Die Anzahl der in den äquatornahen Regionen wachsenden Baumarten ist signifikant höher als in den weiter nördlichen und südlichen Regionen der Erde. Eine in „Nature Ecology and Evolution“ veröffentlichte internationale Studie untersucht die Ursachen hierfür mit einer zuvor nie erreichten Genauigkeit. Sie betont, dass die Vielfalt der Baumarten in den Tropen nicht allein von bioklimatischen Faktoren abhängt. Die Studie basiert auf einer Kooperation von 222 Universitäten und Forschungseinrichtungen. Seitens der Universität Bayreuth ist PD Dr. Andreas Hemp beteiligt, der seit mehr als 30 Jahren die Vegetation in Bergregionen Ostafrikas erforscht.
Der Diversitätsgradient entlang der Breitengrade (latitudinal diversity gradient, LDG) ist ein in der Forschung oft beobachtetes Muster für die globale Verteilung von Pflanzen- und Tierarten. Allgemein gilt: Je höher der nördliche und südliche Breitengrad, desto geringer ist die Artenvielfalt. Dies trifft auch für Bäume zu, deren Artenzahl in einer vorangegangenen internationalen Studie weltweit auf 73.000 geschätzt wurde. Die Faktoren, die in verschiedenen Regionen der Erde die Artenvielfalt mitbestimmen, und der Grad ihres jeweiligen Einflusses sind jedoch längst nicht zureichend erforscht.
Die neue Studie, die jetzt die Vielfalt der Baumarten auf den bewaldeten Flächen der Erde untersucht, stützt sich auf eine systematische Auswertung von Daten, die auf rund 1,3 Millionen Wald-Probeflächen der Erde gewonnen wurden. Die Autor*innen listen darin 47 verschiedene mögliche Einflussfaktoren auf und unterteilen diese in folgende Kategorien: das Bioklima, Besonderheiten des Geländes, die Vegetation, landschaftliche Gegebenheiten, Einflüsse des Menschen und die Bodenbeschaffenheit. Besonders zahlreich sind die bioklimatischen Einflussfaktoren, beispielsweise die Temperaturen und Niederschläge im Jahresverlauf.
Forschungsbeiträge der Universität Bayreuth: Artenvielfalt am Kilimanjaro
„Noch nie hat es eine derart umfassende und detaillierte Untersuchung hinsichtlich der Frage gegeben, was das Vorkommen von Baumarten und ihre Vielfalt in den bewaldeten Regionen der Erde verursacht“, sagt der Bayreuther Biologe PD Dr. Andreas Hemp vom Lehrstuhl für Pflanzensystematik. Seit mehr als 30 Jahren erforscht er gemeinsam mit Partnern in Europa, Kenia und Tansania die Pflanzenwelt in Ostafrika. Im Rahmen des von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Verbundprojekts „Kili-SES“ untersucht er den Wandel der Vegetation am Kilimanjaro und die daran beteiligten klimatischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Ursachen.
Gemeinsam hat er mit einem Team von Bayreuther Studierenden und Doktoranden Forschungsflächen am Kilimanjaro eingerichtet, die sich zwischen 800 und 4.600 Höhenmetern befinden. Hier hat er die Artenvielfalt der Bäume systematisch ermittelt und daraufhin untersucht, von welchen Faktoren sie hauptsächlich beeinflusst wird.
Ergebnisse: Artenvielfalt der Bäume weltweit: Stärkere anthropogene Einflüsse in den Tropen?
Im globalen Maßstab gelangen die Autoren der Studie zu dem folgenden Befund: In 82,6 Prozent der bewaldeten Gebiete bestimmen bioklimatische Faktoren die Artenvielfalt. In 11,7 Prozent der bewaldeten Gebiete hingegen lässt sich die Artenvielfalt nicht auf eine bestimmte Kategorie von Faktoren zurückführen. Dieser weltweite Durchschnittswert wird in den äquatornahen tropischen Regionen signifikant übertroffen: Hier lassen 37,1 Prozent der bewaldeten Flächen nicht erkennen, dass Faktoren einer bestimmten Kategorie einen dominierenden Einfluss auf die Artenvielfalt der Wälder haben.
Zugleich ist die Artenvielfalt der Bäume auf diesen bewaldeten Flächen erheblich größer. Vor diesem Hintergrund betont die Studie: Wirtschaftliche Aktivitäten des Menschen, landschaftliche Gegebenheiten und die Bodenbeschaffenheit beeinflussen die Vielfalt der in den äquatornahen Regionen wachsenden Baumarten ebenso stark oder sogar deutlich stärker als bioklimatische Faktoren. Der Einfluss des Bioklimas sei in bisherigen Untersuchungen zur Artenvielfalt von Bäumen in den Tropen teilweise überschätzt worden.
PD Dr. Andreas Hemp hält diese Schlussfolgerung allerdings für voreilig: „In unseren Arbeiten haben wir festgestellt, dass sich die Artenzusammensetzung der Wälder am Kilimanjaro und die Anzahl der hier wachsenden Baumarten hauptsächlich in Abhängigkeit von Temperatur und Niederschlag verändern. Bioklimatische Faktoren spielen also durchaus eine dominierende Rolle. Zwar lassen sich in den Wäldern Ostafrikas vielerorts anthropogene Einflüsse, vor allem in Zusammenhang mit legaler oder illegaler Holzentnahme, erkennen.
Aber auch zahlreiche Waldgebiete in West- und Mitteleuropa werden seit Jahrhunderten intensiv bewirtschaftet. Deshalb erscheint es nicht unmittelbar plausibel, dass der Mensch in den Regionen um den Äquator einen stärkeren Einfluss auf die Artenvielfalt haben soll als in unseren nördlichen Breiten. Es ist außerdem nicht unproblematisch, dass die Studie auf globale Klimadatenbanken zurückgreift. Besonders in tropischen Gebirgen, in denen sich die klimatischen Verhältnisse auf engem Raum stark verändern und wo Klimastationen weitgehend fehlen, sind die Angaben solcher Datenbanken mit ihrer groben Auflösung sehr unzuverlässig.
Hinsichtlich der Gewichtung der Faktoren, welche die Artenvielfalt in tropischen Wäldern bestimmen, sind daher noch weitere, verfeinerte Untersuchungen erforderlich.“ Der Bayreuther Biologe teilt daher die Forderung der Studie, dass mit Unterstützung von Expert*innen aus der Forstwirtschaft und der Biodiversitätsforschung umfangreichere Daten erhoben werden müssten, um ein klareres Bild von der Artenvielfalt der Bäume in den bewaldeten Gebieten Afrikas zu gewinnen.