Die aktuelle Diskussion um die Einsparung von Energie im kommenden Winter zeigt, wie bedeutend das Thema gerade für das verarbeitende Gewerbe ist. Doch wie steht es um die Klimaschutzziele im deutschen Mittelstand? Um das herauszufinden, hat das Forschungszentrum Mittelstand der Universität Trier 444 verarbeitende mittelständische Unternehmen mit 50 bis 3.000 Beschäftigten gefragt, ob, wann und wie sie eine Reduzierung ihres CO2-Ausstoßes planen. Knapp zwei Drittel der Unternehmen wollen laut der gerade vorgestellten Studie ihre Emissionen bis 2030 reduzieren. Ein Viertel strebt sogar eine CO2-Neutralität an.
„Die Umfrage hat gezeigt, dass sich doch recht viele Unternehmen Klimaziele gesetzt haben. Dazu hat die große Mehrheit der Befragten in den vergangenen fünf Jahren bereits Anstrengungen unternommen, weniger CO2 auszustoßen“, sagt Prof. Dr. Jörn Block, Sprecher des Forschungszentrums Mittelstand der Universität Trier.
Der Professor für Unternehmensführung verweist auf ein weiteres spannendes Ergebnis der Studie: Erfolgreiche und ambitionierte Unternehmen setzen sich eher konkretere Klimaziele. Unternehmen, die in den nächsten Jahren wirtschaftlich wachsen wollen, sind bei den Plänen zur CO2-Reduktion tendenziell schon ein Stück weiter als Mitbewerber mit geringeren Wachstumsambitionen. Auch Unternehmen, die zu den „Hidden Champions“, also den relativ unbekannten Marktführern in ihrem Bereich gehören, haben bereits eher ein Zieljahr für die interne CO2-Neutralität festgelegt. „Wer ambitioniert ist, ist es in allen Bereichen“, schlussfolgert Block.
Viele Unternehmen erhoffen sich laut der Umfrage durch die CO2-Reduktion eine langfristige Kostensenkung und eine Verbesserung des Unternehmensimages. Daneben wollen sie durch verminderte Emissionen den Wünschen von Kunden entgegenkommen. Sehr großen Druck zur Reduktion der CO2-Emissionen übt laut Angaben der Befragten auch der Gesetzgeber auf die Unternehmen aus. Diesen Druck erfährt der Mittelstand oft indirekt über seine Kunden. Die Kunden der verarbeitenden mittelständischen Unternehmen sind meist Großunternehmen, die laut EU-Regelwerk Nachhaltigkeitsberichte vorlegen müssen.
Doch wie wollen die Unternehmen die CO2-Neutralität erreichen?
Die Reduktion des internen CO2-Ausstoßes wird mit Abstand als die bedeutendste Strategie angesehen. Nur jedes vierte Unternehmen gibt an, dass CO2-Kompensation, wie zum Beispiel der Kauf von CO2-Zertifikaten, eine wichtige Rolle einnimmt. Gespalten sind die Unternehmen bei der Einschätzung der Bedeutung von externer CO2-Reduktion, also beispielsweise durch die Wahl von auf Nachhaltigkeit bedachten Zulieferern. Dieses Vorgehen bewertet knapp die Hälfte als wichtig für ihre Klimastrategie. „Es wird deutlich, dass sich die Unternehmen vorrangig auf die eigenen CO₂-Emissionen konzentrieren, bevor sie ihre Lieferkette in den Blick nehmen“, folgert Projektmitarbeiterin Lena Benz.
Die telefonische Befragung wurde von Januar bis April 2022 durchgeführt. Inwiefern eine drohende Energieknappheit infolge des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine Auswirkungen auf die Klimaschutzstrategien von Unternehmen hat, kann die Studie daher nicht beantworten. „Das wäre noch spannend herauszufinden“, bestätigt auch Professor Dr. Jörn Block. Er und sein Team werden weiter zu diesem Thema forschen. Das aktuelle Projekt wird vom Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft finanziell und von der Sparkassen-Finanzgruppe ideell unterstützt.