Der Sommer 2022 führt einmal mehr vor Augen, in wie vielen unserer Lebensbereiche es Anpassungen an die Folgen des Klimawandels geben muss. An der Fakultät für Naturwissenschaften und Technik der unibz stehen die veränderten Umweltbedingungen seit Jahren im Fokus der Forschung in Bereichen wie Nutztierwissenschaften, Pflanzenphysiologie oder Agrar- und Forstentomologie. Die Hitzewelle der vergangenen Wochen ist für die Forschenden ein weiterer Beleg dafür, dass es Anpassungen von Produktions- und Anbaumethoden braucht.
Nicht nur der Mensch, auch viele Tiere und Pflanzen leiden darunter, wenn das Thermometer in Sommertagen immer weiter hinaufklettert. Und eine Hitzewelle wie in den 10 Tagen zwischen 13. und 22. Juli hat es zumindest seit 2009 noch nie in Südtirol gegeben, sagt Prof. Massimo Tagliavini. Seit damals hat der Professor für Kulturpflanzenphysiologie und -ökologie mit seiner Forschungsgruppe Daten zu Hitzewellen gesammelt, um die Auswirkungen solcher Extremtemperaturen auf Apfelbäume in Kaltern zu untersuchen.
„Solange Apfelanlagen ausreichend Wasser zu Verfügung haben, erzeugt eine 3 bis 7 Tagen anhaltende Hitzewelle hinsichtlich CO2- und Wasserflüssen keine großen Probleme“, sagt Prof. Tagliavini.
Die Wasserverluste durch Evapotranspiration würden zwar steigen; jedes Grad Celsius mehr während der Hitze – zum Beispiel von 35 auf 36 Grad Maximaltemperatur – bringe 0,11 mm mehr Wasserverluste pro Tag. Sofern genug Wasser für die Bewässerung zur Verfügung stehe, sei dies aber auch hinsichtlich Photosynthese unbedenklich, da diese bei Äpfeln nur geringfügig von hohen Temperaturen beeinflusst werde. Ganz im Gegensatz zu Reben, die ihre Spaltöffnungen (Stoma) infolge von extremer Hitze schließen; eine verringerte Photosynthese hat dann laut Tagliavini auch Auswirkungen auf das Wachstum und den Zuckergrad der Trauben.
„Eine wichtige Frage ist allerdings: inwiefern können Apfelbäume den künftig immer häufigeren und stärkeren Hitzewellen widerstehen?“, wirft der Professor ein. Denn mit dem Fortschreiten des Klimawandels werde nicht nur die zunehmende Wasserknappheit Anpassungen in Apfelanlagen erfordern. Wenn die Temperaturen wie zuletzt auf bis zu 40 Grad steigen, bestehe die Gefahr, die Äpfel durch Sonnenbrand (sunburn) zu schädigen.
„Wenn die Früchte der Sonne ausgesetzt sind, kann sich die Schalentemperatur von Äpfeln um 5 bis 7 Grad stärker als ihre Umgebung erhitzen“, erklärt Prof. Tagliavini. Um dies zu vermeiden, hätten Netze eine wichtige Funktion. Auch eine Kronenbewässerung kann als Präventionsmaßnahme eingesetzt werden; „allerdings steigt damit wieder das Risiko von Pilzkrankheiten“, so Massimo Tagliavini.
Vorbeugen von stark abfallender Milchleistung
Auch für die Nutztierhaltung bringen die Auswirkungen der Erderwärmung zahlreiche Herausforderungen. Matthias Gauly, Professor für Nutztierwissenschaften und -management, unterscheidet dabei zwischen direkten und indirekten Effekten des Klimawandels auf Nutztiere. Zu letzteren zählt beispielsweise der Rückgang der Menge und Qualität von Futtermitteln wie Heu, unter der die Landwirtschaft auch in diesem Jahr stark leidet, oder die Zunahme krankmachender Faktoren wie Viren, Bakterien und krankheitsübertragende Insekten.
Die direkten Effekte bekommen Tiere in diesen Wochen in Form gerade voll in Form von extremer Hitze ab. Wie sie darauf reagieren, hängt einerseits davon ab, ob sie schwitzen können, wie Rinder und Pferde, weil sie Schweißdrüsen haben, oder solche die keine haben – wie beispielsweise Schweine, die sich durch Suhlen abkühlen oder in der Massentierhaltung schon lang in klimatisierten Ställen gehalten werden müssen. In Wechselwirkung spielen neben der Hitze auch die Luftfeuchtigkeit und die Luftbewegung eine große Rolle.
„Bei hoher Luftfeuchtigkeit kann das schwitzende Tier wie der Mensch die Hitze viel schwerer an die Umgebung abgeben; Wind und Belüftung unterstützt sie dagegen extrem dabei, weswegen auch immer mehr Ställe mit Ventilatoren ausgestattet werden.“
Wie der Mensch verlieren auch Tiere infolge von extremer Hitze den Appetit. Gerade in der Milchwirtschaft, in der in den vergangenen Jahrzehnten die Leistung immer stärker u.a. durch Zuchtmaßnahmen gesteigert wurde, zeigt sich dies bereits ab einer Temperatur von 20 Grad in einer stark abfallenden Milchleistung, konnte Prof. Gauly in früheren Studien belegen. „Dieser Wert hat auch uns damals überrascht, vor allem weil bei Überschreiten dieser Schwelle die Gesamtlaktation bereits um einige hundert Kilo zurückgeht“, sagt der Viehexperte.
Die Folge? Auch im alpinen Raum brauche es in der Milchwirtschaft Investitionen in Ventilatoren und Wassersprengler, um die Tiere vor steigenden Temperaturen zu schützen. „Die meisten Laufställe sind heute bereits damit ausgestattet; doch auch für Anbindeställe lohnen sich solche Investitionen, weil die Leistung konstanter bleibt und dies auch der Gesundheit und dem Wohlbefinden der Tiere zugutekommt“, so Matthias Gauly.
Größere Belastung mit invasiven Schädlingen
Und wie reagieren Nützlinge wie Schädlinge auf schweißtreibende Temperaturen? Hannes Schuler, Professor für Agrar- und Forstentomologie, erinnert daran, dass Insekten ektotherm sind, also ihre Körpertemperatur nicht über den eigenen Stoffwechsel regulieren können. Steigen die Temperaturen wie in den vergangenen Wochen über Werte von 35 Grad, verschiebt sich die Aktivität vieler Arten in Richtung Nacht: tagsüber suchen sie – auch in kühleren Wohnungen und Häusern – Unterschlupf. Auch die Aktivität und die Reproduktionsrate, die bei vielen Arten bei Temperaturen um die 30 Grad ihr Optimum erreicht, verringert sich laut Schuler, wenn das Thermometer darüber hinaus steigt.
Invasive Insekten, die aus tropischen Gebieten eingeschleppt wurden, wie die Tigermücke, halten die aktuellen Hitze zwar besser aus, benötigen aber für ihre Vermehrung Wasseransammlungen, die in der derzeitigen Trockenperiode rar sind. Generell sei aber laut allen Studien und Prognosen klar, dass längere warme Perioden und mildere Winter infolge des Klimawandels zu einer größeren Belastung mit invasiven Schädlingen führen werden.
„Da sich die Reproduktionszyklen beschleunigen, Vegetationsperioden länger werden und es zu wärmeren Wintern kommt, können Schaderreger zusätzliche Generationen pro Saison bilden, womit sich ihr Schadenpotenzial erhöht“, resümiert Prof. Hannes Schuler.