.
Doch bevor Tuschy den Blick voraus wirft, schaut der Professor für Energietechnik an der Hochschule Flensburg zurück. Denn als er mit dem Projekt „Solare Wärmewende Schleswig-Holstein“ begann, war nicht abzusehen, wie aktuell seine Arbeit am Ende heute sein, wie sehr sich die Situation seit Februar 2022 verändert haben würde. „Es ging darum zu untersuchen, unter welchen Voraussetzungen die Solarenergie bereits bestehende Wärmeerzeugungsnetze in Deutschland kurz- und mittelfristig unterstützen kann“, erklärt Tuschy. Auch die Gesellschaft für Energie und Klimaschutz Schleswig-Holstein GmbH (EKSH) und die Stadtwerke Flensburg waren an den Ergebnissen interessiert und unterstützten das Projekt finanziell.
Schaut Ilja Tuschy Richtung Norden, sieht er schon heute riesige Felder mit Solar-Kollektoren, die aus Sonnenenergie Wärme machen. Die so genannte Solarthermie hat in Dänemark einen bemerkenswert hohen Anteil bei der Versorgung per Nah- und Fernwärme. In Deutschland ist das anders. „Solarthermie war bisher diesseits der Grenze in Wärmenetzen wirtschaftlich nicht konkurrenzfähig“, sagt Tuschy. Weil die Kraft-Wärme-Kopplung (KWK), also die gleichzeitige Erzeugung von elektrischer Energie und Heizwärme, ökonomisch und auch ökologisch attraktiver war, wurden hier in der Vergangenheit eher Heizkraftwerke auf Erdgasbasis installiert.
Das bestätigten auch die Simulationen der Forscher: Solange Erdgas günstig ist und die KWK beispielsweise in den Braunkohlerevieren konventionell erzeugten Strom im deutschen Netz verdrängen, werden dort mehr CO2-Emissionen eingespart als vor Ort erzeugt – und das Heizen etwa mit Blockheizkraftwerken rechnet sich über den Stromerlös.
Wenn sich die gesetzlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen nicht ändern, kann sich die große Solarthermie also hierzulande nur schwer durchsetzen. Doch für die Zukunft sieht Tuschy einen Kipppunkt. Denn mit dem Kohleausstieg und der deutlichen Zunahme erneuerbarer Energien bei der Stromerzeugung, steigen die Vorteile für die Solarthermie, besonders in Kombination mit Wärmepumpen. Jedoch war das in den ZNES-Simulationen der Szenarien für 2030 trotz eines Anteils der Erneuerbaren von 80 Prozent noch nicht zu sehen.
Allerdings muss man das „war“ betonen, rückt das perspektivische Szenario doch nun viel näher ans Jetzt. Vor dem Hintergrund des Krieges in der Ukraine mit seinen Auswirkungen auf den Energiesektor gewinnen die Forschungsergebnisse eine neue Dynamik. „Ein hoher solarer Anteil bei der Wärmeerzeugung könnte die aktuell angespannte Situation entlasten“, sagt der Energieexperte. „Technisch ist der Wandel auf jeden Fall möglich.“ Mit steigenden Erdgaspreisen sind Solar-Kollektoren gegenüber konventionellen Heizungen ohnehin sehr schnell konkurrenzfähig.
Ob die solare Wärmewende tatsächlich die Lösung der aktuellen Probleme ist, hängt aber nicht zuletzt stark vom Willen der Politik ab. Tuschys Studie hat nämlich gezeigt, dass schon kleinere Änderungen der rechtlichen Rahmenbedingungen die Solarthermie auch für Wärmenetze in eine viel bessere Wettbewerbsposition bringen. „Dann hätten wir auch diesseits der Grenze schon bald gute Chancen auf Wärmenetze auf Solarbasis“, ist sich Tuschy sicher.