Längere Hitzephasen gehören zu den Folgen eines Klimawandels, die unsere Gesundheit genau wie die Natur und Landwirtschaft direkt betreffen. Wie Menschen am besten mit Hitze umgehen können und welche Maßnahmen seitens der Politik nötig sind, fasst Prof. Dr. Claudia Traidl-Hoffmann, Umweltmedizinerin an der Medizinischen Fakultät der Universität Augsburg im Interview zusammen.
Wer ist besonders durch Hitze gefährdet?
Prof. Dr. Claudia Traidl-Hoffmann: Besonders gefährdet sind die vulnerablen Gruppen: ältere Menschen, Säuglinge und Kleinkinder. Und natürlich auch Vorerkrankte. Aber auch gesunde, fitte Menschen sind gefährdet, nämlich die Gefahr zu unterschätzen. Immer wieder werden Menschen in die Notaufnahme eingeliefert, die trotz hoher Temperaturen intensiv Sport treiben, stundenlang Rasen mähen oder in der prallen Sonne ausgiebig Arbeiten im Freien durchführen. Der menschliche Körper, mag er noch so fit und gesund sein, kann sich nicht unbegrenzt selbst kühlen – hier ist gesunder Menschenverstand gefragt.
Was kann ich persönlich tun, um Hitzewellen gut zu überstehen?
Die meisten Dinge, die helfen sich vor Hitze zu schützen, sind sehr einfach. Lüften Sie in der Nacht, um Kühle in die Wohn- und Arbeitsräume zu lassen und schließen Sie Fenster und ggf. Jalousien tagsüber, um die Wärme auszusperren. Gehen Sie anstrengenden Tätigkeiten nicht in praller Mittagshitze nach oder treiben Sie Sport in den frühen Morgenstunden oder am späten Abend. Trinken Sie ausreichend, am besten jede Stunde ein Glas Wasser, in etwa 2,5 – 3 l pro Tag. Wasser oder ungesüßte Tees sind am geeignetsten. Nehmen Sie leichte Mahlzeiten zu sich: Obst, Gemüse und Salat sind ideal – fette Speisen belasten eher. Auch Salziges wie etwa Salzstangen können helfen, den Elektrolythaushalt wieder ins Gleichgewicht zu bringen, wenn Sie viel geschwitzt haben. Lauwarme Duschen oder ein Sprühnebel auf der Haut schaffen Kühlung und erleichtern eventuell das Einschlafen bei hohen Temperaturen. Langfristig hilft auch, das Umfeld zu begrünen – Bäume wirken wie Klimaanlagen.
Sind wir hier in Deutschland generell gewappnet für die kommende Hitze?
Nein, leider sind wir das momentan noch nicht. Frankreich hat nach dem Hitzesommer 2003 reagiert und Pläne in Kraft gesetzt, die nun die Bevölkerung umfassend im Falle einer Hitzeperiode schützen. Jeder weiß, was er im Fall der Fälle zu tun hat und die Zahl der Hitzetoten ist daraufhin dramatisch gesunken. In Deutschland sind wir leider noch nicht so weit. Die diesjährige, sehr langanhaltende Hitze trifft uns quasi unvorbereitet, als ob wir noch nicht glauben wollten, dass es bei uns heiß ist, sogar sehr heiß im Sommer. Die Gefahr wird noch immer, zum Teil auch in der Ärzteschaft, unterschätzt. Andererseits ist viel in Bewegung gekommen. Ich arbeite z.B. an der Erstellung eines Hitzeschutzplanes des Freistaates Bayern mit und nicht zuletzt die umfangreiche Berichterstattung bringt den Menschen die Dringlichkeit näher. Zum jetzigen Zeitpunkt jedoch sind wir hier weder institutionell oder individuell ausreichend vorbereitet oder geschützt. Dramatische Szenen könnten die Folge sein.
Was muss die Politik verändern?
Das naheliegendste in puncto Hitzeschutz ist zunächst ein Plan. Jeder sollte wissen, auf was bei Hitze zu achten ist: als Lehrer, als Nachbarin, als Ärztin, als Vater, als Altenpfleger oder Bürgermeisterin. Wo wohnen in der Kommune ältere Menschen in Dachgeschosswohnungen? Wer muss an kühlere Orte gebracht werden? Ab wann gibt es dann einfach keine Bundesjugendspiele mehr? Sehr viele weitere Maßnahmen sind nur mittel- und langfristig umsetzbar. Der Umbau der Städte zu grünen, nachhaltigen Orten, Schwammstädten z.B., die den sogenannten „Hitzeinseleffekt“ abmildern oder vermeiden, ist eine längerfristige, sehr kostenintensive Notwendigkeit. Und, von Seiten der Politik unabdingbar: die Vermeidung von Emissionen und die Einhaltung der Klimaziele müssen jetzt einfach Priorität 1 haben. Es geht nicht mehr „nur“ um den Eisbären, es geht schon lange um uns selbst.
Das Interview führte Michael Hallermayer