Spurensuche nach extremen Klimawandel

Aus den Baumringen in diesen fossilen Kiefern haben die Forscherinnen und Forscher wertvolle Informa ... Foto: Cécile Miramont/Universität Aix-Marseille

Vor knapp 13000 Jahren wurden südfranzösische Kiefern Zeugen eines Kälteeinbruchs, den Wissenschaftler jetzt in enormer Detailliertreue rekonstruiert haben. Die Ergebnisse zeigen, wie rasch das Klima umschlagen kann und was für Folgen so ein abrupter Wandel haben kann. Hauptautorin ist Maren Pauly vom Deutschen GeoForschungsZentrum in Potsdam, zum Team gehörten Forschende aus der Schweiz, Frankreich, Großbritannien und Berlin.

Die Reste eines in Schwemmland begrabenen Kiefernwaldes am Fuße des Mont Saint Genis in Südfrankreich enthalten aufschlussreiche Informationen über einen drastischen Klimawandel. Die Kiefern begannen ihr Wachstum vor rund 12900 Jahren während der relativ warmen Allerød-Zeit. Das fossile Holz dokumentiert den Kälteeinbruch der „Jüngeren Dryas“. Forschende des Deutschen GeoForschungsZentrums in Potsdam haben gemeinsam mit internationalen Kolleginnen und Kollegen jetzt erstmals klassische Baumringdickenmessungen mit Analysen der stabilen Isotope von Kohlenstoff und Sauerstoff der Baumjahrringe verknüpft. Sie rekonstruierten damit in jährlicher Zeitauflösung das lokale Bodenwasser (Niederschlag) und die relative Luftfeuchtigkeit. Daraus ergaben sich völlig neue Einblicke in die hydrologische Variabilität und Änderungen der atmosphärischen Zirkulation während dieses abrupten Klimawandels. Das Team berichtet darüber im Fachjournal Scientific Reports.
See-Kiefer (Pinus pinaster)

Die See-Kiefer (Pinus pinaster), auch Bordeaux-Kiefer, Igel-Kiefer, Stern-Kiefer, Meer-Kiefer, Seestrand-Kiefer oder Strand-Kiefer genannt, ist eine Pflanzenart aus der Gattung der Kiefern (Pinus) in der Familie der Kieferngewächse (Pinaceae). Sie stammt aus dem westlichen Mittelmeerraum und wird bis zu 300 Jahre alt. Text und Foto: Wikepedia

Der plötzliche Kälteeinbruch auf der Nordhalbkugel zwischen 12700 und 11600 Jahren vor heute ist hauptsächlich aus grönländischen Eisbohrkernen und mitteleuropäischen Seesedimenten bekannt. Er wurde nach der Weißen Silberwurz (lat.: Dryas octopetala) benannt – eine Pflanze der Arktis, die sich wieder ausgebreitet hatte. Der Fund der fossilen Kiefern in einem südfranzösischen Flusstal nahe Avignon schließt nun eine wichtige Lücke, denn er zeigt, wie sich das Klima in dieser Zeit im Mittelmeerraum änderte. Mit genauen Radiokohlenstoff-Datierungen konnten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nachweisen, dass die begrabenen Kiefern in der warmen Allerød-Zeit vor der Jüngeren Dryas aufgewachsen waren und den plötzlichen Kälteeinbruch für einige Jahrzehnte überlebt hatten. Sie wurden damit Zeugen dieses Klimawandels.

Die Weiße Silberwurz (Dryas octopetala) gehört zur Gattung Dryas in der Familie der Rosengewächse (Rosaceae). Die Silberwurz ist eine arkto-alpine Art der Nordhalbkugel, die zirkumpolar verbreitet ist. Nachdem in Torfablagerungen in Schweden und Dänemark in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts makrofossile Überreste der Weißen Silberwurz außerhalb der rezenten Verbreitung auftauchten, bildeten diese sogenannten „Dryas-Torfe“ den ersten Nachweis extremer klimatischer Veränderungen, die sich mehrere Jahrtausende nach dem Eisrückzug im letzten glazialen Maximalstand der Weichsel-/Würmeiszeit (LGM) ereignet hatten und der geologischen Epoche der Dryaszeit den Namen gaben. Es war der Beweis einer letzten plötzlichen globalen Klimaverschlechterung unmittelbar vor der holozänen Warmphase. Die Silberwurz ist ein exemplarischer Klima-Indikator arktischer Verhältnisse und glazialer Perioden. Wo sie rezent in den mittleren Breiten auftritt, ist sie in jedem Fall auch ein Glazialrelikt. Text und Foto: Wikepedia

In ihren Analysen fanden die Forschenden Anzeichen für einen vermehrten Luftmassentransport vom Atlantik. „Überrascht hat uns, dass schon etwa sechzig Jahre vor dem eigentlichen Klimawechsel eine deutliche Veränderung der Niederschlagsquelle zu erkennen war“, berichtet die Erstautorin Maren Pauly vom GFZ. Den Ergebnissen zufolge nahmen feuchte Luftmassen aus dem Atlantikraum zu und Niederschläge aus dem Mittelmeerraum ab. Zu sehen ist diese Veränderung in einer zunehmenden Variabilität der Sauerstoffisotope des Bodenwassers. Isotope sind Atome mit einer unterschiedlichen Anzahl von Neutronen im Kern. Aus den Verhältnissen von leichten und schweren Isotopen lassen sich Rückschlüsse auf die Herkunft von Luftmassen und damit Niederschlägen ziehen. „Besonders markant ist auch die Zunahme extremer polarer Luftvorstöße, Winterniederschläge und Winterstürme zu Beginn der Jüngeren Dryas“, ergänzt Achim Brauer, Leiter der Sektion Klimadynamik und Landschaftsentwicklung und Direktor des Departments 5 am GFZ. Maren Pauly arbeitet als Doktorandin in seiner Gruppe.
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Achim Brauer (* 12. Februar 1958 in Dormagen) ist ein deutscher Geowissenschaftler und Abteilungsleiter der Sektion Klimadynamik und Landschaftsentwicklung am Deutschen GeoForschungsZentrum in Potsdam.

Mit dieser Studie belegen die Wissenschaftler, dass nicht die Änderung der Mitteltemperaturen problematisch war, sondern dass der Stress für die Umwelt, der vermutlich auch zum Absterben der Bäume geführt hat, durch die Häufung von extremen Witterungsbedingungen in einzelnen Jahren oder Dekaden ausgelöst wurde. Generell zeigt diese Studie, dass Zeiten von starkem Klimawandel mit einer größeren Instabilität der atmosphärischen Zirkulation einhergehen können, die zu einer stärkeren Variabilität von Jahr zu Jahr oder Dekaden führt. „Hier zeigt die Paläoklimaforschung, wie sie Wissenslücken mit Informationen aus natürlichen Klimaarchiven schließen kann“, sagt Achim Brauer. Das sei auch deshalb wichtig, weil „uns Erfahrungswerte darüber fehlen, was genau während eines plötzlichen Klimawandels geschieht, wie schnell sich das Klima verändern kann und welche regionalen Unterschiede auftreten.“