Von Pandemien bis zur Kernenergie – die Welt ist voller Risiken. Psychologen der Universität Basel haben eine neue Methode entwickelt, mit der die Risikowahrnehmung innerhalb einer Gesellschaft ermittelt werden kann. Ob es um Arbeit, Finanzen oder Gesundheit geht: Viele unserer alltäglichen Handlungen sind mit einem Risiko verbunden. Doch wie wird Risiko in einer Gesellschaft wahrgenommen und wie denkt der Einzelne darüber nach? Das wollten Dr. Dirk Wulff und Prof. Dr. Rui Mata wissen, Forscher an der Fakultät für Psychologie der Universität Basel. «Risiko ist etwas, das viele Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler interessiert», sagt Dirk Wulff. «Jedoch definieren es Disziplinen wie die Psychologie, Soziologie und die Wirtschaftswissenschaften unterschiedlich.»
Gerade der Tatsache, dass die Bedeutung von Risiko je nach Zielsetzung und Lebenserfahrung von Individuum zu Individuum unterschiedlich sein kann, wurde laut Wulff bisher wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Es sei jedoch wichtig zu verstehen, wie verschiedene Personen über Risiken denken, um beispielsweise die Einstellung zu neuen Technologien oder gesellschaftlichen Herausforderungen zu bewerten.
Risiko verbindet diametrale Enden des Gefühlsspektrums
Um dem auf den Grund zu gehen, haben die Forscher eine neue Methode entwickelt, die mit Wortassoziationen und algorithmischen Verfahren die Bedeutung von Risiko für verschiedene Gruppen und Einzelpersonen abbildet. Diese Methode ähnelt einem Schneeballsystem: Dabei wurden Teilnehmende aufgefordert, fünf Wörter zu nennen, die sie mit dem Begriff Risiko assoziieren, sowie fünf Wörter, die sie wiederum mit diesen Assoziationen verbinden. Mit dieser Methode befragten die Forscher eine landesweit repräsentative Stichprobe von 1205 Personen, in der Männer und Frauen sowie verschiedene Altersgruppen gleichermaßen vertreten waren.
Aus den insgesamt 36’100 Assoziationen wurde mithilfe eines Algorithmus ein semantisches Netzwerk des Begriffs Risiko generiert, das folgende Komponenten aufweist: Bedrohung, Glück, Investment, Aktivitäten und Analyse. Am prominentesten wurde dabei das semantischer Cluster «Bedrohung» (Gefahr, Unfall, Verlust etc.) mit Risiko in Verbindung gebracht, dicht gefolgt von «Glück» (Profit, Spiel, Abenteuer). «In bisherigen Untersuchungen wurden meist die negativen Komponenten von Risiko betrachtet und dabei außer Acht gelassen, dass durchaus auch positive Bewertungen damit verbunden sind», sagt Wulff.
Die Methode soll individuelle, aber auch gruppenspezifische Unterschiede in der Risikowahrnehmung erkennen. Dazu haben die Psychologen die Unterschiede zwischen Männern und Frauen und zwischen verschiedenen Altersgruppen untersucht. Allgemein fiel auf, dass Frauen und Männer sowie Menschen verschiedenen Alters ähnlich über Risiken denken. Dennoch ergaben sich Differenzen: Vor allem Ältere gegenüber Jüngeren und Frauen gegenüber Männern verbinden das Wort Risiko stärker mit Bedrohung und weniger mit Glück.
Kleine Unterschiede zwischen Sprachen
Außerdem haben die Forscher die Frage gestellt: Denken Menschen aus verschiedenen Sprachregionen ähnlich über Risiko? Um das zu untersuchen, haben sie das auf Deutsch ermittelte semantische Netzwerk des Risikos mit dem von zwei anderen Sprachen, Niederländisch und Englisch, verglichen. Zwar gibt es kleine Unterschiede in der Häufigkeit. So wurde im Niederländischen Risiko eher mit Bedrohung und im Englischen stärker mit Vermögen in Verbindung gebracht. Doch deuten die Ergebnisse insgesamt daraufhin, dass es einige universelle Merkmale der Risikodarstellung gibt, die über die Sprache hinweg vergleichbar sind.
«Unsere Untersuchung hat ein neues Fundament geschaffen zu der Frage, wie Menschen über Risiko nachdenken», sagt Wulff. «Dies könnte wichtig sein, um besser zu verstehen, wie verschiedene gesellschaftliche Gruppen Risiken interpretieren und die gesellschaftliche Polarisierung durch bessere Risikokommunikationsstrategien zu bekämpfen.»